Die Persiflage zum Thema Missbrauch hat einen Konflikt ausgelöst. Pro- und Kontra-Meinungen aus der Redaktion.
Pro und Kontra„Missbrauchs-Wagen“ ist eine Persiflage an der Schmerzgrenze
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Der Motivwagen zum Thema Missbrauch in der Kirche steht beim Richtfest des Kölner Rosenmontagszuges in der Wagenhalle.
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„Zumutung, die wir aushalten müssen“
Jens Meifert hält den Missbrauchswagen für richtig. Er sagt:
Keine Frage: Dieser Wagen ist eine Zumutung. Ein schutzloses Kind wird in den Beichtstuhl gelockt und das unter der Überschrift „Jesus liebt Dich“. Das Bild ist schwer zu ertragen. Und das gilt um ein Vielfaches mehr für den Missbrauch selbst, der viel zu oft unter dem Deckmantel der Kirche geschehen konnte. Weil Würdenträger im Schatten kirchlicher Machtstrukturen Verbrechen begingen ohne selbst Konsequenzen fürchten zu müssen. Für die Opfer hat der Missbrauch Wunden verursacht, die kaum heilen. Manchmal ein ganzes Leben lang nicht.
Das ist schwer zu ertragen.
Der Wagen beschreibt (auch) den Vertrauensmissbrauch. Grenzenloses Vertrauen haben Kinder und ihre Eltern der Kirche entgegengebracht. Sie haben sich der Liebe Jesus' und dem Schutz der christlichen Botschafter anvertraut– und wurden dadurch zu Opfern. Weil niemand hinsah und Hinweise ignoriert wurden. Menschen, die Geborgenheit geben sollten, wurden zu Tätern. Diesen Zusammenhang beschreibt der Wagen.
Wer darin den Vorwurf sieht, die christliche Botschaft trage den Aufruf zum Missbrauch in sich, der geht zu weit und unterstellt dem Festkomitee böse Absichten. Natürlich müssen Motivwagen Zusammenhänge vereinfachen und auf ein starkes Bild reduzieren. Der Wagen berührt und macht betroffen – er funktioniert. Auch wenn er nur schwer auszuhalten ist.
„Vereinfachung, die übers Ziel hinausschießt“
Ingo Schmitz hält den Missbrauchswagen für falsch. Er sagt:
Der sexuelle Missbrauch von Seelsorgern an Kindern kann nicht scharf genug angeprangert werden. So, wie es auf zahlreichen Karnevalswagen geschehen ist: Priester als Täter in der ganzen Widerwärtigkeit ihres Handelns und eine Kirche, die diese Taten vernebeln wollte. Versinnbildlicht als Karikatur, bei der einem das Lachen im Halse stecken bleibt. Richtig so. Aber was ist dann das Problem mit dem aktuellen Wagen des Kölner Festkomitees zu diesem Thema?
Er prangert die Missbrauchstaten unter einer Überschrift an, die für die Kernaussage des christlichen Glaubens steht: Die Liebe Gottes. Sie steht für Christen über allem. Sie spricht das Urteil über die Täter und den sie schützenden Institutionen. Und sie ist nicht wenigen Betroffenen trotz allem so viel Gewissheit gewesen und geblieben, dass Täter zwar ihre Körper und Seelen verletzen, aber ihnen nicht diesen Glauben nehmen konnten. Es gibt Journalisten, die behaupten, man könne die Bibel in einer Meldung fassen. Und es gibt Gläubige die sagen, das ist übertrieben, es reicht ein Wort: Liebe.
Das ist es, was an diesem Wagen manche Betrachter schmerzt, so dass bei ihnen erst gar kein Lachen aufkommen kann, um in der Kehle stecken zu bleiben. Zweifellos hat manch ein Täter im Priestergewand unter dem Deckmantel der Liebe seine Taten vorangetrieben. Aber der Wagen differenziert eben nicht. Bei ihm ist „Jesus liebt dich“ die Überschrift zur Tat.