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Interview

„Anspruch an Qualität immer größer“
„Loss mer singe“ feiert 25-jähriges Jubiläum – Lieder-Auswahl immer schwieriger

Lesezeit 4 Minuten
Der Loss mer singe Auftakt im Lapidarium, hier 2023.

Der Loss mer singe Auftakt im Lapidarium, hier 2023.

Die Mitsing-Initiative startet zum 25. Mal. Der Erfinder spricht auch darüber, was einen guten Kneipen-Hit ausmacht.

Jedes Jahr erscheinen weit über 300 kölsche Lieder oder Lieder mit Kölsch-Bezug. Wie groß ist die Herausforderung, daraus 20 für die Kneipentour von „Loss mer singe“ auszuwählen?

Die Herausforderung ist riesig und schon seit Längerem müssen wir uns Jahr für Jahr eingestehen, dass auch viele andere Lieder genau so berechtigt dabei sein könnten. Aber wir machen uns große Mühe beim Auswahlverfahren und versuchen an diesem Prozess möglichst viele zu beteiligen. Besonders unsere Testveranstaltungen unter „Kneipenkarnevals-Bedingungen“ helfen uns beim Entscheidungsprozess.

„Loss mer singe“ gibt es jetzt schon seit 25 Jahren. Wie hat sich das Angebot an Bands, Künstlern und Songs seitdem entwickelt?

In den letzten 25 Jahren hat die immer schon große Strahlkraft der kölschen Musik noch mal zugenommen. Seit dem Eintreten von Brings in den Karneval Anfang der 2000er sind nach und nach sehr viele Bands entstanden. Ein weiterer Schub entstand besonders nach dem Erfolg von Kasalla und Cat Ballou ab 2012. Das kölsche Musik-Biotop ist sehr dynamisch gewachsen.

Georg Hinz ist Erfinder von „Loss mer singe“. Georg Hinz ist Erfinder von „Loss mer singe“.

Georg Hinz ist Erfinder von „Loss mer singe“.

Welchen Anteil hat „Loss mer singe“ daran?

Sicher hatten wir mit der „Loss mer singe“-Initiative an dieser Entwicklung durchaus einen fördernden Anteil, indem wir viele Menschen, die bis dato nichts mit Karneval und der Musik zu tun hatten, herangeführt haben. Gleichzeitig gab es aber aus unseren größer werdenden „neuen Kreisen“ auch wertschätzende Rückmeldungen für Musik, die unseren „normalen“ Musikgeschmack mehr aufgriffen. Eine wichtige Rolle spielt auch die Professionalisierung der Karnevalsmusik-Szene. Der Anspruch an Qualität, an die Botschaften und Werte in den Liedern ist immer größer geworden.

Oft werden in den Liedern solidarische Werte beschrieben, im Grunde auch der Einsatz für Demokratie und Menschlichkeit. Viele Lieder setzen einen Akzent gegen das Auseinanderdriften der Gesellschaft.
Georg Hinz

Wie hat sich die kölsche Musik aus rein musikalischer Sicht in all den Jahren entwickelt?

Viele folk- und popmusikalische Genres funktionieren mittlerweile auf Kölsch und bereichern nicht nur die musikalische Begleitung des Karnevals, sondern das ganze Jahr über die „Heimat-Musik-Kultur“ im rheinischen Biotop.

Gibt es Themen, die in diesem Jahr verstärkt in der kölschen Musik aufgegriffen werden?

Es ist schwer, von klaren Trends zu sprechen. Es gibt das ganze Spektrum an typischen karnevalsmusikalischen Themen. Von losgelassenem, ausgiebigen Feiern, über das Flirten und den Bezug zur Heimat als guten Ort des achtsamen Zusammenseins. Aber ich habe das Gefühl, dass die Sehnsucht nach dem Fest sich noch stärker verbindet mit dem berechtigten Kraft-Tanken für die Bewältigung von vielfältigen Krisen und Sorgen des Alltags. Oft werden solidarische Werte beschrieben, im Grunde auch der Einsatz für Demokratie und Menschlichkeit. Viele Lieder setzen einen Akzent gegen das Auseinanderdriften der Gesellschaft.

Welche Voraussetzungen muss ein Titel erfahrungsgemäß erfüllen, um in den Kneipen besonders gut anzukommen?

Natürlich sind Eingängigkeit und Mitsingbarkeit eine selbstverständliche Voraussetzung für die Kneipe. Aber danach hört die wissenschaftliche Analyse schon auf. Wichtig sind Originalität, Glaubwürdigkeit, Humor und sprachlich-melodiöse Neuschöpfungen, die ansprechen oder begeistern. Das gute Songwriting und das professionelle und stimmige Arrangement ist immer die Voraussetzung, dass eine Produktion funktioniert, ohne dass die Interpreten des Lieds persönlich dabei sind


„Loss mer singe“

Sieben Mal haben Brings die Kneipentour der Mitsing-Initiative „Loss mer singe“ bereits gewonnen. Damit sind sie Rekordsieger. In diesem Jahr feiert „Loss mer singe“ 25-jähriges Jubiläum.

Auf Platz zwei folgen Kasalla mit sechs Siegen, die Höhner mit drei und die Bläck Fööss mit zwei Erfolgen. Zuletzt räumte Kasalla dreimal in Folge ab („Rudeldiere“, „Sing mich noh Hus“, „Wenn ich ne Engel bin“). Erster Sieger bei „Loss mer singe“ war der Brings-Hit „Superjeilezick“. „Loss mer singe“ entstand in der Küche von Erfinder Georg Hinz, der seine Freunde damals mit Liederzetteln fit für die Session machen wollte.

„Loss mer singe“ im Bickendorfer „Kääzmanns“.

„Loss mer singe“ im Bickendorfer „Kääzmanns“.

Die Liederzettel mit den Refrains gibt es bis heute. Aus dem Singen mit Freunden ist eine beachtliche Kneipentour entstanden. Über 40 offizielle Termine in Kölner Kneipen und Brauhäusern gibt es in dieser Session, dazu kommen Veranstaltungen für Kinder und Senioren, im Umland und sogar in Berlin, München und Hamburg. An allen Abenden stimmt das Publikum für die Lieblings-Hits der Session ab. Die Siegertitel werden beim Finale in der Live Music Hall bekanntgegeben.

Nachdem die neuen Sessionslieder gesungen sind, folgt bis zur Auszählung an jedem Abend ein Zwischenprogramm, dass sich den Siegertiteln der vergangenen 25 Jahren widmet. In Zeiten großer gesellschaftlicher Herausforderungen will die Mitsing-Initiative in diesem Jahr ein Zeichen für Vielfalt und Zusammenhalt setzen. Fester Bestandteil der Tour ist daher auch die Kasalla-Hymne „Mer Sin Eins“.

Die Kneipentour beginnt am Mittwoch (8. Jananuar) traditionell im Lapidarium. Für einige Veranstaltungen wurden Tickets bereits vergeben, für viele andere Abende gilt freier Eintritt, so lange, bis kein Platz mehr in den Kneipen ist.