Die Zeitreise im Theater in Köln-Ehrenfeld bekommt durch den Krieg im Gaza-Streifen einen bedrückenden Hintergrund.
Urania -Theater in KölnJüdische Künstler erinnern sich an Kölner Karneval von 1823 bis 1938
Eigentlich war diese nostalgisch-fröhliche Zeitreise durch ein außergewöhnliches – kaum bekanntes - Kapitel kölnischer Karnevalsgeschichte als „Preview“ zu der am Mittwoch beginnenden Ausstellung „Schalom & Alaaf“ im Kölner NS-Dokumentationszentrum gedacht. Nun bekam sie — durch das Massaker von Hamas-Terroristen an Zivilisten ausgelösten Krieg im Gaza-Streifen — einen bedrückenden Hintergrund. Viele der Zuschauer hatten nach einer friedlichen, pro-israelischen Demonstration am Dom ins ausverkaufte „Urania“-Theater in Ehrenfeld gefunden – und fühlten sich durch das empathische „Willkommen“ von Theater-Chefin Bettina Montazem gleich eingebunden in die Reisegruppe der besonderen Art. „Es hatte Bedenken gegeben im Vorfeld, ob man diese Veranstaltung durchführen sollte“, erzählte „Kölsche Kippa Köpp“-Präsident Aaron Knappstein, „doch das Team hat beschlossen: Wir müssen diese Veranstaltung machen!“
So führten nun Knappstein und sein Vorstandskollege Volker Scholz-Goldenberg durch den Abend, stellten die Gäste vor und berichteten von den aufwendigen Recherchen ihrer Mitstreiter zu den Biografien, Krätzcher und Büttenreden , mit denen die weitgehend vergessenen, jüdischen Karnevalisten zwischen 1823 und 1938 den Kölner Karneval bereichert hatten. Dazu gehörten auch an Häusern gefundene (oder von den Autoren erfundene!) Sprüche aus jenen Jahren , als Köln noch „schön“ war. Über dem Standesamt: „Lerne leiden ohne zu klagen“ oder über dem Rathaus: „Solang der Klüngel hier nicht untergeht.“ Die Schauspielerin Susanne Kamp und ihr Kollege Michael Klevenhaus – übrigens der erste Deutsche , der seine Masterarbeit in Gälisch geschrieben hat – gaben sie mit ironischem Augenzwinkern zum Besten.
Aber was wäre Karneval ohne Schunkeln?! Und schon macht sich das Musiker-Quartett „Schängs Schmölzje“ mit Köbes Offenbach auf die Reise nach Paris, wo er zum Jacques und „Barcarole“ zum Schunkellied wird. Um dann den Bogen zurück zu spannen zu Willi Ostermann, dessen „Einmal am Rhein“ jedem in Köln Geborenen in die Wiege gelegt zu sein scheint. Die Reihen im „Urania“ schunkelten nach den ersten Takten enthusiastisch mit.
Dalia Schächter — Ensemble-Mitglied der Kölner Oper — bereicherte dann das Quartett mit ihrem wohlklingenden Mezzo-Sopran, ehe die Großen des jüdischen Karnevals in Köln auf die Dialeinwand projiziert und vorgestellt wurden. „Alles Männer“, wie Aaron Knappstein bedauernd feststellte. Eine Ausnahme war Gerti Ransohoff, die Anfang der 1930er Jahre zu den Stars des Kölner Karnevals gehörte, mit vielen spektakulären Auftritten im Gürzenich. Ausgerechnet von ihr hatte man kein Foto auftreiben können!
Hintersinniger Humor
Dafür sprachen ihre Texte um so beredter von ihrem hintersinnigen Humor. Ihre männlichen Kollegen von Emil Blumenau über den Bariton und Stimmungssänger Robert Koppel („Wir sind von Kölle am Rhin“), dem in Deutz geborenen „Halb-Kölner“ Leopold Mannheim, dem Bütten-Star der Jahrhundertwende, bis hin zu Emil Jülich, dem Sänger und Parodisten Alfred Heinen (geb.Levy), der es selbst in den Berliner „Wintergarten“ schaffte.
Hans David Tobar („Heidewitzka in New York“) hielt sich nach seiner Emigration mit „Rheinischen Nachmittagen und Abenden“ in Amerika über Wasser. Max Salomon gründete 1922 mit „Kleiner Kölner Klub“ den einzigen jüdischen Karnevalsverein, feierte als „Kölner Marktfrau“ seine größten Erfolge und setzte sich später in den USA als „Miss Wiedergutmacher“ für Versöhnung und Vergebung ein. Ein Wunsch, den auch die beseelt aus der „Urania“ Entlassenen zu verspüren schienen.