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Karneval in KölnBrauchtum zwischen Euphorie und Krise – Schull- un Veedelszöch schrumpfen

Lesezeit 4 Minuten
Im ersten Zug nach der Pandemie werden am Karnevalssonntag deutlich weniger Teilnehmende bei den Schull- un Veedelszöch mitgehen. Schüler halten ein Transparent mit der Beschriftung "Schullzöch 2020 - 49 Schulen".

Im ersten Zug nach der Pandemie werden am Karnevalssonntag deutlich weniger Teilnehmende bei den Schull- un Veedelszöch mitgehen.

Manche Sitzungssäle sind ausverkauft, die Stimmung bestens. Doch einige kleinere Vereine verzeichnen einen schwächeren Kartenverkauf. Eine Sitzung wurde nun abgesagt. Und die Schull- und Veedelszöch verzeichnen einen deutlichen Schwund an Teilnehmenden.

Mit der Proklamation des Dreigestirns und dem Start des Sitzungskarnevals lichtet sich allmählich der Nebel der Ungewissheit, welche Folgen Corona-Pandemie, Inflation und Energiekrise für den Karneval in der Stadt bedeuten. Noch im Dezember hatte das Festkomitee mit einer Umfrage unter den 140 angeschlossenen Vereinen in Erfahrung gebracht, dass 70 Prozent der Sitzungstickets verkauft waren – sonst seien es zu diesem Zeitpunkt etwa 78 Prozent gewesen. „Es gibt jedoch auch viele kleine Vereine, die selbst die 70 Prozent nicht erreichen. Hier müssen wir alles tun, um das Stammpublikum zu aktivieren“, sagt Festkomitee-Sprecher Michael Kramp.

Derzeit spielt der Karneval hinter verschlossenen Saaltüren, doch wenn am Karnevalssonntag die Schull- un Veedelszöch durch die Stadt ziehen, werden die Auswirkungen der Pandemie für jeden sichtbar werden. Statt 8000 Teilnehmenden werden es dieses Mal nur 6000 sein. Vor allem bei den Schulen gibt es einen deutlichen Rückgang der Gruppen. „Das macht uns Sorgen. Zwei Jahre lang waren die Eltern in den Schulen nicht in das Thema Karneval involviert. Jetzt müssen wir sehen, wie wir wieder Schwung reinbekommen“, sagt Zugleiter Willi Stoffel. Ein strukturelles Problem gebe es nicht. „Es kann jeder teilnehmen, die Zöch sind kein geschlossenes System“, stellt er klar.

Sitzungsabsage der KG Kölsche Domputzer

Viele Säle sind ausverkauft, Karnevals-Manager Horst Müller, Inhaber der Agentur „Alaaaf.de“ sieht eine „schiere Hysterie nach Karneval im positiven Sinne“. Doch während die finanziell gut aufgestellten Traditionskorps die Werbetrommel rühren und sich professioneller Marketinginstrumente bedienen können, fallen kleinere Vereine durchs Raster. Gerade hat sich die KG Kölsche Domputzer zur Absage ihrer Mädchensitzung in der Stadthalle entschieden, weil die Ticketnachfrage eingebrochen ist. Das Festkomitee hat nun juristische Hilfe angeboten, um die Insolvenz des Vereins zu vermeiden.

Kommende Woche wird das Festkomitee erneut eine Kampagne für den Karneval starten und auf vielen Socialmedia-Kanälen Anzeigen schalten. Dadurch soll auf die Fülle von Veranstaltungen hingewiesen werden, um den Kartenverkauf noch ein wenig anzukurbeln. Von einem „Überangebot“ an Karnevalssitzungen spricht Günter Ebert, Sprecher der Roten Funken, die in diesem Jahr 200-jähriges Bestehen feiern und das Dreigestirn stellen. „Wir müssen uns mit unseren Formaten noch mehr nach den Gästen richten“, ist er sich sicher. Als die Roten Funken am Mittwoch zur Mädchensitzung in den Gürzenich geladen hatten, waren etwa 120 Plätze leer geblieben, allerdings liegt die Saalkapazität bei 1300 Gästen. Um die Kosten zu decken, müssten 85 bis 90 Prozent der Tickets verkauft werden, rechnet Ebert vor. Dies ist nach Rundschau-Informationen längst nicht bei allen Vereinen der Fall, woanders reichen auch schon weniger als 70 Prozent der verkauften Tickets zur Deckung der Kosten.

Neue Kampagne des Kölner Festkomitees

Mehrere Vereine hatten sich vor der Session beim Festkomitee um Hilfe gebeten, um den Kartenverkauf in Schwung zu bringen. Zum Teil war es mit einfachen Tipps getan: Facebook-Kunden mehrfach anschreiben, Familientickets anbieten - das Einmaleins des Marketings. Die Roten Funken hatten vorsorglich gezielt Anzeigen im Umland geschaltet. Das haben wir sofort an den Anfragen gemerkt“, berichtet Ebert. Die Tribünen für den Rosenmontagszug seien schon im November ausverkauft gewesen – so früh wie nie. Bei manchen Sitzungen sei jedoch zu spüren, dass Unternehmen auf Kartenkontingente verzichtet haben und stattdessen Kundenevents im Sommer anbieten wollen.“

Je jünger die Zielgruppe, desto leichter haben es die Vereine, stellt Karnevals-Manager Horst Müller fest. Unwägbarkeiten gibt es dennoch. „Gerade die jungen Menschen kaufen die Tickets oft sehr spontan“, sagt Ebert. Manche Party seien schnell ausverkauft gewesen, bei anderen sei „Luft nach oben“. Er plädiert vor allem im Sitzungskarneval für Reformen, für kürzere Programme, die maximal fünf Stunden dauern sowie besucherfreundlichere Anfangszeiten.


Rote Funken ziehen in die Veedel

Drei Stunden lang werden die Roten Funken am heutigen Samstag auf dem Maternusplatz in Rodenkirchen ein Mini-Biwak veranstalten. Nach dem Vorbild des großen Funken-Biwaks, das traditionell Karnevalssamstag auf dem Neumarkt stattfindet, wird das Korps aufziehen und ein karnevalistisches Programm bieten.

Zum Jubiläum wollen die Roten Funken bis Aschermittwoch in mehreren Veedeln Präsenz zeigen und ihr Mini-Biwak veranstalten. In Rodenkirchen werden zum Auftakt auch die Hellige Knäächte un Mägde tanzen – auch diese Gruppe besteht seit 200 Jahren. Zum Abschluss wird um 13 Uhr das Dreigestirn erwartet. In den Veedeln wollen die Roten Funken bei ihrer „Kötterbüchs“-Aktion wieder Geld für den guten Zweck sammeln.

Zu den Plänen des Traditionskorps gehört auch der Besuch der Zülpicher Straße zu Weiberfastnacht. Die Einzelheiten werden derzeit mit der Stadt abgestimmt. (tho)