Schafft der Fachkräftemangel mehr Inklusion in der Arbeitswelt? Fragen an Claudia Bilstein von der Agentur für Arbeit in Köln.
Interview zur Inklusion in Köln„Der Arbeitsmarkt ist immer noch nicht so offen, wie wir uns das wünschen“
Wird der Arbeitsmarkt für Menschen mit einer Schwerbehinderung angesichts des Fachkräftemangels offener?
Bisher leider noch nicht. Der Arbeitsmarkt ist immer noch nicht so offen, wie wir uns das wünschen. Arbeitgeber haben häufig immer noch die Sorge, dass es schwierig sein könnte, einen Menschen mit Beeinträchtigung wieder zu entlassen. Die Sorge ist unbegründet. Zudem hält sich das Klischee, dass ein Mensch mit Schwerbehinderung eine sichtbare Einschränkung hat, wie zum Beispiel einen Rollstuhl oder ähnliches. Dabei sind viele Schwerbehinderungen gar nicht sichtbar, wie bei einem gut eingestellten Diabetiker.
Lohnt es sich für Arbeitgeber, einen Menschen mit Schwerbehinderung einzustellen?
Auf jeden Fall. Arbeitgeber erhalten einen Zuschuss, wenn sie Menschen, die eine Minderleistung erbringen, einstellen. Und sie müssen keine Abgabe zahlen, die für Betriebe ab 20 Mitarbeitenden ohne Schwerbehinderte anfällt. Wer eine Ausbildung anbietet, wird vielfältig unterstützt. Auch finanziell: Die Agentur für Arbeit kann einen Teil der Ausbildungsvergütung und einen Teil der Sozialleistungen übernehmen.
In welchen Bereichen sehen Sie Potenzial für Menschen mit Beeinträchtigungen?
Vor allem im handwerklichen und im praktischen Bereich. Durch die spezielle Ausbildung zum Fachpraktiker gibt es die Möglichkeit, eine theoriereduzierte Ausbildung, in der es Unterstützung wie Nachhilfe gibt, zu machen. Fachpraktiker-Ausbildungen gibt es in Köln zurzeit für Bereiche wie Küche, Verkauf, Gastronomie, Büro, Pflege, Bau- und Metallgewerbe oder Fahrzeugpflege.
Was bedeutet es Menschen mit Einschränkungen, auf dem ersten Arbeitsmarkt zu sein?
Sehr viel. Sie verdienen nicht nur wesentlich mehr als in einer Werkstatt, sondern sie fühlen sich auch zugehörig. Menschen definieren sich zum Teil auch über ihre Arbeit, das ist bei Menschen mit einer Einschränkung nicht anders.