AboAbonnieren

Interview mit Peter Brings„Das ist ein Ritterschlag für uns“

Lesezeit 5 Minuten
Sänger mit Gefühl: Peter Brings regt sich über die dramatisch gestiegen Ticketpreise auf.

Sänger mit Gefühl: Peter Brings regt sich über die dramatisch gestiegen Ticketpreise auf.

Peter Brings spricht im großen Rundschau-Interview über das Konzert auf dem Roncalliplatz mit dem Beethovenorchester, das am Freitag stattfindet.

Peter Brings (58) spielt am Freitag mit seiner Band das erste von zwei Konzerten mit dem Bonner Beethoven-Orchester auf dem Roncalliplatz. Thorsten Moeck sprach mit ihm über Antonio Vivaldi und das Notenlesen.

Gibt es Momente, in denen Sie sich auch mal klassische Musik anmachen?

Sehr oft sogar. Ich höre aber weniger die deutschen Komponisten wie Brahms oder Bach, deren Musik oft sehr schwer wirkt. Lieber sind mir da Stücke von Vivaldi, da hört man sozusagen den Rotwein und das Meer mit. Das ist auch musikalisch eine andere Mentalität. Ich mag übrigens auch sehr gerne Cellomusik.

Sie haben als Kind Gitarre gelernt. Oder wäre damals auch Geige infrage gekommen?

Als Zehnjähriger habe ich meine erste Gitarre geschenkt bekommen. Kurz darauf fuhren wir ins Schullandheim und ich konnte „The Lion sleeps tonight“ und zwei andere Nummern mit vier Akkorden spielen. Und ich merkte sofort, dass alle Mädchen am Lagerfeuer mit mir zusammen sein wollten. Da dachte ich mir: Es lohnt sich, weiter Gitarre zu lernen.

Nur Schlagzeuger Christian Blüm kann Noten lesen in ihrer Band. Ist eine klassische Partitur für Sie so vielsagend wie eine Bauanleitung für eine Schrankwand in chinesischer Sprache?

So ungefähr, es ist so als würde ich auf eine Landkarte schauen und sagen: Tolles Schnittmuster. Als die Partitur von „Liebe gewinnt“ gesehen habe, war ich komplett beeindruckt und dachte: Wow, das ist dein Lied. Bei den Proben haben zwei junge Musiker „Heimjonn“ auf der Geige gespielt und fragten interessiert, wer das Lied geschrieben habe. Sie waren beindruckt, dass mein Bruder Stephan die Nummer geschrieben hat, obwohl er auf der Gitarre nur die wesentlichen Akkorde beherrscht. Die Kunst in unserem Job ist es, etwas Neues zu erfinden.

Ein Klassik-Konzert von Brings muss vor dem Dom stattfinden. Oder gab es alternative Austragungsorte?

Das war unser Wunschort, auch wenn die Voraussetzungen kompliziert sind. Um 19.45 Uhr läuten nochmal die Domglocken, dadurch können wir erst um 20 Uhr beginnen. Und um 22 Uhr soll Schluss sein. Wir hätten in die Philharmonie gehen können, aber der Roncalliplatz hat auch einen besonderen Reiz.

Mir kamen die Tränen. Es war so ergreifend, als die Geigen eingesetzt haben.
Peter Brings über die ersten Proben

Wobei Sie von der Bühne aus nicht den Dom sehen.

Wir sehen das, was die meisten in Köln sehen. Links eine Baustelle. Rechts eine Baustelle. Aber für uns ist das Konzert genauso aufregend wie damals unser erster Auftritt im Stadion. Jeweils 5000 Menschen können live dabei sein. Wir sind froh, dass der WDR das Konzert aufzeichnet und es am 16. September im Fernsehen zu sehen sein wird.

Sponsoren unterstützen das Projekt, es gab Tickets ab 39 Euro. „Wir rocken die Inflation“ hieß es zuletzt bei Ihrem Konzert in Bonn. Die klare Botschaft lautete: Kultur soll bezahlbar sein.

Wir haben sehr für günstige Tickets gekämpft, denn wir kennen unser Publikum. Als Normalverdiener kann sich das irgendwann niemand mehr leisten 500 Euro an einem Wochenende auszugeben. Und als Band ziehen wir das durch. In Bonn hatten wir 10 000 Tickets verkauft. Hätten die Karten 50 Euro gekostet, hätten wir uns von den Einnahmen alle ein neues Auto kaufen können. Aber uns ist wichtiger, dass die Menschen kommen. Und wir haben die Hoffnung, dass andere Künstler das auch können, wenn es bei Brings klappt.

Internationale Künstlerinnen und Künstler sind längst bei dreistelligen Ticketpreisen angelangt.

Nehmen wir zum Beispiel Bruce Springsteen, einen Künstler, den ich sehr verehre. Aber meiner Meinung nach kann ich nicht 250 Dollar für eine Konzertkarte nehmen und mich gleichzeitig als Held der Arbeiterklasse feiern lassen. Das ist mir ein Rätsel.

Diese Haltung muss sich eine Band leisten können. Brings kann das offenbar.

Uns geht es gut, uns scheint die Sonne aus dem Hintern. Und zwar dank der Menschen, die seit 33 Jahren zu uns kommen. Der Kapitalismus verlangt immer neue Steigerungen und Zuwächse. Wir haben uns entschieden, da auszusteigen. Heute kostet ein Brötchen fast ein Euro, das kann doch nicht wahr sein. Wir rechnen knallhart, gehen mit einer Summe X nach Hause und sagen: Das muss reichen.

Worauf dürfen sich die Fans am Roncalliplatz freuen?

Wir haben neben den Stücken des Albums „Alles tutti“ noch die Nummern „Bis ans Meer“, „Sünderlein“, „Willkumme in Kölle“ und „Mir sin Kölsche“ einstudiert.

Ein Orchester kann sehr wuchtig spielen, aber auch filigran und ergreifend. Wie ist es, wenn plötzlich ein ganzes Orchester die eigenen Lieder spielt?

Es werden fast 80 Musikerinnen und Musiker dabei sein. Und ich erinnere mich an eine Probe während der Pandemie, als das Orchester das Intro zu „Liebe gewinnt“ spielte. Mir kamen die Tränen, das war so ergreifend, als die Geigen eingesetzt haben. Das ist ein totaler Ritterschlag. Atmosphärisch war es eine tolle Zusammenarbeit.

In zwei Jahren besteht Brings seit 35 Jahren. Die Feier soll im großen Stil in der Eifel stattfinden.

Wir planen eine große Veranstaltung an einem besonderen Ort in der Eifel. Mein Bruder ist ja Wahl-Eifler. Wir wollen ein Wochenende mit unseren Fans verbringen. Die Planungen haben begonnen, denn wir sind selbst Veranstalter.