Interview mit Mobilitätsforscher„In einer Stadt wie Köln muss noch viel passieren“
- Professor Martin Lanzendorf ist Mobilitätsforscher an der Uni Frankfurt/Main
Köln – Herr Lanzendorf, zwar wächst die Gesamtzahl an Autos in Köln weiter, aber seit drei Jahren flacht die Zunahme ab. Verliert das Auto an Bedeutung?
Das wäre zu hoffen. Aber es gibt eine Einschränkung: Es waren die Jahre der Corona-Pandemie, deren Auswirkungen wir nicht exakt benennen können. Vor allem große Städte in Deutschland bemühen sich zwar, das Auto zurückzudrängen beziehungsweise den öffentlichen Raum stattdessen neu aufzuteilen – gleichzeitig sind die Rahmenbedingungen für Verkehr und Mobilität auf Bundes- und Landesebene unverändert. Es gibt starke Subventionen für PKW-Verkehr. Es ist ein langer Weg, bis die Auto-Zahlen stagnieren oder abnehmen, dafür muss in einer Stadt wie Köln noch viel passieren.
Die Zulassungen unterscheiden sich je nach Stadtbezirk.
Ja, das sieht man ganz gut. Innenstadtnah gibt es deutlich niedrigere Zulassungs- und Besitzzahlen als weiter draußen. Der Druck ist in Innenstädten viel größer, dort merken die Bürgerinnen und Bürger den Kampf um den begrenzten Platz viel stärker als in äußeren Bezirken. Sie stellen sich öfter die Frage, warum Räume nicht besser für Cafés, Kitas, Radstreifen, Fußwege oder Parks genutzt werden.
Jemanden im Außenbezirk trifft der Verzicht stärker.
Genau. Viele Menschen haben sich auf ein Leben mit Auto eingestellt, um schnell überall hinzukommen. Sie tun sich mit Veränderungen schwer, das wird ein langwieriger Prozess. Dass in Köln die Grünen stärkste Kraft sind, ist Ausdruck vieler Bürger, etwas zu ändern. Doch das dauert.
Und die große Frage: Schafft eine Stadt Alternativen zum Auto oder verbietet sie beispielsweise die Fahrt in Innenstädte, reguliert also?
Man muss beides machen. Es geht in keiner Weise darum, das Auto zu verbieten, sondern darum, den Verbrauch pro Kilometer zu drosseln. Es ist keine Verkehrsfrage sondern eine Frage der Stadtgestaltung und wie das Leben aussehen soll. Jahrzehntelang hat der Straßenausbau in Städten alle Flächennutzungen verdrängt, das ändert sich allmählich. Vor allem in Städten leiden Menschen darunter, dass dem Auto so viel Platz geschenkt worden ist. Wenn die Hälfte der PKW-Wege kürzer als fünf Kilometer ist, läuft etwas falsch.
Prozentual legen alternative Antriebe bei Neuzulassungen stark zu, in absoluten Zahlen bleibt es winzig.
Bisher schlagen sich alternative Antriebe nicht im Alltag nieder und spielen keine Rolle im Vergleich zu anderen. Das liegt auch an der mangelhaften Bundespolitik, die verbrauchsärmere Fahrzeuge kaum fördert. Zum Beispiel verbergen sich hinter Plug-In-Hybriden häufig riesige SUV-Wagen, die einen wahnsinnig hohen Energieverbrauch haben. Die Förderung müsste stärker beachten, wie groß Autos sind und wie viel Energie sie brauchen.
Kölner Autobesitzer nutzen ihr Auto im Schnitt 9,8 Jahre. Ab 2030 wollen einige Hersteller nur noch E-Autos produzieren. Führt das bald zu mehr Absatz für E-Autos?
Das sehe ich gar nicht. Bis 2030 wollen Hersteller konventionellen Antriebe verkaufen. Die Politik tut da viel zu wenig.