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Interview mit Kölner VirologenSchon zwei Corona-Mutationen in Köln aufgetaucht

Lesezeit 4 Minuten

Wie hat sich das Virus verändert? Im Labor versuchen die Wissenschaftler den Mutationen auf die Spur zu kommen.

  1. Wie sind die Kölner Inzidenzwerte einzuordnen? Welche Aussagekraft hat die Reproduktionszahl? Wie verändert sich das Virus?
  2. Darüber sprach Henriette Sohns mit Dr. Rolf Kaiser. Er leitet die molekulare Diagnostik am Institut für Virologie der Uniklinik.

Die Kölner Inzidenzzahlen sind zuletzt wieder gestiegen. Im Landes- und Bundesvergleich liegen wir aber immer noch unter dem Durchschnitt. Wie ordnen Sie diese Entwicklung ein?Die jetzt wieder steigenden Zahlen sind zunächst durch die Nachmeldungen der Fälle zu erklären, die bereits an oder nach den Feiertagen erkrankt sind. Das ist ganz typisch, genau dieses Phänomen gibt es jedes Jahr auch bei der Grippe. Die Menschen gehen nicht zum Arzt, die Praxen haben zum Teil geschlossen. Erst zwei Wochen nach Neujahr sind die Zahlen wieder auf dem neuesten Stand. Dass Köln vergleichsweise „niedrige“ Zahlen hat, könnte jedoch bereits auf die Auswirkung der Kontaktbeschränkungen von Dezember hindeuten. Zumindest wäre das zu hoffen.

Das heißt, die Zahlen werden nach den Nachmeldungen erneut sinken?

Mit solchen Prognosen müssen wir im Moment vorsichtig sein. Ich denke, dass sich die Zahlen erst in der kommenden Woche stabilisiert haben und wir einen Trend ablesen können.

Auf welche Zahlen sollte man denn nun gucken: Inzidenzzahl, R-Wert, die Zahl der belegten Intensivbetten oder besser die der Todeszahlen?

Jede Zahl hat ihre Bedeutung und ihre Berechtigung, alle zeigen uns etwas unterschiedliches an. Vereinfacht kann man sagen, dass die Inzidenz das Infektionsgeschehen von vor zwei Wochen abbildet. Die Zahlen aus den Krankenhäusern zeigen das Infektionsgeschehen von vor vier Wochen, die Todeszahlen reichen noch weiter zurück.

Dem Corona-Virus auf der Spur: Dr. Rolf Kaiser.

Jetzt Verstorbene haben sich oft schon vor sechs bis acht Wochen infiziert. Interessant ist für uns der R-Wert: Er zeigt die Tendenz an, ob die Infektionszahlen sinken oder steigen. Auch wenn nicht alle Menschen Virologen oder Epidemiologen sind, finde ich es sehr wichtig, dass alle Zugriff auf diese Zahlen haben sollen und sich selbst ein Bild machen können.

Sie sprachen eben kurz von der Grippe – hat Köln in diesem Jahr viele Fälle?

Nein, absolut nicht. Das liegt jedoch nicht daran, dass Corona-Viren die Influenza-Viren verdrängen. Das liegt schlicht und einfach an unserer verbesserten Hygiene im Alltag.

Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat sich in der vergangenen Woche gewünscht, Köln solle als eine der ersten Millionenstädte Deutschlands eine dauerhafte Inzidenz von 35 erreichen. Ist das ein unrealistisches Ziel?

Nein, natürlich ist das realistisch. Wenn Hygiene- und Abstandsregeln konsequent eingehalten werden, gibt es weniger Kontakte zwischen den Menschen. Auf diese ist das Virus angewiesen. Bekommt es sie nicht, hat das Virus es schwer. Das ist simple Biologie. Ich bin sehr optimistisch, dass wir die Zahlen halten können, wenn sie erst mal so niedrig sind. Dann kann man über Lockerungen nachdenken. Wichtig ist nur, die Zahlen weiter zu beobachten und schnell zu reagieren.

Aktuell macht den Wissenschaftlern die Virus-Mutation aus Großbritannien Sorge. Wird in Köln überprüft, ob diese Variante des Virus hier schon angekommen ist?

Nicht jede Probe wird bei uns in der Uniklinik auf die englische Mutation untersucht, aber mittlerweile prüfen wir etwa ein Drittel der Proben darauf. Ähnlich wie beim PCR-Test durchlaufen sie einen so genannten Fühler-Test, der auf spezielle Änderungen im Gen guckt. Wir haben die Mutation bei uns im Labor bereits in fünf externen Proben nachweisen können, die alle eine Verbindung nach Großbritannien haben. Es waren aber auch zwei Proben von Kölnern dabei, die sich im Infektionszentrum der Uniklinik haben testen lassen. Die Mutation ist auch in Köln angekommen.

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Wie sieht nun Ihr weiteres Vorgehen an der Uniklinik aus?

Wir beobachten das Geschehen sehr genau, bisher ist noch kein Fall mit der Virus-Variante stationär in der Uniklinik vorgekommen. Gefährlich wird es, wenn wir das Virus an dieser Stelle unterschätzen. Eigentlich ist es wie beim Schach – wir müssen einen Schritt weiter denken. Wenn nachher mehr Infizierte durch das mutierte Virus bei uns in den Kliniken liegen, macht es kaum einen Unterschied, ob es einen schwereren Krankheitsverlauf hat oder nicht. Deshalb schauen wir uns auch den Kölner R-Wert genau an: Wenn er steigt, könnte es auf mehr mutierte Viren hindeuten.

Wann können wir denn damit rechnen, dass die Infektionszahlen durch das Impfen sinken?

Dass sie durch die beginnenden Impfungen sofort sinken, ist illusorisch. Das wird erst passieren, wenn die Menschen flächendeckend geimpft sind. Aber durch eine Impfung werden natürlich viele Menschen geschützt. 14 Tage nach der ersten Impfung ist der Schutz wirksam. Zum Glück hat auch das Corona-Virus hat eine Saison. Wenn das Wetter ab April wieder wärmer wird, werden auch die Infektionszahlen wieder sinken. Ob es dann noch eine dritte Welle geben wird, kann heute noch kein Mensch sagen.