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Interview mit Kölner CDU-ChefPetelkau: "Schließe politische Intrige nicht aus"

Lesezeit 9 Minuten
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Der Kölner CDU-Parteichef Bernd Petelkau: "Wir wollen das Thema Klimaschutz pragmatisch vorantreiben – ohne Verbote."

Köln – Gut eineinhalb Wochen nach dem Rückzug von CDU-Fraktionsgeschäftsführer Niklas Kienitz vom Amt des neuen Stadtentwicklungsdezernenten hat sich CDU-Partei- und Fraktionschef Bernd Petelkau im Rundschau-Redaktionsgespräch zu der Personalie, seinem Gegenkandidaten Thomas Breuer und der CDU-Politik allgemein geäußert.

Herr Petelkau, haben Sie Fehler gemacht bei der geplatzten Besetzung der Dezernentenstelle mit Ihrem Fraktionsgeschäftsführer Niklas Kienitz?Bernd Petelkau: Aus unserer Sicht ist und bleibt es eine gute Entscheidung, an der wir auch heute nichts auszusetzen haben. Das Verfahren war ordentlich, die Oberbürgermeisterin hat es aufgesetzt und alle Spielregeln der Stadt Köln sind eingehalten worden – und Niklas Kienitz hat sich klar durchgesetzt. Wir haben uns natürlich die Frage gestellt, ob er ausreichend Führungserfahrung hat, vor allem, weil dem damaligen Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Jörg Frank 2010 die Eignung als Kämmerer durch die Bezirksregierung abgesprochen worden ist. Deshalb haben wir mehrere Experten befragt, ob Niklas Kienitz die Voraussetzungen für das Amt erfüllt. Die Antwort war immer ein klares Ja.

Das Veto der Bezirksregierung kam für Sie also aus heiterem Himmel?Ja. Wobei ich betonen muss, dass ich bis heute die Einwände der Bezirksregierung nur aus den Medien kenne. Eine finale Stellungnahme hat uns nicht erreicht.

Zur Person

Bernd Petelkau, 56, ist seit 2012 Parteichef der Kölner CDU, mittlerweile ist der frühere Banker auch Berufspolitiker. Er sitzt unter anderem im Landtag und ist Fraktionschef der Kölner CDU im Stadtrat.

Darüber hinaus sitzt Petelkau im Aufsichtsrat vieler städtischer Unternehmen und hat viele Ämter in der CDU inne. (mhe)

Wenn Sie sagen, Sie haben mehrere Gutachten eingeholt, hatte die CDU im Vorfeld aber schon ein schlechtes Gefühl.Nein, aber Herr Frank war auch Fraktionsgeschäftsführer, als er Kämmerer werden wollte und die Bezirksregierung ihr Veto einlegte. Deshalb haben wir das im Vorfeld prüfen lassen. Wir werden das aber nochmal beleuchten lassen, weil wir für das neue Verfahren Klarheit brauchen, welche Führungsverantwortung ausreicht und welche nicht. Es gab zum Beispiel in der Vergangenheit auch mal eine Kulturdezernentin, die vorher Redakteurin in einem Kölner Medienhaus war. Damals wurde nicht darüber diskutiert, ob sie über ausreichend Führungserfahrung verfügen würde.

Halten Sie die Entscheidung der Bezirksregierung für eine politische Intrige?Das würde ich nicht ausschließen.

War es wirklich Zufall, dass Herr Kienitz seinen Rückzug angekündigt hat, kurz bevor das Veto der Bezirksregierung anstand.Er hat uns von zahlreichen persönlichen Anfeindungen und massiv auf ihn ausgeübtem Druck berichtet, daher können wir seinen Schritt nachvollziehen. Alles weitere müssen Sie ihn selbst fragen.

In der CDU gibt es eine Gegenbewegung, die Ex-Oberbürgermeister Fritz Schramma angestoßen hat, Thomas Breuer kandidiert gegen Sie um den Parteivorsitz, unter anderem wegen der Beteiligung von Niklas Kienitz an der Stadtwerke-Affäre 2018. Fühlen Sie sich durch den Fall Kienitz noch stärker unter Druck gesetzt?Nein, innerparteilicher Wettbewerb gehört dazu. Wir haben in den letzten zehn Jahren alles teamorientiert umgesetzt, und zwar über alle Ortsverbände und Stadtbezirke hinweg. Vor der Pandemie haben wir auch viele thematische Veranstaltungen durchgeführt, die stehen aber leider selten im Fokus der Medien

Demokratie ja, aber Herr Schramma hat Sie hart angegriffen, wie erklären Sie sich das?Es gehört für ihn offenbar dazu, während des Bundestagswahlkampfs Dinge zuzuspitzen, auch wenn ich es begrüßt hätte, wenn er das im Sinne der Partei und im Sinne unserer Bundestagskandidatinnen und -kandidaten nicht getan hätte.

Haben Sie miteinander gesprochen?Ja. Aber er bleibt bei seiner Meinung. Ungeachtet dessen beschäftigen wir uns in der Partei intensiv mit der Frage, wie wir die Zukunft der CDU verbessern können. Dazu haben wir im Parteivorstand, dem auch Herr Schramma angehört, eine eigenständige Zukunftskommission eingesetzt.

Nun sagen Kritiker, das sei ein Feigenblatt und wenn einer spricht ist es Herr Petelkau.Nein. Die Kommission ist unabhängig und kein Mitglied des geschäftsführenden Vorstands gehört ihr an. Außerdem haben wir eine breit aufgestellte Führungsmannschaft, die für viele Themen steht.

Wenn Sie dieses Team so schätzen, stellt sich die Frage, warum Sie nicht ein Amt abgeben, etwa das des Parteivorsitzenden, Sie verantworten ja auch die schlechten Wahlergebnisse bei Europa- und Kommunalwahl. Wo ist das Problem?Weil die Verbindung der beiden Ämter sehr wichtig ist.

Für Sie.Nein, es geht nicht um meine Person. Aber es gibt immer kleinere Unterschiede in der Haltung einer Partei und einer Fraktion, die uns öffentlich dann immer schnell als Streit ausgelegt werden. Um das zu verhindern, setzen wir auf eine einheitliche Kommunikation nach außen, um klar zu sagen, wofür die CDU steht.

Aber die Partei schaut auf ihr Profil und die nächste Wahl, während die Fraktion versucht, in der täglichen Arbeit trotz aller Kompromisse möglichst viel CDU-Politik durchzusetzen.Am Ende wird eine Partei aber an der Realpolitik gemessen und nicht an schönen Worten. In keiner anderen deutschen Millionenstadt regiert die CDU mit, nur hier bei uns in Köln, wo wir Teil eines modernen Bündnisses sind mit Grünen und Volt.

Trotzdem sind 21 Prozent bei einer Kommunalwahl doch nicht der Anspruch der Kölner CDU.Nein, wir wollen bald wieder wachsen. Wir müssen die jüngere Generation, weibliche Wählerinnen sowie Migrantinnen und Migranten stärker erreichen – das ist ein Bundesthema, das uns vor allem in Großstädten betrifft. Die Kölner CDU kann das am Ende nicht alleine lösen. Dass Grüne und Volt Erfolge haben, ist ein Stück weit auch dem Zeitgeist und den Themen geschuldet. Zudem hat uns die Debatte zur Bebauung der Gleueler Wiese durch den 1. FC Köln bis zu 6000 Stimmen gekostet. Trotzdem haben wir einen Ansatz von Maß und Mitte für diese Stadt und wollen bei der Bundestagswahl wieder stärkste Kraft werden.

Wann findet denn der Parteitag statt, bei der Sie wiedergewählt werden wollen? Vor der Bundestagswahl?Das würde ich nicht ausschließen. Wir brauchen zunächst die entsprechenden Räume, etwa eine Messe-Halle. Hier sind wir noch in Klärung.

Kann Herr Breuer Ihnen gefährlich werden?Das müssen die Mitglieder entscheiden. In der Geschichte der Kölner CDU gab es allerdings noch nie so eine erfolgreiche Phase wie jetzt, in der wir zehn Jahre die Stadt verantworten durften. Auch inhaltlich hat es sich für die CDU ausgezahlt: Ich setze lieber 75 Prozent CDU-Politik um als null Prozent.

Das prägende Ereignis der Vorwochen war die Flut. Muss die CDU nun ihr Programm umschreiben oder neu gewichten?Nein, wir haben in der Vergangenheit in Köln mit den bestens aufgestellten Stadtentwässerungsbetrieben gute Vorsorge getroffen, aber natürlich gibt es immer Verbesserungsmöglichkeiten. Insbesondere die kleinen Bäche müssen wir uns nun anschauen. Darüber hinaus spielt das Thema Klimaschutz für die Kölner Politik und auch für die CDU seit Jahren eine wichtige Rolle. Dass da etwas passieren muss, ist für uns selbstverständlich

Viele sagen, die Flut ist nun ein Wendepunkt, mehr Tempo zu machen, auch bei der Verkehrspolitik. Macht Köln genug, macht die CDU genug?Einerseits muss die Stadt mobil sein, anderseits muss die Belastung für Klima und Lebensqualität so gering wie möglich gehalten werden. Deshalb ist der forcierte Umstieg auf E-Mobilität ein wichtiger Baustein. Zudem haben wir seit 2015 das Radwegenetz extrem ausgebaut, vor allem in der Innenstadt. Was man dabei allerdings nicht vergessen darf: Köln ist flächenmäßig sehr groß. Ein durchtrainierter Mensch mag dort große Strecken per Fahrrad zurücklegen können und wollen, aber ob die breite Masse das macht oder machen kann, ist fraglich.

Sie haben mal gesagt, jeder muss die Möglichkeit haben, mit dem Auto in die Innenstadt zu fahren. Ist das noch so?Ja, dazu stehe ich nach wir vor. Wir wollen den Verkehr nicht über Einfahrverbote und Sperrungen regulieren, sondern über attraktive Angebote steuern – das unterscheidet uns von anderen Parteien. Da wir den Schienenverkehr leider nicht schnell genug ausbauen können, wollen wir vor allem ein leistungsfähiges Busnetz bis in die Außenbezirke schaffen.

Ist die Kölner CDU dafür da, die Positionen der Grünen abzumildern? So hört man es aus der Fraktion.Wir wollen das Thema Klimaschutz pragmatisch vorantreiben – ohne Verbote.

Hört sich danach an, dass die CDU niemanden wehtun will.Nein, das stimmt so nicht. Die Traditionalisten in unseren Reihen, die nur auf eine Form der Mobilität setzen, werden allerdings umdenken müssen.

Aber gerade bei den Verkehrsthemen befindet sich die CDU doch im Schwitzkasten zwischen Grünen und Volt, sei es bei der Ost-West-Achse, Quartiersgaragen oder der City-Maut.Wir haben eine klare Haltung: Bei der Ost-West-Achse wollen wir weiter die Tunnellösung und eine City-Maut lehnen wir definitiv ab.

Aber fehlt nicht die gemeinsame Linie im Bündnis bei der Verkehrspolitik?Es ist doch selbstverständlich bei Bündnissen, dass es unterschiedliche Positionen gibt.

In Wahlkämpfen ja, aber nicht in einem Bündnis.Nein, auch in Bündnissen gehört das dazu. Jede Partei hat ihre Schwerpunkte, aber unser gemeinsames Ziel ist es, den oberirdischen Raum so zu ordnen, dass die Lebensqualität steigt. Unser Standpunkt ist, dass wir die Innenstadt allein deshalb nicht für Autos sperren können, weil der ÖPNV nicht über genügend Kapazitäten verfügt.

Warum schafft es die CDU nicht, sich beispielsweise mit ihren Themen Sicherheit und Wirtschaft durchzudringen?Weil sich 90 Prozent der medialen Berichterstattung um die Themen Klima und Verkehr drehen.

Sie nennen das Zeitgeist. Was heißt das für die CDU? Muss sie warten, bis ihre Themen Sicherheit und Wirtschaft wiederkommen?Die Themen Sicherheit und Wirtschaft sind nie weg. Köln ist seit 2017 immer sicherer geworden, trotzdem können und werden wir hier noch mehr tun. Und die Stärke unserer Region haben wir der Stärke unserer Wirtschaft zu verdanken. Damit das so bleibt, brauchen wir Flächen, um neue Betriebe anzusiedeln. Dafür setzen wir uns ein.

Es gibt ja Investoren, die sich durchaus darum sorgen wegen der Grünen und ihrer Flächenpolitik.Da sind wir wieder beim Thema Maß und Mitte. Wir wollen einen sparsamen Flächenverbrauch, aber keine Null-Flächen-Politik. Denn Köln ist eine wachsende Stadt, in der Fläche ein knappe Ressource ist. Also müssen wir die Fläche besser ausnutzen und das geht nur über Hochhäuser.

Die alleine das Flächenproblem aber nicht lösen. In der Innenstadt sind wegen der Kirchen fast überall nur 22,50 Meter möglich. Bleibt das so?Das werden wir bei der Überarbeitung des Höhenkonzeptes sehen. Aber es gibt ja durchaus, Bereiche in der Stadt – wie das Deutzer Feld, das Messe-Quartier oder entlang der Inneren Kanalstraße –, die deutlich mehr Höhe und damit Hochhäuser vertragen können. Neue Räume schaffen wir übrigens auch dadurch, dass wir den Verkehr unterirdisch abwickeln. Deshalb auch der Wunsch nach der Tieferlegung der Nord-Süd-Fahrt und dem Ost-West-Tunnel.