Interview zur Elbphilharmonie und Kölner Bühnen„Dass es teuer wird, wissen wir alle“
- Jörn Walter hat als Oberbaumeister den Bau der Elbphilarmonie begleitet.
- Er wirft im Interview einen Blick auf Kölner Sanierungsprojekte.
- Außerdem erklärt Walter, warum eine kritische Diskussion unumgänglich ist.
Köln – Jörn Walter hat als Oberbaumeister in Hamburg den Bau der Elbphilharmonie begleitet. Sie wurde sehr viel teurer – ähnlich wie die Kölner Bühnen. Matthias Hendorf sprach mit Walter.
Herr Walter, der frühere Kölner Baudezernent Franz-Josef Höing hat mal gesagt, dass die Bühnensanierung angesichts der steigenden Kosten der Stadt im Magen liegt. Hat Hamburg den Bau der Elbphilharmonie mittlerweile verdaut?
Jörn Walter: Ja. Das Ergebnis hat auch diejenigen überzeugt, die zwischendurch angesichts der Kostensteigerung große Magenschmerzen hatten. Die Begeisterung über dieses neue Wahrzeichen ist nun auf allen Seiten groß. Ich kann den Kölnern nur wünschen, dass die Bühnensanierung am Ende zu einem Ergebnis führt, das alle überzeugt.
Die Elbphilharmonie ist ein neues Wahrzeichen Hamburgs. Diesen Effekt erreichen aber die wenigsten Kulturbauten wie etwa die Kölner Bühnen.
Da lassen sich Köln und Hamburg überhaupt nicht vergleichen. Lage, Konzept und Wirkung sind völlig unterschiedlich. In Hamburg handelt es sich um einen Neubau auf einem alten Speicher, in Köln um eine Sanierung. Köln lässt sich daher besser mit dem sanierten Dresdener Kulturpalast vergleichen, der ja nach höchst streitigen Diskussionen zu einem großen Erfolg geworden ist.
Was viele Probleme nach sich zieht.
Es gab in Köln ja auch die Diskussion, ob es sich überhaupt lohnt, das viele Geld in einen Bestandsbau zu investieren und ob es später überhaupt richtig zu sehen ist. Merkt also jemand, dass die Sanierung eine solch große Anstrengung war? Das hoffe ich doch sehr für Köln.
Gehört diese kritische Diskussion dazu? Und ist das ausschließlich negativ?
Ich finde, diese kritische Diskussion gehört dazu – vor allem, weil die Kosten immer eine große Rolle spielen. Wir reden ja in aller Regel von Bauwerken, die nicht im Alltagsgeschäft abgewickelt werden können. Sowohl Neubauten als auch Sanierungen sind große Herausforderungen für die Städte. Deshalb finde ich kritische Diskussionen notwendig und verständlich. Dazu gehören auch inhaltliche Diskussionen, etwa zur Gestaltung und Nutzbarkeit. Das ist positiv. Am Ende ist es wichtig, eine gewisse parteiübergreifende Einigkeit zu erzielen, weil es Investitionen sind, die Generationen überdauern.
Kulturbauten werden häufig teurer als geplant. Wäre es nicht ein Stück weit logisch, das vorher so ehrlich zu sagen?
Natürlich, denn es ist überhaupt nicht logisch und auch nicht wünschenswert, dass die Kosten steigen. Bei Sanierungen bleiben aber immer Unsicherheiten, weil man das Gebäude nicht so tief aufbohren kann, dass man alles erkennt, was auf einen zukommt.
Hat sich im Laufe der Zeit etwas geändert?
Generell habe ich den Eindruck, dass die negativen Erfahrungen mit Großprojekten dazu geführt haben, dass ein deutlich höherer Wunsch nach Kostenklarheit herrscht. Dass es teuer wird, wissen wir alle. Aber Erfahrungen wie in Köln und Hamburg haben dazu geführt, dass sorgfältiger geplant wird. Es geht schließlich auch darum, das Vertrauen der Bürger in Politik und Verwaltung zurückzugewinnen.
Köln ist eine Millionenstadt, braucht Wohnungen, Schulen, Kitas. Wie viele Großprojekte verträgt eine Stadt?
Dazu gibt es keine Formel. Es gibt echte Sanierungsfälle, die eine Stadt bewältigen muss, und Projekte, die eine Stadt machen kann, aber nicht muss. Es bleibt eine politische Abwägung, zu beurteilen, was geht und was nicht. In meinen Augen ist das eine der bedeutendsten und schwierigsten Aufgaben der Politik, Prioritäten zu setzen.
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Welche Gefahr sehen Sie?
Man muss aufpassen, dass man Kultur, Schule, Wohnen, Verkehr und andere Aufgaben nicht gegeneinander ausspielt – das hilft niemandem. Städte brauchen am Ende alles.
Am Dienstag im Museum für Angewandte Kunst geht es auch darum, wer Kulturbauten nutzt. Nehmen die Bürger die Häuser nicht richtig wahr oder sind sie Orte für die Eliten?
Man muss schon zugeben, dass bestimmte Einrichtungen der Hochkultur eben nicht von der gesamten Bevölkerung genutzt werden. Deshalb sollten gerade Neubauten mit öffentlich zugänglichen Räumen und Aktivitäten verbunden werden, damit es nicht nur geschlossene Kulturtempel bleiben. Angesichts der Bau- und Betriebskosten halte ich es für unbedingt notwendig, darüber nachzudenken, wie man solche Häuser möglichst für alle zugänglich macht.
An was denken Sie dabei zum Beispiel?
Das lässt sich an der Oper in Oslo oder etwa der Plaza der Elbphilharmonie betrachten. Diese Angebote erlauben es auch Menschen, diese Gebäude zu nutzen, ohne dass sie ins Konzert gehen wollen. In Hamburg ist das ein wesentlicher Baustein des Erfolges. Es ist sehr wichtig, dass man bei Neubauten diesem öffentlichen Aspekt ein deutlich höheres Gewicht gibt, also zum Beispiel durch eine frei zugängliche Terrasse oder ergänzende Nutzungsbausteine.
In Köln ist das schwierig umzusetzen.
Ja, definitiv. Bei Bestandsbauten ist das schwierig. Aber man sollte es versuchen: Je mehr Bürger man für die Häuser gewinnen kann, desto besser ist es. Sind die baulichen Möglichkeiten begrenzt, ist das auch über die Programmatik und Betrieb der Häuser möglich, darüber sollte gerade bei Bestandssanierungen nachgedacht werden.
Jörn Walter hat als Oberbaumeister in Hamburg den Bau der Elbphilharmonie begleitet. Sie wurde sehr viel teurer – ähnlich wie die Kölner Bühnen. Matthias Hendorf sprach mit Walter.
Elbphilharmonie & Kölner Bühnen
Die Hamburger Elbphilharmonie ist auf einem Kaispeicher gebaut worden, zusätzlich zum Konzertsaal gibt es eine öffentliche Plaza, ein Hotel und 45 Wohnungen. Nach Querelen eröffnete sie 2017, kostete 886 Millionen Euro, zehn Mal mehr als geplant. Danach entwickelte sich das 110-Meter-Haus zum Touristen-Magneten.
In Köln werden seit 2012 die vier Bühnen am Offenbachplatz saniert, anfangs sollte das Projekt 253 Millionen Euro kosten und 2015 eröffnen, doches entwickelte sich zum Desaster. Stand jetzt kostet die Sanierung bis zu 580 Millionen Euro, 2023 soll das Haus eröffnen. Genauer Zahlen folgen Ende Juni.
Am Dienstag, 4. Juni, findet der nächste Termin der Reihe „Große Oper – Viel Theater? Bühnenbauten im europäischen Vergleich“ statt. Ab 19 Uhr diskutieren im Museum für Angewandte Kunst, An der Rechtschule, Jette Hopp vom Architekturbüro Snøhetta (Oslo) und der frühere Hamburger Oberbaudirektor Jörn Walter unter dem Motto: „Open House! Kulturbauten, offen für alle?“ Die Rundschau ist Medienpartner, der Eintritrt frei. (mhe)
Zur Person
Jörn Walter, 62, hat Raumplanung studiert und unter anderem in Düsseldorf und Dresden gearbeitet. Von 1999 bis 2017 war er Oberbaudirektor der Hansestadt Hamburg, auf ihn folgte der frühere Kölner Baudezernent Franz-Josef Höing. Höing hat früher bei Walter in Hamburg gearbeitet. (mhe)