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Interview mit Adoptionsvermittler„Interesse an einer Adoption ist in Köln nach wie vor da“

Lesezeit 4 Minuten
Grafik zu Adoptionen in Köln

Grafik zu Adoptionen in Köln

Seit einigen Jahren bewegen sich die Adoptionszahlen auf niedrigem Niveau. Über die Gründe sprach Dierk Himstedt mit Alexander Lehmann von der Adoptionsvermittlungsstelle in Köln.

Herr Lehmann, die Adoptionszahlen in Deutschland stagnieren. Wenn man aber 30 Jahre zurückschaut, dann waren sie damals doppelt so hoch. Was sind die Gründe dafür?

Für die Kölner Situation können wir sagen, dass das Interesse an einer Adoption nach wie vor da ist. Denn nicht die Anfragen von adoptionsinteressierten Menschen sind gravierend zurückgegangen, sondern die Zahlen der für eine Adoption gemeldeten Kinder. Warum die bundesweiten Adoptionszahlen seit 1993 mit damals weit über 8500 Vermittlungen sich bis heute mehr als halbiert haben, können wir als Kölner Stadtverwaltung natürlich nicht seriös beantworten. Es gibt meines Wissens auch keine Studien dazu.

Was sind denn nach Ihren Erfahrungen in Köln die Gründe für den massiven Rückgang?

Zu den Ursachen gibt es mehrere Hypothesen, die in den Fachkreisen diskutiert werden: Der offenere Umgang mit Verhütungen und Schwangerschaftsabbrüchen in unserer Gesellschaft trägt dazu bei, dass weniger von den Eltern unerwünschte Kinder auf die Welt kommen. Zudem haben familienpolitische Entscheidungen zur Unterstützung von Familien und Alleinerziehenden es in den letzten Jahren für die leiblichen Eltern leichter gemacht, ihre Kinder zu behalten.

Und auf der Seite der Anfragenden?

Die Zahlen der Antragsteller für eine Adoption sind in Köln hingegen relativ konstant. Eine Rolle spielt jedoch auf dieser Seite auch, dass Kinderwünsche durch die fortgeschrittenen medizinischen Möglichkeiten mittlerweile leichter anderweitig erfüllt werden können. (Anmerkung der Redaktion: beispielsweise durch hormonelle Stimulationen, Spermieninjektionen, Befruchtung von Ei- und Samenzelle außerhalb der Gebärmutter oder Schwangerschaften mit höherem Alter)

Wie alt sind die meisten adoptierten Kinder?

In Köln werden in den meisten Fremdadoptionsfällen Kinder unter sechs Monaten zur Adoption vermittelt - das ist bei den Stiefeltern-Adoptionen anders.

Warum geben Eltern überhaupt ihre Kinder ab?

Die Gründe sind vielfältig: In den häufigsten Fällen spielen prekäre Lebensverhältnisse der Eltern die Hauptrolle – zum Beispiel bei Kindern von Eltern aus dem Drogen- oder Prostitutionsmilieu. Hinzu kommen Kinder, die bei Vergewaltigungen gezeugt wurden. Aber auch religiöse, kulturelle oder gesellschaftliche Gründe spielen eine Rolle, wenn beispielsweise die Eltern ihr Kind verheimlichen müssen. Zuletzt sind dann auch die Kinder zu nennen, die aus anderen, individuellen Gründen von den Eltern nicht gewünscht sind.

Wie läuft eine Adoption ab?

Bevor es zur Adoption kommt, finden ergebnisoffene Beratungen mit den Beteiligten statt. Dabei geht es um die rechtlichen Wirkungen – denn die leiblichen Eltern sind nach der Adoption von allen gesetzlichen Erziehungsverpflichtungen entbunden, da diese auf die neuen Eltern übergehen. Wir beraten die leiblichen Eltern aber auch zu Alternativen wie Pflegefamilien oder informieren zu sozialen Hilfeleistungen, die es für Eltern in Notlagen gibt.

Wie geht es dann weiter?

Das Verfahren für adoptionsinteressierte Paare ist umfangreich und geht in der Regel über mehrere Monate. Unsere Fachleute müssen die Eignung der Antragsteller feststellen. Die zukünftigen Eltern dürfen nicht unter 21 Jahren sein. Dazu sind verschiedene Formulare erforderlich, die unter anderem die persönlichen Daten der Adoptiveltern abfragen. Ein Kinderprofil nach den Wünschen und Vorstellungen der Adoptiveltern wird ermittelt und die zukünftigen Eltern werden um eine Antwort gebeten, was sie sich zutrauen bei der Wahl des Kindes, ob beispielsweise auch ein Kind mit einer Behinderung, Zwillinge oder ein misshandeltes Kind in Frage komme. Zudem wird ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis sowie Gesundheitszeugnis verlangt, da unter anderem keine akut lebensbedrohliche Erkrankung vorliegen darf.

Früher gab es eine Altersgrenze für Adoptiveltern. Ist das immer noch so?

Eine Altersgrenze nach oben gibt es gesetzlich nicht, allerdings sollte altersgemäß eine Eltern-Kind-Beziehung im Sinne der Adoptionsgesetze möglich und wahrscheinlich sein – sprich der Altersunterschied zum Beispiel nicht zwei Generationen betragen.

Sind Adoptionen auch bei gleichgeschlechtlichen Paaren ohne Einschränkung möglich?

Da seit Oktober 2017 gleichgeschlechtliche Ehen in Deutschland möglich sind, werden seitdem auch Kinder zur Adoption an diese Paare vermittelt. Wie bei heterosexuellen Paaren ist bei einer Fremdadoption auch hier eine standesamtliche Ehe Voraussetzung.

Welche Unterschiede gibt es bei einer Stiefkind-Adoption?

Beim Thema Stiefkind-Adoption ist das Verfahren in der Regel kürzer und leichter durchzuführen, auch weil nur eine Person adoptiert und ein leibliches Elternteil zustimmen muss. Da hier häufiger auch ältere Kinder betroffen sind, wird in diesen Fällen auch der Kinderwille beachtet. Wir führen dann bereits mit vier- bis fünfjährigen Kindern Gespräche, die sich mit ihrer Situation beschäftigen. Bevor es jedoch zur Adoptionsvermittlung kommt, muss auch hier eine Beratung mit allen Beteiligten erfolgen. Der danach ausgestellte Beratungsschein ist eine gesetzlich festgeschriebene Voraussetzung.

Vermitteln Sie auch den Kontakt der adoptierten Kinder zu ihren leiblichen Eltern?

Wenn alle Beteiligten das wollen, ist das möglich. Wichtig dabei ist, dass dieser Kontakt immer zuerst über die Adoptionsvermittlung geht, damit wir den Prozess begleiten können. Im Gespräch versuchen wir mit den Beteiligten eine einvernehmliche Lösung zu finden. Nicht gewünscht ist, dass die leiblichen Eltern selbstständig versuchen, den Kontakt zum Kind aufzunehmen.