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AdoptionshilfeWie Kölner Familien die Adoption ihres Kindes erlebt haben

Lesezeit 4 Minuten
Adoption

Symbolbild

  1. Ein neues Adoptionshilfegesetz sollte eigentlich zum 1. Juli in Kraft treten.
  2. Nach der Ablehnung des Entwurfs im Bundesrat ist die weitere Entwicklung nun ungewiss.
  3. Wie leben die Betroffenen mit der bisherigen Gesetzeslage?
  4. Einige Kölner Familien mit Adoptionserfahrung haben Johanna Tüntsch aus ihrem Alltag erzählt.

Als das Ehepaar Marx (alle Namen geändert) seine Tochter aufnahm, war das Mädchen gerade fünf Monate alt. Davon, dass es im Laufe der Entwicklung des Kindes Schwierigkeiten geben könnte, hatte Monika Marx zwar gelesen. Aber, sagt sie: „Angesichts des jungen Alters haben wir damit nicht gerechnet.“ Neun Jahre später ist ihre Überzeugung: „Es gibt immer eine Frühtraumatisierung.“ Die zeigte sich im Fall ihrer Tochter in heftigen Wutanfällen und psychosomatischen Beschwerden.

Langfristige Beratung ist wichtig

Genau in solchen Situationen, findet die Adoptivmutter, boten die Behörden bislang nicht ausreichend Unterstützung. So habe man ihr in der Adoptionsstelle zum Beispiel keine psychotherapeutische Praxis nennen können, die auf Adoptiv- und Pflegekinder spezialisiert gewesen wäre. Genau das ist einer der Punkte, die sich mit einer Gesetzesänderung verbessern könnten: Es sieht für Adoptionsvermittlungsstellen einen klaren Aufgabenkatalog und eine gute Vernetzung mit relevanten Beratungsstellen vor.

Offenheit: nicht leicht, aber heilsam

Ein wesentlicher Aspekt ist auch, dass Adoptiveltern ermutigt werden sollen, mit ihrem Kind offen über die Adoption zu sprechen. „In einigen Fällen erfahren Adoptierte erst sehr spät, dass sie adoptiert wurden. Dies ist häufig ein Einschnitt in das Leben“, heißt es in einer Stellungnahme des Jugendamtes. Abgebende Eltern sollen leichter die Chance bekommen, Informationen über ihr leibliches Kind zu erhalten.

Bei Familie Marx war das ohnehin der Fall, da das Mädchen anfangs zur Pflege in der Familie lebte. Gelegentlich gab es Begegnungen, die immer herausfordernd waren. „Zuletzt hatten wir im vergangenen Jahr mit der Mutter Kontakt. Unsere Tochter hat sich unheimlich darauf gefreut. Für die Mutter war es aber sehr traurig, und auch unsere Tochter war hinterher einige Monate lang regelrecht apathisch und depressiv“, schildert die Adoptivmutter.

Auch Cara (49) wusste von Kindheit an, dass sie adoptiert ist. Ihre Eltern wollten jedoch nicht viel darüber sprechen. „Es ist schwer genug, erwachsen zu werden und sich selbst zu finden. Aber vor diesem Hintergrund war es noch komplizierter. Ich hatte so wenig Selbstvertrauen – ich wusste einfach nicht, wer ich war.“ Sobald sie volljährig war, machte sich Cara auf die Suche. Ihre leibliche Mutter war da bereits verstorben, doch sie machte deren frühere Freundin und zahlreiche andere Verwandte ausfindig, denen sie bis heute nahe steht. „Es wäre schwer für mich gewesen, meine Wurzeln nicht zu kennen“, sagt sie.

Begleitete Auslandsadoption

Um Kinderhandel zu verhindern, sollen Auslandsadoptionen künftig nur noch über zugelassene Auslandsvermittlungen erlaubt sein. Diesen Weg gingen auch Klaus und Petra Schneider, deren Kinder schon sechs Jahre alt waren, als sie nach Deutschland kamen.

Jeder Adoption gingen mehrtägige Besuche im Kinderheim und ein gemeinsamer Ausflug voraus. Dabei erlebte sie eine erste echte Mutterfreude, erzählt Petra: „Eine andere Frau sprach meinen Sohn in seiner Sprache an, aber er klammerte sich an mich und tat, als würde er sie nicht verstehen.“ Paolo erinnert sich: „Ich weiß noch, dass ich traurig war und nicht verstanden habe, warum ihr wieder weggefahren seid.“ Bis die Schneiders den Jungen nach dem Gesetz seines Heimatlandes adoptieren und mitnehmen konnten, verging nämlich über ein Jahr. In Deutschland musste die Adoption zunächst anerkannt, dann in eine Adoption nach deutschem Recht umgewandelt werden.

Das Glück der Familie hat der administrative Aufwand nicht beeinträchtigt. „Es war kalt hier – aber schön“, erinnert sich Paolo, heute ein junger Mann. Seine Eltern beschreiben die mitreißende Freude, die er darüber empfunden habe, dass sich jemand um ihn kümmerte: „Auf einmal war Musik im Haus.“

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Als etwas später Tochter Rosa kam, fühlte sich das für alle vier von Anfang an gut an. An ihre frühere Heimat haben Rosa und Paolo fast keine Erinnerung mehr, derzeit aber auch kein Interesse an den „Wurzelreisen“, die die Adoptionsvermittlung anbietet.

Kritikpunkt: Die Regeln für Stiefeltern

Erschwert wird mit dem derzeit diskutierten Gesetzesentwurf die Adoption von Stiefkindern durch eine verpflichtende Beratung. Das sorgt für Ärger bei Regenbogenfamilien, also solchen mit gleichgeschlechtlichen Eltern. „Ein ehelich geborenes Kind sollte beide Partner als Eltern haben. Das ist das einzige, was angemessen wäre“, sagt Julia Fischer, die mit ihrer Frau seit 2017 verheiratet ist: „Bei heterosexuellen Ehepaaren fragt man ja auch nicht, ob der Ehemann wirklich der Vater ist.“ Das Adoptionsverfahren, das sich in ihrem Fall schon über anderthalb Jahre erstreckt, empfindet sie nicht nur diskriminierend, sondern auch beunruhigend: „Wohin kommt unsere Tochter, wenn meiner Frau etwas passiert?“