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Glukose-Fall aus KölnApothekerin bestreitet Vorwürfe bei Prozessbeginn

Lesezeit 3 Minuten
Gerichtsakten bei einem Prozess (Symbolbild).

Gerichtsakten bei einem Prozess (Symbolbild).

Eine werdende Mutter und ihr Fötus starben an einem Glukose-Gemisch. Die Staatsanwaltschaft wirft der 52-jährigen Apothekerin versuchten Mord durch Unterlassen und fahrlässige Tötung vor.

Fotos und Filmaufnahme waren im Kasten, Publikum und Prozessbeteiligte befanden sich auf ihren Plätzen. Die 11. Große Strafkammer des Landgerichts ließ dennoch auf sich warten. Währenddessen saß auf der linken Seite des Saals die Angeklagte (52) zwischen ihren Verteidigern. Ihr gegenüber, nur wenige Meter entfernt, saß ein stämmiger Mann mit Vollbart und Brille. Die Arme vor der Brust verschränkt starrte der Mann die Frau unablässig an.Die zierliche Angeklagte – streng zurückgebundenes blondes Haar, dunkler Blazer und mit sommerlich-buntem Halstuch – konnte den Blicken des Nebenklägers nicht entgehen. Sie schloss die Augen.

Minuten, die sich wie eine Ewigkeit anfühlten, saßen sich der Nebenkläger, der vor vier Jahren seine Lebensgefährtin und das mit Notkaiserschnitt zur Welt gebrachte gemeinsame Baby verloren hatte, und die Apothekerin, die laut Anklage den Tod der beiden zu verantworten haben soll, so gegenüber. Der Fall aus dem September 2019 hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt. Bei einem Routinetest auf Schwangerschaftsdiabetes – in Arztpraxen gehört das zum täglichen Geschäft –, nahm die werdende Mutter eine Glukose-Lösung ein. Minuten später zeigte die 28-Jährige erste Vergiftungserscheinungen und kollabierte schließlich. „Mit Schaumaustritt aus dem Mund“, wie es in der Anklageschrift hieß, lag sie auf dem Boden der Arztpraxis. Stundenlang kämpften Ärzte um das Leben der Frau und ihres ungeborenen Babys. Vergeblich – sowohl die 28-Jährige als auch ihr per Not-Kaiserschnitt zur Welt geholtes Kind, verstarben am 19. September 2019.

Der Fall ist tragisch. Aber sie ist nicht für den Tod von Mutter und Kind verantwortlich.
Verteidiger

Die anschließenden Ermittlungen der Kriminalpolizei ergaben: Die Glukose war mit dem Betäubungsmittel Lidocainhydrochlorid verunreinigt. Nun startete der lange erwartete Prozess gegen eine Pharmazeutin aus der Heilig Geist Apotheke in Longerich vor dem Landgericht. Laut Anklage soll sie bei der Zubereitung der Glukose die beiden „optisch und geruchlich nicht zu unterscheidenden Substanzen“, wie der Staatsanwalt vortrug, verwechselt und vermischt haben.

Obwohl ihr dies ab einem bestimmten Zeitpunkt klar gewesen sei – bei einer Geschmacksprobe soll ihr der bittere Geschmack des Lidocains aufgefallen sein — habe sie das Krankenhaus dennoch nicht darüber informiert, so dass die Vergiftung nicht adäquat habe behandelt werden können. Die 52-Jährige soll laut Anklage Angst gehabt haben, ihre Approbation zu verlieren und dem Ruf der Apotheke zu schaden. Versuchten Mord durch Unterlassen und fahrlässige Tötung, nennt das die Staatsanwaltschaft. Nach Angaben eines Gerichtssprechers lautet die Anklage auf „versuchten Mord“, da nicht sicher sei, ob die beiden Opfer tatsächlich noch hätten gerettet werden können. Die Verteidiger der 52-Jährigen wiesen die Vorwürfe in ihrem Eröffnungsstatement zurück.

Die Mandantin und ihr Ehemann, der Inhaber der Apotheke, „bedauern den Tod der Geschädigten und des Kindes zutiefst“, sagte Verteidiger Prof. Gerson Trüg aus Freiburg. Weiter hieß es, die Angeklagte sei von den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft tief getroffen, sie seien „unplausibel“ und „abwegig“. Trüg weiter: „Der Fall ist tragisch. Aber sie ist nicht für den Tod von Mutter und Kind verantwortlich.“ Bereits vor der Vergiftung der 28-Jährigen hatte eine andere werdende Mutter ebenfalls eine Glukose-Lösung aus der Apotheke eingenommen. Die Frau hatte von einer früheren Schwangerschaft gewusst, dass die Glukose-Lösung eigentlich „unangenehm süß“ schmecke, trank nur einen Schluck und nahm das Präparat nicht weiter ein. Auch sie zeigte Vergiftungserscheinungen, erholte sich aber rasch. Für den Prozess sind weitere 20 Verhandlungstage bis terminiert.