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Geteilte MeinungWas Türken in Köln von der Wahl in ihrem Heimatland erwarten

Lesezeit 3 Minuten
Hürth: Stimmzettel liegen im Türkischen Generalkonsulat bei der Parlaments- und Präsidentenwahl in der versiegelten Wahlurne. Türken im Ausland konnten bis zum 9. Mai für die Parlaments- und Präsidentenwahl in der Türkei abstimmen.

Hürth: Stimmzettel liegen im Türkischen Generalkonsulat bei der Parlaments- und Präsidentenwahl in der versiegelten Wahlurne. Türken im Ausland konnten bis zum 9. Mai für die Parlaments- und Präsidentenwahl in der Türkei abstimmen.

Am Sonntag wird in der Türkei gewählt. Wir haben uns unter in Köln lebenden Türken umgehört und geben eine Bestandsaufnahme.

Auf keinen Fall. Seinen Namen möchte der sportliche Mann (51) mit türkischem Pass nicht in der Zeitung lesen. Oft schon habe er selbst in seiner Nippeser Nachbarschaft Denunziantentum erlebt, wenn es um politische Ansichten ging. Und sein Cousin, der seit einem Jahr in Grevenbroich lebt, wird wohl nie mehr türkischen Boden betreten können. Er habe sich vor einigen Jahren schwimmend auf eine griechische Insel gerettet, weil er in Abwesenheit von einem türkischen Gericht wegen Terrorverdachts zu einer Haftstrafe von sechseinhalb Jahren verurteilt worden war. „Deshalb keine Namen“, bittet er.

Yavuz Tandogan (42) hat kein Problem mit seiner Identität. „Herr Erdogan ist kein Diktator“, stellt er fest und beginnt sofort zu argumentieren. Die breiteste Brücke. Das erste türkische Elektroauto. Das erste türkische Atomkraftwerk. Flughäfen. „Wer hat’s gebaut?“, fragt er mit herausforderndem Tonfall und gibt selbst die Antwort: „Erdogan.“ Gewählt hat er schon, aus seiner Entscheidung macht er kein Geheimnis. „Ich hoffe, dass Erdogan gewinnt“, sagt er und fügt hinzu: „Es ist eine demokratische Wahl“.

Soll ich etwa Kemal Kilicdaroglu wählen? Er hat noch nie eine Wahl gewonnen.
Yavuz Tandogan, wahlberechtigter Türke

Kommenden Sonntag werden in der Türkei Präsident und Parlament gewählt, in Deutschland dürfen 1,5 Millionen Türken bereits seit dem 27. April ihre Stimme abgeben, davon 500 000 allein in Nordrhein-Westfalen. Recep Tayyip Erdogan will mit seiner AKP auch nach 21 Jahren die Macht verteidigen. Wahlplakate hängen in Köln nicht, auch türkische Politiker treten – anders als vor fünf Jahren – nicht in der Stadt auf.

Zensur in der Türkei ist ein Problem

Eine klare Wahlentscheidung hat auch der 51-jährige Herr getroffen, der im Kindergartenalter mit seinen Eltern nach Köln kam und heute in Ossendorf lebt. Er wird seine Stimme nicht abgeben. „Meine Partei sitzt dieses Mal im Schoß der AKP. Und ich werde keine Partei wählen, hinter der ich nicht stehe“, sagt er. Ob er sich über das politische Geschehen in der Türkei informiere? „Ja, aber nur über deutsche Medien. In der Türkei wird viel zensiert. Andere Meinungen werden nicht akzeptiert“, bedauert er.

Herausforderer des Präsidenten ist Kemal Kilicdaroglu (74), dem der Nimbus anhaftet, noch nie eine Wahl gewonnen zu haben. „Soll ich den etwa wählen“, fragt Yavuz Tandogan, gelernter Elektroinstallateur. Noch so eine rhetorische Frage. Auch sein 51-jähriger Landsmann hält den Oppositionsführer für recht schwach. „Das ist bezeichnend für den Zustand der Türkei. Viele namhafte Oppositionspolitiker sind verhaftet und aus dem Weg geräumt worden“, kritisiert er. Viele Urlaube hat er schon in der Türkei verbracht, als Rentner will er eventuell dorthin zurückkehren. „Ich liebe dieses Land“, sagt er. Trotz schwieriger Zeiten.

In einigen deutschen Städten hingen Wahlplakate mit dem Konterfei Erdogans an Laternen und Masten, in Köln war das nicht der Fall. Öffentliche Wahlkampfauftritte von Politikerinnen oder Politikern aus der Türkei gab es ebenfalls nicht – anders als vor fünf Jahren. In Ostheim hatte die Frauenorganisation der AKP vor einigen Wochen zum Wahlkampf eingeladen – Medien hatten keinen Zutritt.

Wahlforschungsteams halten dieses Mal ein enges Rennen um die Macht für wahrscheinlich. „Selbst wenn Erdogan abgelöst werden sollte, rechne ich nicht mit einem großen Wandel. Die finanziellen Mittel der Türkei sind beschränkt“, befürchtet der 51-jährige Fahrzeugbauer aus Ossendorf.

Und Yavus Tandogan kann sich ohnehin niemand anderen als Recep Tayyip Erdogan im Präsidentenpalast vorstellen.


Infos zur Wahl

65,9 Prozent der in Köln lebenden Menschen mit türkischen Pass hatten beid er Präsidentschaftswahl 2018 für die AKP von Recep Tayyip Erdogan gestimmt. Insgesamt hatte seine Partei 52, 6 Prozent der Stimmen erzielt. Die Wahlbeteiligung lag in Köln bei 56,3 Prozent. Da dieses Mal mit einem knappen Wahlausgang gerechnet wird, dürfte auch die Beteiligung höher sein. Das Ergebnis wird am Montag erwartet. (tho)