Im Rundschau-Interview berichten die Geschäftsführer der Kliniken der Stadt Köln, Daniel Dellmann (58) und Prof. Dr. Axel Goßmann (58), über den neuen Gesundheitscampus in Merheim.
Gesundheitscampus Köln-Merheim„Medizinische Versorgung wird erheblich verbessert“

Im Bettenhaus der Klinik Merheim läuft die Kernsanierung. 2026 sollen erste Abteilungen aus dem Krankenhaus Holweide nach Merheim umziehen.
Copyright: Thomas Banneyer
Herr Dellmann, Sie sind seit einem halben Jahr im Amt. Sie kommen aus der privaten Klinikwirtschaft. Warum wollten Sie zu den defizitären städtischen Kliniken Köln?
Daniel Dellmann: Zwei Punkte haben den Ausschlag gegeben. Erstens das Projekt Gesundheitscampus Merheim. So etwas macht man als Klinikgeschäftsführer nicht alle Tage: Große Teile eines Krankenhauses neu zu planen und dabei zu sein, wenn sie in die Realisierung gehen. Ein Traum in meinem Beruf. Zweitens bin ich bei Helios, glaube ich, sehr gut ausgebildet worden. Die Schweriner Kliniken, wo ich zuvor war, sind ähnlich groß wie die Kliniken der Stadt Köln. Ich fühlte mich daher gut vorbereitet, diesen Schritt zu gehen. Und die ersten sechs Monate im Team mit Professor Goßmann haben gezeigt, dass es sehr gut funktioniert.
Haben Sie direkt etwas geändert?
Dellmann: Ich bin nicht der Typ, der irgendwo reinkommt und dann gleich sagt, wir machen jetzt ab morgen alles anders. Man muss sich die Prozesse schon sehr genau anschauen. Was die medizinischen Kernprozesse angeht, kann ich Ihnen versichern, habe ich bis jetzt nicht viel Verbesserungspotenzial gesehen. Es sind wirklich richtig gute Krankenhäuser.
Ende 2024 hat die Stadt Köln den Kliniken 533 Millionen Euro Schulden erlassen, und das Land NRW hat ihnen 250 Millionen Euro Förderung zugesagt. Haben Sie vor Freude geweint?
Axel Goßmann: (lacht) Solche Dinge entstehen ja nicht plötzlich. Das ist ein Prozess von jahrelanger Vorarbeit. Die Entschuldung durch die Stadt war eine politische Entscheidung, für die wir extrem dankbar sind. Und dass wir vom Land NRW Fördermittel in dieser Höhe bekommen haben, ist außergewöhnlich. Darüber haben wir uns extrem gefreut. Das ist ein ganz tolles Signal für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass wir den Weg, den wir in den letzten Jahren gegangen sind, konsequent weiter fortsetzen können.
Wie ist die aktuelle Finanzlage der Kliniken Köln? Wie viel Defizit erwarten Sie für 2024?
Dellmann: Wir machen bei der finanziellen Sanierung große Fortschritte. Ich kann Ihnen die Zahlen für 2024 noch nicht genau sagen, weil der Jahresabschluss noch bei den Wirtschaftsprüfern liegt. Aber wir gehen im Moment davon aus, dass wir erheblich besser sein werden als der Plan. Der gesamte Finanzbedarf, den die Stadt für 2024 vorgesehen hat, lag mit Investitionen bei 114 Millionen Euro. Wir werden aber definitiv zweistellig bleiben. Wenn Sie nur auf das Betriebsergebnis schauen, liegen wir aktuell im Bereich von ungefähr 70 Millionen Euro Defizit. Das heißt, wir haben noch einen weiten Weg vor uns.
Wie sieht es im laufenden Jahr aus?
Dellmann: Die Politik hat uns die Vorgabe gemacht, uns dieses Jahr im Vergleich zu 2024 noch mal um 15 Millionen Euro zu verbessern. Nach jetzigem Stand liegen wir da sehr gut im Plan. Die ersten beiden Monate waren von den Patientenzahlen her sehr vielversprechend. Wir rechnen damit, dass wir 2025 mindestens das Planergebnis erreichen.
Ist der Bau der neuen Radiologie in Merheim im Zeit- und Kostenplan geblieben?
Goßmann: Wir sind umgestiegen von einer Steinbauweise, die wir zuerst geplant hatten, auf eine Modulbauweise. Ich war restlos zufrieden mit dem baulichen Ablauf. Es hat 13 Monate gedauert, wir waren sogar einen Tick schneller als der Zeitplan. Im Vorfeld gab es Kostensteigerungen, aber nachdem die Planung fertig war, sind wir genau im Plan geblieben.
Mit dem 590-Millionen-Euro-Projekt Gesundheitscampus Merheim konzentrieren die Kliniken ihre drei Standorte Merheim, Holweide und Riehl in Merheim und stellen sie neu auf. Wie ist der aktuelle Sachstand?
Goßmann: Wir haben die grundlegende Planung für den neuen Campus abgeschlossen und arbeiten sie derzeit weiter aus, zur Vorbereitung der Bauanträge. Im Bettenhaus in Merheim, Haus 20 A, haben wir bereits mit der Kernsanierung des linken Gebäudeflügels begonnen. Das läuft bisher alles im Zeit- und Kostenplan. Stand jetzt, werden wir in der ersten Jahreshälfte 2026 die ersten, wirklich sehr schön renovierten Stationen beziehen können.
Hat das Sanieren im Bestand große Auswirkungen auf den laufenden Krankenhausbetrieb?
Goßmann: Für die Patienten ist es kaum spürbar, für die Mitarbeiter schon. Wir müssen während der Sanierung verdichten und Stationen zusammenlegen, was immer wieder die Teambildung auseinander reißt. Das ist für unsere Beschäftigten momentan eine hohe Belastung. Aber sie sehen die Perspektive, dass wir im nächsten Jahr eine toll sanierte Hälfte des Bettenhauses fertig haben.
Wann werden die ersten Abteilungen aus Holweide nach Merheim umziehen?
Goßmann: Wir rechnen damit, dass wir 2026 mit dem Umzug beginnen können. Welche Abteilungen als Erstes umziehen, ist noch Gegenstand der Diskussion.
Was entgegnen Sie Menschen, die nicht wollen, dass die Klinik Holweide und das Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße aufgegeben werden?
Goßmann: Ich kann jeden Menschen, der vor Ort in seinem Veedel das liebgewonnene, hochkompetente Krankenhaus nicht verlieren will, sehr gut verstehen. Das zentrale Argument für den neuen Gesundheitscampus lautet, dass wir damit die medizinische Versorgung erheblich verbessern. Wir werden in Neubauten statt Altbauten arbeiten und können unsere medizinischen Leistungsangebote baulich und organisatorisch völlig neu miteinander vernetzen. Das ist gut für die Patienten und macht uns fit für die Zukunft.
Inwiefern?
Goßmann: Es ist komplett unrealistisch zu glauben, dass die bundesweite Krankenhauslandschaft, wie wir sie jetzt kennen, künftig Bestand haben wird. Sie wird sich sehr stark verändern, so dass es zwangsläufig zu Umstrukturierungen und Konzentrationen kommen wird. Die Kliniken der Stadt Köln haben diese Entwicklung sehr frühzeitig begleitet und bauen jetzt ihre Position als Maximalversorger für Köln und die Region aus. Wir werden in Merheim einen Neubau für die Notaufnahme errichten, mit Infektionsarealen, so dass wir künftig besser für pandemische Lagen aufgestellt sind. Wir bilden auch ein Krisenzentrum für Notlagen.
Wann soll der neue Campus fertig sein? Bleibt es bei 2031?
Goßmann: Das bleibt weiterhin unser Ziel. Wir arbeiten hoch engagiert an einer schnellstmöglichen Umsetzung unserer Pläne. Aber der bürokratische Aufwand ist enorm, das kann ich Ihnen sagen.
Was halten Sie vom Vorschlag von Gesundheitsminister Karl Lauterbach, das Krankenhaus Holweide zu erhalten, indem man es zu einer Dependance der Klinik Leverkusen macht?
Goßmann: Bei dem Vorschlag geht es um ein so genanntes Level-1i-Krankenhaus, an das Maximalversorger minderschwere Fälle abgeben können. Das ist ein spannendes Konzept, aber die Verteilung der Mittel läuft über das Land. Und Landesgesundheitsminister Kalr-Josef Laumann hat sehr klar gesagt, dass er für Köln keinen zusätzlichen Krankenhausbedarf sieht.
Dellmann: Die Bürger in Holweide, die ihrem Krankenhaus sozusagen jetzt schon hinterhertrauern, wünschen sich ja vor allen Dingen, dass wir dort irgendwie das Thema Notfallversorgung mit abbilden. Aber genau das tut ein Level-1i-Krankenhaus nicht. Die haben keine Notaufnahme. Also wäre dieser Vorschlag aus der Sicht der Bevölkerung wahrscheinlich nicht das, was man sich wünscht.
Im Juli 2024 wurde im Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße der neue F-Trakt mit modernen Eltern-Kind-Zimmern eingeweiht, wo Säuglinge stationär versorgt werden. Wie wird das Angebot angenommen?
Dellmann: Es läuft super. Ich denke, wir haben eine hohe Zufriedenheit bei den Kindern und deren Angehörigen. Und auch bei unseren Mitarbeitern.
Goßmann: Der Bau ist von der Dieter-Morszeck-Stiftung mit erheblichen Fördermitteln unterstützt worden. Dadurch konnten wir am Reißbrett eine optimale, hochqualitative Neubaulösung planen und errichten. Dafür sind wir sehr, sehr dankbar.
Aber in einigen Jahren soll die Kinderklinik nach Merheim umziehen. Was wird dann aus dem Neubau? Gibt es eine Perspektive für die Kindermedizin am traditionsreichen Standort in Riehl?
Goßmann: Mit dem Ratsbeschluss von 2023 ist ja nur die Verlagerung auf den Gesundheitscampus Merheim beschlossen worden. Die Nachnutzungskonzepte sowohl für Holweide wie auch für die Amsterdamer Straße sind noch nicht festgelegt. Und der politische Wille ist, nach meiner Einschätzung, ganz klar, dass an beiden Standorten medizinische Angebote gewünscht sind. Das gilt es in der Zukunft zu erarbeiten.
In der Vergangenheit hatten die Kliniken Köln große Personalsorgen im Pflegebereich. Wie ist die Lage jetzt?
Dellmann: Deutlich verbessert, aber immer noch angespannt, um es kurz zu sagen. Zusätzlich zur Stammbelegschaft beschäftigen wir weiterhin Leihpersonal, aber rund 80 Prozent weniger als noch vor wenigen Jahren. Pflege ist immer noch ein Nadelöhr. Das ist aber primär dem Fachkräftemangel geschuldet. Wir konnten unser Pflegepersonal bereits deutlich aufstocken, und die guten Nachrichten zur Zukunft der Kliniken in letzter Zeit helfen uns dabei.
Im öffentlichen Dienst wird gerade wieder gestreikt. Wie wirkt sich das auf die Kliniken aus?
Dellmann: Mit ein, zwei Tagen Warnstreiks kommen wir gut zurecht. Die Sicherheit der Patienten wird dann über Notdienstvereinbarungen gewährleistet. Aber wir können geplante Operationen nicht durchführen und verlieren Einnahmen. Man darf auch nicht vergessen: Auch hier sind Patienten betroffen, die krank sind und auf eine OP warten. Was Tarifsteigerungen betrifft: Gemäß dem letzten Gesetz von Herrn Lauterbach sollen wir diese ab 2025 in voller Höhe erstattet bekommen. Wir sind da aber ein bisschen kritisch, weil das in der Vergangenheit nie so richtig gut geklappt hat.
Wie wirkt sich die Klinikreform von NRW-Gesundheitsminister Laumann auf die städtischen Kliniken Köln aus?
Dellmann: Wir sind Gewinner dieser Reform. Wir haben nahezu alle Leistungsgruppen zugewiesen bekommen, die wir beantragt haben, und mussten nur in minimalem Umfang Leistungen abgeben. Daraus leitet sich aber auch eine Verantwortung ab. Wir müssen die Versorgung in diesen Bereichen jetzt und in Zukunft sicherstellen.
Goßmann: Von rund 65.000 stationären Leistungen, die wir jährlich erbringen, hat man uns nur wenige Fälle nicht zugebilligt. In allen Leistungsgruppen hat man uns höhere Fallzahlen zugesprochen, als wir 2023 erbracht haben. Das heißt, wir dürfen uns sogar noch steigern.