Urteil des Arbeitsgerichts KölnNach „Remigrations“-Treffen – Kündigung von Simone Baum ist unwirksam

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Simone Baum sitzt neben ihrem Anwalt Rainer Thesen im Arbeitsgericht Köln (Archivbild vom 29. Mai 2024).

Simone Baum sitzt neben ihrem Anwalt Rainer Thesen im Arbeitsgericht Köln (Archivbild vom 29. Mai 2024).

Die fristlose Kündigung einer Mitarbeiterin der Stadt Köln wegen ihrer Teilnahme an einem Treffen in Potsdam zur „Remigration“ ist unwirksam.

Die frühere stellvertretende Bundesvorsitzende der Werteunion, Simone Baum, ist von der Stadt Köln ohne rechtliche Grundlage entlassen worden. Das hat das Arbeitsgericht Köln am Mittwoch festgestellt. Es entschied, dass die im Zusammenhang mit ihrer Teilnahme an dem sogenannten „Potsdamer Treffen“ von der Stadt Köln ausgesprochenen Kündigungen unwirksam sind (Aktenzeichen 17 Ca 543/24).

Baum hatte Ende Januar von der Stadt Köln mehrere außerordentliche Kündigungen erhalten. Vor Gericht hatte sie Ende Mai die Vorwürfe der Stadt zurückgewiesen. Der Anwalt der Stadt Köln hatte beim ersten Gütetermin vor Gericht im Februar eine gütliche Einigung in dem Fall ausgeschlossen. Das Arbeitsgericht führte nun zu dem Fall aus: „Die 64-jährige Klägerin ist seit dem Jahr 2000 bei der Stadt Köln beschäftigt und war zuletzt als zentrale Ansprechpartnerin für das Beschwerdemanagement im Umwelt- und Verbraucherschutzamt tätig. Sie nahm am 25. November 2023 an einem Treffen in der Villa Adlon in Potsdam teil, über welches bundesweit berichtet wurde. Dies nahm die Stadt Köln zum Anlass, der Klägerin, die tariflich ordentlich nicht kündbar ist, mehrere außerordentliche Kündigungen auszusprechen.“

Gericht: Allein die Teilnahme an dem Treffen rechtfertige keine Kündigung

Die Stadt habe die Kündigungen damit begründet, „dass die Klägerin durch die Teilnahme an dem Treffen mit mutmaßlich rechtsextremen Teilnehmern und dort diskutierten Remigrationsplänen gegen ihre Loyalitätspflicht gegenüber ihrem Arbeitgeber verstoßen habe“. Das Arbeitsgericht habe jedoch entschieden, „dass allein die Teilnahme an dem Treffen im konkreten Fall keine außerordentliche Kündigung rechtfertige. Ein wichtiger Grund sei nicht gegeben.“

Laut Arbeitsgericht unterliegt die Klägerin aufgrund ihrer konkreten Tätigkeit nur einer sogenannten einfachen und keiner gesteigerten politischen Treuepflicht. „Das Maß an Loyalität und Treue zum öffentlichen Arbeitgeber sei von Stellung und Aufgabenkreis des betroffenen Arbeitnehmers abhängig. Danach schuldet ein Arbeitnehmer lediglich ein solches Maß an politischer Loyalität, das für die funktionsgerechte Verrichtung seiner Tätigkeit unabdingbar sei“, so die Richter. Diese einfache Treuepflicht werde „erst durch ein Verhalten verletzt, das in seinen konkreten Auswirkungen darauf gerichtet sei, verfassungsfeindliche Ziele aktiv zu fördern oder zu verwirklichen“.

Allein die Teilnahme an dem Treffen rechtfertigt nach Ansicht des Arbeitsgerichts Köln „nicht den Schluss, dass sich die Klägerin in innerer Übereinstimmung mit dem Inhalt der Beiträge befunden habe. Ein Eintreten für verfassungsfeindliche Ziele, zum Beispiel durch Wortbeiträge im Rahmen des Treffens, habe die Beklagte nicht behauptet.“

Auch eine weitere außerordentliche Kündigung der Stadt Köln vom 18. März 2024 ist nach Auffassung des Gerichts unwirksam. „Die Kammer ist nicht davon ausgegangen, dass der gegen die Klägerin erhobene Vorwurf gerechtfertigt war, die Klägerin habe im Rahmen eines Gerichtsverfahrens vorsätzlich eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben“, so das Gericht.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln eingelegt werden.

Stadt Köln prüft, ob sie in Berufung geht

Eine Sprecherin der Stadt Köln erklärte auf Anfrage der Rundschau, dass die Stadt eine Berufung prüfen werde. Sie sagte: „Ein gerichtlicher Vergleich ist nicht zustande gekommen, da die Klägerin den gerichtlichen Vergleichsvorschlag vom 29. Mai 2024 nicht angenommen hat. Das Arbeitsgericht Köln hat daher mit heutigem Urteil festgestellt, dass die von der Stadt Köln ausgesprochenen Kündigungen das Arbeitsverhältnis der Mitarbeiterin nicht beendet haben. Die Urteilsgründe liegen der Stadt Köln noch nicht vor. Sobald das mit den Urteilsgründen versehene Urteil zugestellt wird, wird es insbesondere im Hinblick auf die Erfolgsaussichten eines Berufungsverfahrens geprüft.“

Nach Rundschau-Informationen sah der vom Arbeitsgericht Köln am 29. Mai 2024 auf Wunsch beider Streitparteien unterbreitete Vergleichsvorschlag vor, dass die 64-jährige Simone Baum, die regulär am 1. Oktober 2026 in die Regelaltersrente gehen würde, nicht mehr an ihren Arbeitsplatz bei der Stadt Köln zurückkehrt. Sie sollte jedoch einen finanziellen Ausgleich für das entgangene Gehalt erhalten. 

Ein Sprecher des Arbeitsgerichts Köln sagte der Rundschau, nachdem die Klägerin den Vergleichsvorschlag nicht angenommen hatte,  habe der Anwalt der Stadt Köln sich nicht mehr dazu geäußert, ob die Stadt den Vergleichsvorschlag des Gerichts annehmen wolle oder nicht. 

Nach Angaben der Stadtsprecherin hat die Stadt Köln die Gehaltzahlungen an Simone Baum mit der außerordentlichen fristlosen Kündigung eingestellt. Durch die Entscheidung des Gerichts, dass die Kündigungen unwirksam sind, steht ihr das Gehalt im Prinzip wieder zu.  Das Gericht hat die Stadt verpflichtet, Simone Baum bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen. Die konkrete Ausgestaltung obliege den Parteien, so die Stadtsprecherin. Aus datenschutzrechtlichen Gründen könne man keine weiteren Auskünfte geben.

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