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Für die Off Road Kids Köln„Alarm für Kobra 11“-Stuntmann läuft von Köln nach Leipzig – ohne Geld und Proviant

Lesezeit 4 Minuten
Auf sich allein gestellt: Tobias Nied wandert von Köln nach Leipzig und sammelt Spenden.

Auf sich allein gestellt: Tobias Nied wandert von Köln nach Leipzig und sammelt Spenden.

Wer einmal ohne Wohnung ist, kommt aus dem Teufelskreis nur noch schwer heraus. Die Initiative „Off Road Kids“ will das verhindern.

Aus 32 Metern Höhe hat sich Tobias Nied aus einem Hubschrauber in die Tiefe gestürzt - auf ein Luftkissen. 18 Jahre lang war der 41-Jährige Stuntman der Fernserie „Alarm für Kobra 11“. Jetzt macht er sich auf in eine Extremsituation der anderen Art. 450 Kilometer will er laufen, von Köln nach Leipzig, ohne Geld und ohne Proviant geht er los, mit nur zehn Gegenständen im Gepäck. Übernachten wird er unter freiem Himmel, statt mit Navi orientiert er sich Hilfe von zehn laminierte Din-A-5-Karten mit Teilstrecken. Sein Ziel? Der Realität obdachloser Jugendlicher nahezukommen, davon zu berichten und möglichst viele Menschen zu bewegen, für die Initiative Off Road Kids zu spenden.

Deren Name ist Programm. Die in Köln seit 2005 präsente Initiative kümmert sich um junge Menschen bis 27 Jahren, die in Krisensituationen stecken, die kurz davor sind, ihre Wohnung zu verlieren oder die bereits obdachlos geworden sind. Mehr als 12100 junge Menschen haben das Beratungsgebot der Initiative im Vorjahr angenommen. „Und es werden jedes Jahr mehr“, sagt Stationsleitern Sven Aulmann, der mit vier weiteren Mitarbeitenden alles daran setzt, die jungen Menschen zu erreichen, bevor sie ihre Wohnung verlieren. „Denn wenn das passiert, geht ihre ganze Energie für das Leben auf der Straße drauf. Wo bekomme ich etwas zu essen, wo kann ich in dieser Nacht schlafen? Wo meine Wäsche waschen, duschen, meine Sachen trocknen, wenn ich in den Regen gekommen bin?“, so der Sozialpädagoge. Auch sei es gerade in Köln nahezu unmöglich, ohne Ausbildung und festes Einkommen eine Wohnung zu finden.

Damit es nicht so weit kommt, sind die Off Road Kids dringend auf Spenden angewiesen. 900.000 Euro benötigt der Verein jedes Jahr, um seine Arbeit zumindest im aktuellen Umfang weiterführen zu können. „Deshalb freuen wir uns sehr, dass die Bethe-Stiftung uns jetzt unterstützt“, sagt Aulmann. Die Stiftung von Roswitha und Erich Bethe will eingehende Spenden bis zu einem Wert von 25.000 Euro verdoppeln und erweitert ihr breites Hilfsangebot in Köln damit erneut. „Bisher unterstützen wir mit der Arche für Obdachlose in Mülheim ein medizinisches und sozialarbeiterisches Hilfsprojekt für erwachsene wohnungslose Menschen, setzen uns für Geflüchtete und Projekte der Erinnerungskultur ein“, sagte Florian Bethe, Sohn des Stifters. Das Konzept der Off Road Kids habe die Stiftung vollends überzeugt. „Deshalb werden wir im kommenden Jahr erneut eine Spendenverdopplung finanzieren“, sagte Bethe zur großen Freude der überraschten Aktiven vor Ort.

Der Wunsch zu helfen

Tief verwurzelt ist der innere Anspruch, zu helfen auch bei Tobias Nied, der mit gepacktem Rucksack und gut eingelaufene Schuhen auf der Domplatte steht. Schon als Zwölfjähriger sammelte er Spenden für Waisenkinder in Bolivien, mit 17 Jahren fuhr er mit dem Fahrrad von Deutschland nach Australien. Seine Motivation erklärt er so: „Nicht stehenbleiben, weitergehen, nach Lösungen suchen und etwas tun. Denn ein Zuhause ist extrem wichtig.“

Exakt so arbeiten auch die Sozialpädagogen der Off Road Kids. „Viele Jugendliche nehmen zuerst online über die Plattform sofahopper.de Kontakt auf und kommen dann zur persönlichen Beratung“, schildert Aulmann. 1123 junge Menschen in Krisensituationen haben im Jahr 2023 Hilfe gesucht, mit ihnen haben die fünf Mitarbeitenden 6138 Beratungsgespräche geführt, 5240 davon im Büro der Initiative.

Die Hilfesuchenden kommen oft mit multiplen Problemlagen. Sie haben eine Ausbildung abgebrochen, müssen aus Jugendhilfeeinrichtung raus, weil sie 18 Jahre geworden sind, halten es zuhause nicht mehr aus. „Sie sind mit der Bürokratie, ihnen zustehende Hilfen zu beantragen, oft überfordert, ihre Eltern ebenso. Dann wächst der Berg von Problemen oft schnell, so dass die jungen Menschen gar nicht mehr handlungsfähig sind. Wir helfen ihnen dabei, einen Schritt nach dem anderen zu gehen, zu klären, was sie erreichen möchten, unterstützen sie bei Ämtergängen“, schildert Aulmann. „Viele haben dabei oft das erste Mal in ihrem Leben das Gefühl, ihre Situation selbst in der Hand zu haben und etwas zum Positiven verändern zu können. Das gibt ihnen die Kraft und Motivation, den jeweils nächsten Schritt in Angriff zu nehmen“, erklärt der Sozialarbeiter .

Neben ihm zurrt Tobias Nied seinen Rucksack fest. Sein Weg beginnt heute, „zwanzig Tage werde ich wohl unterwegs sein“, schätzt er, mit Schlafsack, Isomatte, Biwakzelt, Kocher, Topf, Wasserflasche, Feuerzeug und Buschmesser im Gepäck. Jeden Tag wird er etwas von seinem Spendenlauf auf Instagram posten. Als er losgeht klingt es metallisch aus einem Beutel am Gürtel. Aus dem Weg von der Südstadt zum Dom hat er Dosen gesammelt. „Damit“, sagt er, „kaufe ich mir Essen. Reis oder Nudeln. Irgendetwas, was satt macht.“