Filmprojekt „Kuntergrau“Mehrere Millionen Zuschauer im Internet sahen Kölner Webserie

Kuntergrau hat eine riesige Fangemeinde, nicht nur in Köln.
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Köln – Mehr als sechs Millionen Abrufe sprechen eine deutliche Sprache: Die Webserie „Kuntergrau“ über das Leben von jungen homosexuellen Menschen in Köln ist ein medialer Erfolg. Insbesondere, da sich rund die Hälfte der Zuschauer aus dem Ausland zuschaltet. Erst jüngst wurde das seit 2014 von einem ehrenamtlichen Team des Jugendzentrums „anyway“ entwickelte Projekt mit dem Engagementpreis NRW ausgezeichnet, voriges Jahr gab es den Ehrenamtspreis der Stadt Köln. Am kommenden Sonntag wird die letzte Folge der finalen dritten Staffel online gehen.
Nach sechs Jahren endet die Serie
Aufhören, wenn es am schönsten ist – das sei jedoch nicht der Grund für das Ende gewesen, wie Regisseur und Drehbuchautor Kai Kreuser erläutert. „Das ganze Projekt war komplett ehrenamtlich und durch Spenden finanziert, und wir haben jetzt alle Grenzen erreicht.“ Die vergangenen Jahre, in denen die finale Staffel entwickelt wurde, seien noch mal ein gemeinsamer Kraftakt gewesen. Teilweise, so Falk Steinborn von anyway, hätten Mitarbeiter ihren Jahresurlaub aufgebraucht, um an Kuntergrau mitwirken zu können.
Dementsprechend herrschte am Set auch durchaus eine wehmütige Stimmung, wie Moustafa Tarraf, der die Rolle des HIV-positiven Marcel spielt, einräumt: „Kuntergrau war die letzten sechs Jahre Bestandteil meines Lebens, da ist es natürlich traurig, dass es zu Ende geht.“ Für den Kölner, dessen Familie „streng muslimisch“ ist, war das Mitwirken ohnehin ein bedeutender Einschnitt in seinem Leben. „Ich hatte da einen gewissen egoistischen Hintergedanken, weil ich mich damit bei meiner Familie als homosexuell outen wollte“, erzählt er. Positiv aufgenommen wurde dort dieser mutige Schritt allerdings nicht. Der Kontakt sei seitdem abgebrochen. „Für mich ist das mittlerweile in Ordnung, für mich sind nun einfach meine Freunde meine Familie.“
Aufklärung über Anfeindungen und homophobe Gewalt
Ein Hauptthema der Staffel, homophobe Gewalt, ist dabei laut Kreuser für das Team eine Herzensangelegenheit gewesen: „Ich denke, dass wir alle in irgendeiner Form solche Anfeindungen schon erlebt haben. Aber ich kann zum Glück auch sagen, dass niemand im Team derartige Übergriffe, wie wir sie thematisieren, erlebt hat.“ Jedoch erlebe man derzeit eine „ansteigende Tendenz zu queerfeindlichen Übergriffen in Deutschland“. Schuld daran sei für ihn der zunehmende politische Populismus, dass das, was gesagt werden dürfe, sich einfach immer mehr verschiebe.
Falk Steinborn stimmt dem zu: „Es gibt eigentlich keinen Coming-out-Prozess, bei dem alles glatt läuft. Die erste Form von Gewalt ist hierbei Ausgrenzung, Beschimpfung, Beleidigung. Ein körperlicher Angriff ist nur die Spitze des Eisbergs, das, was öffentlich wahrgenommen wird.“ Solche Angriffe beträfen nicht nur die direkt Geschädigten, sondern auch deren Umfeld. „Queerfeindliche Gewalt geht uns alle an.“ Er und Kreuser plädieren deshalb dafür, dass auch in NRW wie etwa in Berlin solch motivierte Übergriffe gesondert in der Statistik erfasst werden.
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Und auch im vermeintlich toleranten Köln sei nicht alles in bester Ordnung, so Tarraf. „Gewalt habe ich zwar noch nicht erlebt, aber Beschimpfungen schon öfters“, erzählt er. Da sei es auch beängstigend, „wenn man nur seine Treffpunkte hat, wo man sich wohlfühlt, und eine Straße weiter wieder solche Anfeindungen geschehen können“.