Ein Bestatter berichtetDer letzte Weg ist in Köln einsam geworden
Köln – Beerdigungen sind in Corona-Zeiten noch trauriger als schon üblich. Darüber sprach Sabrina Steiger mit Bestatter Brian Müschenborn, der auch stellvertretender Vorsitzender der Innung ist.
Seit einer Woche dürfen Beerdigungen nur noch im engsten Kreis und ohne Feier in der Trauerhalle abgehalten werden. Wie haben Sie die ersten Beisetzungen unter diesen Bedingungen erlebt?
Müschenborn: Sie haben schon etwas Bedrückendes. Wir gehen von der Trauerhalle mit vier bis sechs Personen – Ehepartner und Kinder der Verstorbenen, Pfarrer und Bestatter – bis zum Grab. Dort haben wir dann ein wenig Schmuck, Blumen und ein paar Kerzen. Aber es herrscht schon eine gewisse Trostlosigkeit, wenn dort nur so wenige Menschen stehen.
Blumenwünsche sind nicht mehr möglich
Und wir können zum Beispiel auf Blumenwünsche keine Rücksicht mehr nehmen: Rosen gibt es nicht, weil keine Flieger aus Afrika kommen. Unsere Floristin macht deshalb im Moment viel mit Tulpen und Narzissen.
Wie sind die Reaktionen der Angehörigen?
Müschenborn: Es ist noch keiner aufgestanden und hat gesagt, so geht das nicht. Wir erklären ihnen auch, dass die meisten Maßnahmen ja zu ihrem eigenen Schutz sind. Der Großteil unserer Kunden gehört nun mal zur Hauptrisikogruppe. Sie lassen sich auf die Veränderungen ein.
Oder sie verschieben die Beerdigung auf einen späteren Termin?
Müschenborn: Ja, in der Tat wollen viele auch verschieben.
Geht denn das?
Müschenborn: Wenn es sich um eine Urnenbestattung handelt, schon. Nach der Einäscherung ist normalerweise sechs Wochen Zeit. Diese Frist wird jetzt allerdings häufig überschritten. Das ist möglich, aber nur auf Antrag. Der wird dann aber auch bewilligt.
Angehörige müssen auf Trauerfeier verzichten
Und wenn eine Erdbestattung gewünscht wird?
Müschenborn: Da gilt eine Frist von zehn Tagen, um den oder die Verstorbene unter die Erde zu bringen. Im Moment bleibt den Angehörigen dann nichts anderes übrig, als auf die Trauerfeier zu verzichten. Wir bieten aber an, diese Zusammenkunft zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen. Denn da gehen sonst Rituale verloren. Das ist ein deutlicher Rückschritt für unsere Trauerkultur.
Können Sie diese verschobenen Beisetzungen und Trauerfeiern denn später alle bewältigen?
Müschenborn: Logistisch ist das wirklich ein Problem. In Köln haben wir im Schnitt 150 Beisetzungen pro Woche. Schon die Weihnachtsfeiertage führen dazu, dass wir bis in den Februar hinein mit den aufgeschobenen Beerdigungen zu tun haben.
Aber ich verstehe den Wunsch, sich im würdigen und feierlichen Rahmen zu verabschieden. Andere wiederum sagen, ich möchte jetzt damit abschließen und nicht in sechs Wochen. Ich rate im Gespräch mit den Angehörigen, auf das eigene Herz zu hören.
Den Umgang mit infektiösen Verstorbenen gelernt
Bestatter werden ja noch in viel direkterer Weise mit der Krise und der Verbreitung des Virus konfrontiert. Neun Menschen sind in Köln bisher am Corona-Virus gestorben. Wie schützen Sie sich vor einer Ansteckung?
Müschenborn: Wir haben den Umgang mit infektiösen Verstorbenen gelernt. Wir legen zum Beispiel einen mit Desinfektionsmittel getränkten Mundschutz auf ihr Gesicht zum Schutz vor Tröpfcheninfektion. Sie werden in ein Leichentuch gehüllt, das ebenfalls mit Desinfektionsschutz getränkt ist. Dann kommen sie in eine Bergungshülle, die von da an nicht mehr geöffnet wird, und mit der Bergungshülle in den Sarg.
Wir müssen natürlich auch Schutzkleidung tragen. Die Särge mit den Verstorbenen werden dann zentral in der Leichenhalle des Friedhofes Leidenhausen gesammelt. So werden die Trauerhäuser der Bestatter nicht kontaminiert.
Abschied am offenen Sarg ist nicht möglich
Warum in Leidenhausen?
Müschenborn: Die Halle dort ist groß genug. Sie liegt in der Nähe des Flughafens und ist für den Katastrophenfall angelegt.
Beerdigt werden die am Corona-Virus Verstorbenen aber nicht alle dort?
Müschenborn: Nein, sie werden da bestattet, wo die Angehörigen es wünschen. Für die ist die einzige Auswirkung, dass sie nicht am offenen Sarg Abschied nehmen können. Denn Sarg und Bergungshülle bleiben geschlossen.
Wollen denn heutzutage viele Menschen die Verstorbenen noch im offenen Sarg sehen?
Müschenborn: Ja, die Nachfrage ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Durch die Hospizbewegung ist die Verabschiedung ein viel größeres Thema geworden: den Menschen noch einmal sehen, ihm etwas mit ins Grab geben.
In neuen Situationen neue Strukturen finden
Auch das ist nicht mehr möglich?
Müschenborn: Doch, wer seinem Opa zum Beispiel ein Bild malen möchte, kann es dann auch mir als Bestatter geben, und ich lege es mit in den Sarg. Wir müssen lernen, in neuen Situationen neue Strukturen zu finden.
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Werden auch bei uns die Toten irgendwann vom Militär aus der Stadt gebracht, weil die Bestatter nicht nachkommen?
Müschenborn: Nein. Denn ich glaube tatsächlich, dass diese Bilder aus Italien hier zu einem Umdenken geführt haben. Die Vorstellung, unsere Eltern müssten ganz alleine im Krankenhaus sterben und könnten dann noch nicht mal ordentlich bestattet werden, ist einfach zu fürchterlich. Deshalb wurden noch rechtzeitig diese drastischen Gegenmaßnahmen ergriffen.