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Schadstoff-FundEltern nennen Schließung der Kölner Forderschule „eine riesige Katastrophe“

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Die Förderschule mit Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung am Kolkrabenweg.

Die Förderschule mit Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung am Kolkrabenweg.

Die Förderschule am Kolkrabenweg in Vogelsang wurde wegen zu hoher Schadstoffbelastung geschlossen.

Die Stadt Köln hat zwei Schulen im Stadtteil Vogelsang geschlossen. Wie berichtet, wurden an der Förderschule Kolkrabenweg und der inklusiven Grundschule Kunterbunt Schadstoffe in der Raumluft gefunden, die von einem Parkettkleber stammen sollen. Nach Informationen der Stadtverwaltung soll die Grundschule am Mittwoch wieder öffnen, die Förderschule mit Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung bleibt jedoch auf unbestimmte Zeit geschlossen.

„Das ist eine riesige Katastrophe. Wir machen uns extreme Sorgen, wie lange die Kinder zu Hause bleiben müssen“, sagt die Schulpflegschaftsvorsitzende, Cristina Tettamanzi. Die Eltern hatten von der Schadstoffbelastung ebenfalls erst am Freitag erfahren, Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer riefen die Familien persönlich an. Was jedoch aufstößt: Von ersten Messungen, die laut Mitteilung der Stadt bereits Ende August stattfanden, habe aus der Elternschaft niemand gewusst. Auch den Namen des Schadstoffes - Naphthalin - hätten sie zuerst in der Presse gelesen. „Es ist ärgerlich, dass wir die Details erst aus der Zeitung erfahren haben“, so Tettamanzi.

Distanzunterricht bei Kindern und Jugendliche mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung heißt faktisch: kein Unterricht.
Bernd Klagge, Vorstand der Landeselternschaft der Förderschulen mit den Schwerpunkten Geistige Entwicklung und Körperliche und Motorische Entwicklung in NRW

Bei den Messungen wurden laut Stadt bestimmte Schwellenwerte überschritten. Die Kölner Methode der Messung - mit Spezialgeräten, die die Luft nach mindestens acht Stunden nach der letzten Lüftung einsaugen - soll besonders sicher sein. Ein entsprechendes Sanierungskonzept werde laut Stadt nach der Beurteilung der Messergebnisse durch ein unabhängiges Sachverständigen-Büro gemeinsam mit Gesundheitsamt, Gebäudewirtschaft, Schulträger und Schule erarbeitet.

„Die Stadt Köln arbeitet mit Hochdruck daran, schnellstmöglich geeignete Ersatzräume zur Verfügung zu stellen. Weil insbesondere hohe Anforderungen an die Barrierefreiheit bestehen, werden gegenwärtig auch Räume in einem stadtbezirksübergreifenden Radius gesucht“, teilte die Stadt am Freitag mit. Außerdem müsse der Schultransport organisiert werden. Die Schulen sollen vorübergehend auf Distanzunterrichts- und Selbstlernkonzepte zurückgreifen und eine Notfallbetreuung für Kinder mit berufstätigen Erziehungsberechtigten anbieten. Laut Stadt seien aber nur wenige Plätze vorhanden. Die Schulpflegschaftsvorsitzende widerspricht: „Den Eltern wurde bisher keine Notbetreuung angeboten.“

Auch therapeutische Maßnahmen fallen aus

190 Schülerinnen und Schüler sowie 58 Lehrerinnen und Lehrer der Förderschule sind betroffen. Die Ausnahme stellen 40 Schüler der Mittelstufe der Schule dar, die aus Kapazitätsgründen bereits nach den Sommerferien an einem Ausweichstandort lernt: Im Gymnasium Zusestraße in Lövenich werden derzeit vier Förderklassen unterrichtet. Alle anderen sollen laut Stadt zunächst im Distanzunterricht lernen. „Wer das geschrieben hat, hat noch nie ein Kind mit mehrfacher geistiger Behinderung zu Hause betreut“, ärgert sich Cristina Tettamanzi. Auch therapeutische Maßnahmen, die normalerweise in der Schule stattfinden, wie Logopädie oder Physiotherapie, fallen aktuell aus.

Aktuell geschlossen: die Förderschule am Kolkrabenweg

„Für die Familien ist das bodenlos“, sagt Eva-Maria Thoms, Vorsitzende des Elternverein mittendrin e.V.. „Es muss so zügig wie möglich eine Ersatzlösung geschaffen werden.“ Die Corona-Pandemie habe gezeigt, wie dramatisch es sei, wenn bei kognitiv beeinträchtigten Schülerinnen und Schülern die gewohnte Tagesstruktur wegbricht. Auch Bernd Klagge, Vorstand der Landeselternschaft der Förderschulen mit den Schwerpunkten Geistige Entwicklung und Körperliche und Motorische Entwicklung in NRW, zeigt sich besorgt. „Distanzunterricht bei Kindern und Jugendliche mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung heißt faktisch: kein Unterricht“, so Klagge im Gespräch mit der Rundschau. „Bei vielen bedeutet das einen Einbruch in ihrem Leistungsvermögen.“

Auch für berufstätige Eltern habe ein Schulausfall teilweise dramatische Auswirkungen für den Job, da sie zu Hause bleiben und den Unterricht ermöglichen müssen, sagt Klagge. Das bestätigt auch Cristina Tettamanzi: „Wir haben keine Ferienbetreuung an der Förderschule. Wir betreuen die Kinder sowieso schon zwölf Wochen im Jahr in der schulfreien Zeit.“ Generell seien die Eltern der Förderschule stark belastet: „Zu uns kommen auch viele Flüchtlingsfamilien mit ihren Kindern, einige sind traumatisiert. Die Schule zu besuchen, ist für alle essenziell“, sagt Tettamanzi.