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Muss Wohnraum weichen„Zu emotional“ – Vogelsanger Lotto-Kiosk schließt nach 23 Jahren

Lesezeit 3 Minuten
Blick auf die Lottoannahmestelle am Eingang zum Einkaufszentrum in Vogelsang in Köln-Ehrenfeld. Foto von Hans-Willi Hermans

Die Lottoannahmestelle am Eingang zum Einkaufszentrum in Vogelsang in Köln-Ehrenfeld.

Die Lottoannahmestelle im Einkaufszentrum Vogelsang wird in Wohnraum umgewandelt, obwohl Einsprüche und Unterschriften gesammelt wurden.

„Ausverkauf“ steht groß auf einem Plakat, ein kleinerer Zettel erklärt: „Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe“. Und dann ist da noch die Fotokopie, die besagt, dass die GAG Immobilien AG den Mietvertrag für die Lottoannahmestelle „form- und fristgerecht“ zum 31. Mai gekündigt haben. Die Tochter der Betreiberin sitzt regungslos vor dem Eingang und möchte keinen Kommentar abgeben: „Zu emotional“, sagt sie kurz. Ihrer Mutter Melanie Ahlrichs fällt im ersten Moment auch nicht viel mehr ein: „23 Jahre war ich jetzt hier, was soll ich dazu sagen?“

Dann fasst sie noch einmal die Geschehnisse zusammen. Vor fast genau zwei Jahren hatte die GAG angekündigt, dass sie die Mietverträge im Gebäudekomplex Goldammerweg 24 bis 28 kündigen werde, weil der ab 2025 saniert werden soll.

Lottoannahmestelle Vogelsang: ehemaliger Vorstandsvorsitzender der GAG schaltete sich ein

Daraufhin wurden Proteste laut, Lokalpolitiker und sogar der ehemalige Vorstandsvorsitzender der GAG, Jochen Ott, schalteten sich ein. Die Vogelsanger sammelten mehr als 1000 Unterschriften, um den Kiosk zu erhalten. Mit Zeitungen, Zeitschriften und Zigaretten versorgten sie sich hier, nicht zuletzt lockten der Kaffee und die Gelegenheit zum Schwätzchen mit den Nachbarn.

An solchen Orten mangelt es eklatant in diesem Teil Vogelsangs. Das „Einkaufszentrum Vogelsang“, das ein Schriftzug über dem Durchgang, in dem auch der Eingang zur Lottoannahmestelle liegt, vollmundig ankündigt, ist längst keines mehr, die allermeisten Ladenlokale stehen leer. Immerhin konnte vor zwei Jahren ein Kompromiss mit der GAG erzielt werden: Wenigstens die Lottoannahmestelle sollte erhalten bleiben. „Schriftlich habe ich das nicht, aber es gab eine mündliche Zusage vor Zeugen“, so Melanie Ahlrichs.

Als sich im Mai 2023 gesundheitliche Probleme bemerkbar machten, beschloss sie allerdings, die Annahmestelle nicht mehr persönlich weiterzuführen, sondern dies ihrer Tochter zu übergeben. Celina Ahlrichs gab dafür sogar ihre damalige Beschäftigung auf, und ihre Mutter kündigte den Mietvertrag.

Vogelsanger Einkaufszentrum nicht mehr zeitgemäß – Lottoannahmestelle soll Wohnraum weichen

Doch dann kam die böse Überraschung: Die GAG spielte nicht mit. Noch vor wenigen Wochen waren die beiden Frauen zusammen mit der SPD-Bezirksvertreterin Dunja Engelke und einer Vertreterin der Bürgervereinigung Vogelsang zu einem klärenden Gespräch bei der GAG vorstellig geworden, doch ohne Erfolg. „Sprachlos bin ich und die Glaubwürdigkeit der GAG stelle ich infrage“, postete Engelke daraufhin auf Facebook.

Jörg Fleischer, Pressesprecher der GAG, antwortet auf eine entsprechende Anfrage des Kölner Stadt-Anzeigers: „Es gab eine Zusage an die Betreiberin, ihr Geschäft weiterführen zu können. Es gab keine Zusage, an dieser Stelle dauerhaft Gewerberäume für einen Kioskbetrieb vorzuhalten.“ Es sei nur die „logische Konsequenz“ aus der Kündigung des Mietvertrags durch Melanie Ahlrichs, dass dieser Gewerberaum nun in Wohnraum umgewandelt wird.

Denn bei der GAG habe man erkannt, dass das einstige Einkaufszentrum „bereits seit vielen Jahren nicht mehr den Anforderungen heutiger Gewerbetreibender“ entspreche. Aufgrund der versteckten Lage der Ladenlokale auf der Rückseite des Komplexes etwa, und weil die sogenannten Ankermieter wie Supermärkte oder Drogeriemärkte fehlten, für die die jetzigen Gewerberäume zu klein und daher unattraktiv seien.

Die gesamte, aus den 60er Jahren stammende Konzeption des Einkaufszentrums am Goldammerweg „funktioniert heutzutage an dieser Stelle nicht mehr“, so Fleischer. Dringend benötigt würde dagegen Wohnungen.

Melanie Ahlrichs betont allerdings, dass ausbleibende Kundschaft nicht ihr Problem gewesen sei. „Manchmal, vor allem am Freitagnachmittag, bildete sich ein regelrechter Pulk am Eingang. Und die Senioren kamen auch regelmäßig, die wissen ja auch nicht, wohin sie gehen sollen.“ Einer ihrer letzten Kunden wirft ein: „Na ja. Der Bäcker gegenüber bietet jetzt auch Kaffee an. Aber ob das dasselbe ist?“