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Drohendes Finanzdesaster der BühnenLieß sich Bühnen-Berater von der Bank bezahlen?

Lesezeit 7 Minuten

Es geht um viel Geld: Möglicherweise verlieren die Bühnen 15 Millionen Euro.

Köln – Das drohende Finanzdebakel um die Kölner Bühnen schlägt in der Stadt hohe Wellen. 15 Millionen Euro Steuerzahlergeld könnten in der britisch-australischen Bank Greensill verschwunden sein (wir berichteten). Doch wie kam es dazu und wer trägt die Verantwortung? Die Rundschau gibt Antworten auf wichtige Fragen.

Wie ist die Ausgangslage?

Die Bühnen sind ein Eigenbetrieb der Stadt, sie finanzieren die aus dem Ruder gelaufene Sanierung von Oper, Schauspielhaus und Co. selbst über Kommunalkredite. Dazu hat sie der Stadtrat ermächtigt. Im Dezember nahmen die Bühnen ein Darlehen von 100 Millionen Euro auf. Den Großteil des Geldes benötigten sie aber nicht sofort und „parkten“ es im Januar unter anderem bei der Privatbank Greensill (siehe auch Text auf der folgenden Seite).

Warum hat man sich 100 Millionen Euro auf einen Schlag geliehen statt nur so viel Geld wie benötigt?

Die Bühnen sagen, nur bei einer so großen Summe hätten sie einen für 40 Jahre festgeschriebenen Zinssatz von 0,98 Prozent bekommen. Damit sind laut eines Sprechers die Konditionen für den gesamten Abschreibungszeitraum des Projekts gesichert, das gebe Planungssicherheit. Die Kehrseite: Es war sehr viel Geld „übrig“, das angelegt werden musste: 64,5 Millionen Euro. Für große Summen verlangen die meisten Banken Negativzinsen. Um die zu sparen, legten die Bühnen im Januar 15 Millionen Euro bei Greensill für vier und fünf Monate zu null Prozent Zinsen an. Der kurze Zeitraum erschien ihnen überschaubar – trotzdem könnte es sie nun erwischen.

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Hätten die Bühnen um die Risiken wissen können?

Es gab Hinweise. Der Mediendienst „Bloomberg“ berichtete am 19. August 2020 von Problemen bei Greensill, schon damals sei die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) alarmiert gewesen. Grund: Das Risiko der Bank sei zu sehr konzentriert auf eine Firma des britisch-indischen Stahlmagnaten Sanjeev Gupta. Das Internetportal „finanz-szene.de“ berichtete am 15. Oktober: „Dem Vernehmen nach herrscht dann doch ein wenig Sorge angesichts des immer größeren Rads, das die Bremer Bank dreht.“ Zur Frage, ob sie die Artikel kannten, teilten die Bühnen mit: „Nein.“ Sie orientierten sich am Rating der Bank, der BaFin und der Einschätzung ihres Finanzberaters.

Wie schätzt ein Experte die Greensill-Bank ein?

Finanzanalyst Thomas Borgwert sagt: „Allein diese hohe Konzentration an Kreditrisiken signalisiert, dass die Greensill Bank wohl keine ’normale’ Bank war und ist.“ Bereits im September 2020 hatte die Ratingagentur Scope ihre Bewertung der Bank von „A-“ auf „BBB+“ herabgestuft, was einer eher mittelmäßigen Bonität entspricht und ein Ausfallrisiko nicht ausschließt. Borgwert sagt: „Selbstverständlich gab es insbesondere in den letzten Monaten genug Warnsignale hinsichtlich der Entwicklung von Greensill.“ Das zu recherchieren, sei aber nicht Aufgabe eines städtischen Eigenbetriebs. Aber: „Bescheidenheit bei der Einschätzung der eigenen Fähigkeiten sollte daher an erster Stelle stehen, wenn es darum geht, Geld sicher anzulegen. Ein vermeintlich attraktives Zinsangebot sollte da zur Vorsicht mahnen.“

Wie kam die Entscheidung der Bühnen für Greensill und Co. zu Stande?

Die Bühnen haben sich nach Rundschau-Informationen von einem Kölner Finanzdienstleister beraten lassen. Der Name ist der Redaktion bekannt. Eine kurzfristige Anfrage am Mittwoch ließ er unbeantwortet, darunter die Frage, wer die Beratung bezahlt hat. Beteiligte berichten, Greensill habe eine Provision gezahlt. Handelt ein Berater im Sinne der Bühnen, wenn er die Provision von der Bank erhält? Auch diese Frage ließ die Firma unbeantwortet. Die Bühnen teilen mit: „Es ist naheliegend, dass die Entscheidung zur Anlage bei der Greensill Bank mit dem Wissen von heute so nicht getroffen worden wäre.“

Warum wurde das Geld nicht der Stadt gegeben?

Das ist die große Frage. Paragraf elf der Eigenbetriebsverordnung NRW besagt: „Vorübergehend nicht benötigte Geldmittel des Eigenbetriebs sollen in Abstimmung mit der Liquiditätslage der Gemeinde angelegt werden.“ Trotzdem hat Bühnengeschäftsführer Patrick Wasserbauer nicht mit Stadtkämmerin Dörte Diemert gesprochen.

Wäre das Geld bei der Stadt besser angelegt gewesen?

Die Bühnen betonen, sie hätten auch der Stadt Negativzinsen bezahlen müssen. Das trifft zu, aber davon profitiert die Kommune und keine private Bank. Die Kämmerei erklärte: „Die Stadt ermöglicht es ihren Beteiligungsunternehmen auf Anfrage, überschüssige Liquidität bei der Stadt zu parken.“ Später erhalten sie es bei Bedarf zurück, das nennt sich „Cash-Pooling“. Davon mache der Eigenbetrieb Gebäudewirtschaft Gebrauch, auch für die Messe wurde 2020 ein solcher Cash-Pool begrenzt auf 80 Millionen Euro eingerichtet. „Eine entsprechende Anfrage der Bühnen bei der Kernverwaltung ist hier nicht bekannt.“

Wer trägt die Verantwortung?

In Paragraf zwei der Eigenbetriebsverordnung heißt es: „Der Betriebsleitung obliegt insbesondere die laufende Betriebsführung. Sie ist für die wirtschaftliche Führung des Eigenbetriebs verantwortlich und hat die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden.“ Für Schäden hafte die Betriebsleitung. Diemert überprüft nun die internen Vorgänge bei den Bühnen.

Aus der Politik kam Kritik, die Stadt habe eine Software zur Liquiditätssteuerung („Cash-Pooling“) nicht eingeführt. Ein Problem?

Dazu betont Kämmerin Dörte Diemert: „Die Vorwürfe sind unbegründet. Das Software-Projekt wurde 2018 begonnen und konsequent vorangetrieben. Das Projekt steht kurz vor der Umsetzung bezüglich der verwaltungseigenen Geschäftskonten. Die Software ist keine Voraussetzung, um Geld bei der Stadt zu parken. Das praktizieren wir jetzt schon.“

Bühnen sehen keine weitere Verlustgefahr

64,5 Millionen Euro haben die Kölner Bühnen-Verantwortlichen bei Banken angelegt, 15 Millionen Euro bei der Bremer Privatbank Greensill. Der droht aber die Insolvenz, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hat sie geschlossen. Jetzt bangen viele Kommunen und Eigenbetriebe wie die Bühnen um ihr Geld. Denn seit 2017 sind die Einlagen der öffentlichen Hand bei Privatbanken nicht gesichert.

Noch sind die 15 Millionen Euro der Bühnen nicht weg, doch das Ganze entwickelt sich nach der schief gelaufenen Sanierung am Offenbachplatz zum Desaster. Neben der Sanierung sind die Bühnen verantwortlich für Tanz, Schauspiel und Oper. Auch am Mittwoch blieben sie bei ihrer Linie: Zu Verträgen sagen sie nichts – obwohl der Druck steigt, es um Steuergeld geht. Ein Sprecher teilte mit: „Die aktuellen öffentlichen Diskussionen entbinden uns nicht von vereinbarten Verschwiegenheitsvereinbarungen mit Dritten.“ Sie informierten aber im nicht-öffentlichen Teil den Betriebsausschuss Bühnen des Stadtrates.

Die Frage ist: Wo sind die anderen knapp 50 Millionen Euro angelegt? Könnten sie ebenfalls möglicherweise weg sein? Der Sprecher teilte mit: „Aktuell liegen uns keine Indizien für besondere Risiken vor.“ Wie berichtet, soll es sich nach Rundschau-Informationen bei den Banken unter anderem um die „Bank of China“ sowie die türkische IS-Bank und die Versicherung „Alte Leipziger“ handeln.

In anderen Städten wie Gießen werden Rücktrittsforderungen laut, die hessische Stadt könnte zehn Millionen Euro verlieren, Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz hat die Anlage abgezeichnet. In Köln forderte die FDP Konsequenzen, verband das aber nicht mit der Geschäftsführung der Bühnen.

Die Hausbank der Bühnen ist die Sparkasse Köln Bonn, laut Bühnen-Sprecher haben sie dort Geld deponiert. Dem Vernehmen nach soll es „ein kleiner Teil“ der 64,5 Millionen Euro sein. Bei der Sparkasse müssen die Bühnen Negativzinsen zahlen, allerdings wäre ihr Geld bei einer Insolvenz gesichert gewesen. Die Negativzinsen der Sparkasse betragen 0,5 Prozent: Die Bühnen hätten – vereinfacht gesagt und ohne weitere Parameter einzubeziehen – bei einer Summe von 15 Millionen Euro aufs Jahr 75 000 Euro Zinsen gezahlt.

Auch Gesellschaften der Stadtwerke haben einen hohen Millionen-Betrag bei Greensill angelegt, laut eines Sprechers ist der aber gesichert. Der Unterschied: Die Stadtwerke sind ein Unternehmen und kein städtischer Eigenbetrieb. (mhe/fu)

Kommentar zum Thema: Zu hoch gepokert

von Matthias Hendorf

Das Risiko war hoch, das Risiko hätte bekannt sein können – trotzdem haben die Bühnen um den Geschäftsführenden Direktor Patrick Wasserbauer 15 Millionen Euro bei der Greensill Bank angelegt. Das war ein Fehler. Wasserbauer und Co. haben 15 Millionen Euro aufs Spiel gesetzt, um Negativzinsen von möglicherweise einigen zehntausend Euro zu sparen. Der Ansatz mag richtig sein, die Risikoabwägung war aber falsch – eine Internetrecherche hätte ernstzunehmende Berichte über Probleme bei der Bank offenbart, schon ein halbes Jahr vor der Geldanlage im Januar.

Die Bühnen um Wasserbauer sind damit nicht allein, viele Kommunen in Deutschland bangen nun um ihr Geld, auch die Finanzaufsicht hat eine Verantwortung. Doch das spielt eine untergeordnete Rolle: Die Note sechs in einer Mathe-Klassenarbeit bleibt eine sechs – egal, wie viele Klassenkameraden sie auch haben.

Wer Geschäftsführender Direktor eines Betriebs wie der Bühnen ist, hat eine große Verantwortung – zumal bei einer Sanierung, die inklusive aller Kosten ziemlich sicher mehr als eine Milliarde Euro kosten wird. Ja, das Geld ist noch nicht weg, mit Betonung auf noch. Und ja, ob Kämmerin Dörte Diemert von der Anlage wirklich abgeraten hätte, wird immer unklar bleiben. Zumal: Bühnen oder Verwaltung, beides ist städtisch, letztlich geht es um Steuergeld, sehr viel Steuergeld. Das darf sich nicht wiederholen.