AboAbonnieren

Coronavirus in KölnKölner Uniklinik bereitet sich auf „Tsunami-Welle“ vor

Lesezeit 4 Minuten

Auf Abruf bereit: Martin Sager ist im Personalrat der Uniklinik tätig und wird der Intensivpflege helfen, wenn es nötig ist.

Köln – Der Anruf kann jederzeit kommen. Martin Sager (57) steht auf Abruf bereit. Für den Fall, dass die – wie er es nennt – Tsunami-Welle kommt. Für den Fall also, dass die Anzahl der Covid-19-Infizierten drastisch steigt. Wenn es dann klingelt, dann springt er ein in der Intensivstation der Uniklinik und wird dabei helfen, die Welle zu bekämpfen. Acht Jahre ist es her, seit er dort nicht mehr arbeitet und für den Personalrat freigestellt wurde. Damals hat er die internistische Intensivstation mit 14 Betten und mehr als 40 Mitarbeitern geleitet. Eine Kollegin von damals, die 40 Jahre dort tätig war, ist gerade in Ruhestand gegangen.

Nur zuzuschauen wäre eine Belastung

Einige Gesichter sind noch bekannt, viele Kollegen sind sehr jung und sehen die Intensivpflege nur als Zwischenstation an, oft mit dem langfristigen Ziel Studium. „Ich treibe den Altersschnitt ganz schön in die Höhe“, sagt der 57-Jährige, unter seinem Atemschutz ist ein Lächeln zu erahnen.

Die Entscheidung, sich für diesen Dienst bereit zu erklären, hat er selbst getroffen. Verpflichtet werden können Mitglieder des Personalrats nicht. „In so einer Situation ist es nicht vertretbar, nicht zu helfen, obwohl man die Fähigkeiten und Kompetenzen hat“, findet Sager.

Einige Tage hat er sich bereits eingearbeitet. Das Wissen sei noch da, die Fertigkeit auch, nur an die Geschwindigkeit müsse er sich noch gewöhnen. Auch bei der Betreuung mehrerer Patienten müsse er es sich wieder aneignen, sich die Arbeit richtig einzuteilen. Ein Beispiel: „Wenn ich einen zweiten Patienten länger betreuen muss, etwa bei der Körperpflege, dann muss ich mir vorher sicher sein, dass in der Zeit kein Infusionsgerät mit einem lebenswichtigen Medikament bei einem anderen Patienten leer wird.“ Die Herausforderung, sich die Arbeitsweise wieder anzugewöhnen, ist groß. Dennoch freut Sager sich auf seinen Einsatz.

Noch ist von der Krise nichts zu spüren

„Manchmal habe ich die Arbeit mit den Patienten vermisst“, sagt er. Genau wie das Gefühl, morgens nicht zu wissen, was auf ihn zukommt. Und natürlich die Erfolgserlebnisse, wenn beispielsweise ein schwer kranker Patient aufgenommen wird und ein paar Wochen später wieder auf die Normalstation verlegt werden kann. „Daraus ziehen viele Kollegen ihre Motivation.“ Dazu sei der Zusammenhalt im Team etwas Besonderes, gerade in Krisensituation. Das Gefühl, nur zuzuschauen, wäre eine Belastung.

Von der sich anbahnenden Krisensituation ist auf der Intensivstation aktuell noch nicht viel zu spüren. 22 Corona-Patienten hat die Uniklinik aktuell aufgenommen, zwölf davon liegen auf der Intensivstation (Stand: Dienstagnachmittag). „Es herrscht eine gespenstische Ruhe“, beschreibt Sager. Auch die Intensivstation hat das Krankenhaus so weit wie möglich freigeschafft für Covid-Patienten. Sonst arbeiten die Arbeitskräfte routinemäßig unter Stress, gerade habe sie aber weniger zu tun. „Das ist schon skurril“, sagt Sager. In die Vorbereitungen und die angespannte Stimmung mischt sich auch Angst. Angst davor, mehr Patienten als Betten zu haben. Angst davor, dass das Schutzmaterial ausgeht. Die Angst, Patienten nicht mehr beatmen zu können. Aber auch die Angst davor, dass Patienten, die beispielsweise schon lange auf eine Tumor-Operation warten, nicht mehr aufgenommen werden können.

Bilder aus Italien machen Angst

„Wenn wir die Bilder von Militärlastern sehen, die in Italien die Särge wegfahren, dann verursacht das natürlich Panik.“ Dann gelte es, sich erst einmal wieder zu beruhigen. „Wir sind gut aufgestellt“, ist sich Sager sicher. Den Zuspruch der Menschen, die jeden Tag um 21 Uhr an den Fenstern klatschen, sehen die Mitarbeiter der Intensivpflege zwiespältig. „Die Kollegen hätten sich diese Anerkennung schon früher gewünscht. 2017 und 2018 hatten wir eine schwere Influenza-Welle. In der Zeit waren die Kräfte über ihre Grenzen hinaus belastet. Da hat man kaum was drüber gelesen. Und jetzt wird geklatscht, bevor die Welle eigentlich da ist.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Wie lange ein möglicher Einsatz dauern wird, weiß er noch nicht. „So lange wie nötig.“ Und wenn der Anruf nicht kommt? „Das würde ich mir für alle Patienten wünschen. So eine Situation wünscht sich keiner“, sagt Martin Sager. „Ich kann es mir aber nicht vorstellen, dass die Welle an uns vorbeigeht.“