Corona-Krise in KölnWie die Kölner Gastronomen unter Personalmangel leiden
Supermarktkasse statt Biertheke: Im Zuge der Corona-Pandemie haben Hotels und Gaststätten in Köln einen erheblichen Teil ihres Personals verloren. Innerhalb des vergangenen Jahres hat jeder fünfte Beschäftigte in der Stadt den Job als Koch, Hotelangestellte oder Servicekraft aufgegeben, hat die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) unter Verweis auf die Zahlen der Arbeitsagentur errechnet. Mittlerweile hat sich das Problem nicht etwa abgemildert, sondern im Gegenteil noch weiter verschärft: Speziell die Gastronomie sucht händeringend Personal, kann in vielen Fällen nicht die vollen Kapazitäten fahren, weil schlicht nicht genug Leute da sind.
Viele Probleme seien jedoch hausgemacht und hätten schon vor Corona bestanden, erklärt der Landesbezirksvorsitzende Mohamed Boudih. „Die Situation ist seit Jahren bekannt“, sagt er. Zwar habe die Pandemie die Lage dramatisch verschärft. Aber dass Jobs im Hotel- und Gaststättengewerbe „in der Struktur unattraktiv“ seien, beklage die NGG nicht erst seit Corona. Er fürchte sogar, dass das Ende der Fahnenstange „noch nicht erreicht sei: „Die Arbeitgeber haben sich Gesprächen über eine bessere Bezahlung und ein flexibleres Arbeitszeitenmodell bislang immer verweigert.“
Am Geld allein liegt es nicht
Genau dagegen aber wettert das frisch gekürte Vorstandsmitglied der Kölner Dehoga (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband), Alexander Manek, vehement. „Es ist sicher nicht das Geld. Wir zahlen wie ganz viele andere über Tarif, schon vor Corona. Es gibt dazu gutes Trinkgeld, wir bieten alle möglichen Sonderleistungen, legen den roten Teppich für neue Mitarbeiter aus. Aber wir finden keine“, sagt der Haus Unkelbach- und Bier-Esel-Chef. Freie Tage werden flexibel gehandhabt. Sogar die eigentlich übliche Befristung auf zunächst ein Jahr haben sie gekippt, wer ernsthaftes Interesse zeigt, bekommt direkt eine Festanstellung geboten. „Es ist einfach der Horror“, so Manek.
In einem emotionalen Post hat er bei Facebook seinem Frust freien Lauf gelassen und mal aufgeschlüsselt, was in der Gastro möglich ist und anderswo eben nicht – von besagten flexiblen Arbeitszeiten bis hin zum verständnisvollen Chef, wenn die halbe Belegschaft wieder mal wieder bis vier Uhr morgens versackt ist.
Es fehlt überall: Köche, Kellner händeringend gesucht
Zwar hat Manek seine Leute weitgehend auch über die Lockdowns halten können. Trotzdem reicht es nicht, um die ganze Woche aufzuhalten: Montags und dienstags bleibt das Brauhaus zu, obwohl die Gäste kommen könnten und auch würden. Es fehlen die Angestellten, Köche, Kellner, einfach alles. „Es gab teilweise auch abstruse Abwerbungen von Kollegen, mal eben 500 Euro mehr und solche Scherze. Es geht ja allen gleich, niemand findet ausreichend Personal.“ Die Arbeitsagentur sei ebenfalls keine große Hilfe: „Die schicken mir dann Jungs und Mädels, die wollen einfach nur den Stempel für ihr Vorstellungsgespräch haben und gleich wieder gehen.“
Die Veranstalter
Die Gastronomie ist nicht die einzige Branche, die momentan große Schwierigkeiten bei bei der Personalsuche hat. Insbesondere in der Veranstaltungstechnik haben viele Mitarbeiter im Laufe der letzten Monate die Segel streichen müssen, was bei einigen Firmen nun zu Engpässen führt. Denn mit dem Anziehen der Konzerte und Veranstaltungen werden auch die wieder gesucht – „aber die kommen so schnell nicht wieder“, sagt ein Branchenkenner. Die Leute seien in der Regel sehr gut ausgebildet und längst anderswo eingestiegen. Zwar ist das Interesse an der Veranstaltungstechnik grundsätzlich vorhanden – aber bei ganz vielen müsse man da „ganz von vorne anfangen.“ Ohne wenigstens eine Grundausbildung in einem technischen Beruf wird es da ganz schwer. (two)
Wie der Misere genau beizukommen ist, darüber will sich das neue Präsidium nun beraten und auch schnell in die Gänge kommen. Und sich mit der Stadt austauschen. Nur in einem Punkt ist sich Manek sicher: Über Geld allein wird das Problem nicht gelöst, denn – siehe oben – gezahlt werde größtenteils sehr ordentlich. „Aber ich kann natürlich auch keinem Jungkoch 5000 Euro monatlich in die Hand drücken.“
Auch Carsten Eine, Geschäftsführer der Weissenburg in der (fast) gleichnamigen Straße, konnte seine festangestellten Kräfte weitgehend halten. Zum einen über das Kurzarbeitergeld, zum anderen über die Möglichkeit der steuerfreien Aufstockung aus eigenen Mitteln. Aber auch er braucht Personal, bedingt durch ganz normale Fluktuation etwa durch Umzüge. „Es ist eine Katastrophe“, sagt er. „Wenn sich überhaupt jemand bewirbt, reicht das in der Regel nicht mal zum Anlernen.“ Einige Servicekräfte seien abgewandert etwa in die Corona-Testzentren, wo staatlich subventionierte 18 Euro die Stunde gezahlt werden. Da kann die Gastro nicht mit. Und noch immer haben die Universitäten keinen Regelbetrieb, was sich ebenfalls auf die Branche auswirkt. Aber ob das als Begründung für die Flaute beim Personal reicht? „Ich weiß es auch nicht“, sagt Eine. Vor Corona war die Qualität und das Angebot schließlich da.
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Daniel Rabe von der IG Gastro kann das nur bestätigen, auch in seinem Umfeld hat „eigentlich niemand“ ausreichend Personal. Ein Patentrezept hat auch er nicht, die IG Gastro versucht über „kreative Formen der Rekrutierung“ neue Kräfte für die Küche und Service zu bekommen. Auch das Geld wurde noch einmal aufgestockt, doch daran, so Rabe, liege es sicher nicht: Der überwiegende Teil der Gastronomen habe schon im eigenen Interesse auch vorher gut bezahlt. Vielleicht herrsche immer noch die Angst vor einem nächsten Lockdown vor, die viele potenzielle Bewerber davon abhielte zurückzukehren.