Corona in Kölner Pflegeheimen„Ein kompletter Aufnahmestopp wäre eine Überreaktion“
- Die Zahl der Corona-Todesfälle in Pflegeeinrichtungen für ältere Menschen nehmen in Köln zu.
- Die Rundschau hat mit Pflegeexperte Prof. Dr. Michael Isfort vom Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung in Köln gesprochen.
- Isfort befürchtet viele Infizierte und möglicherweise weitere Todesfälle in Seniorenheimen.
Köln – Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation in den Kölner Heimen?Das muss man von Fall zu Fall sehen, schließlich gibt es 108 vollstationäre Einrichtungen. Aber in den Einrichtungen, in denen sich jetzt die Corona-Fälle häufen, ist es eine extrem problematische Situation.
Warum?
Weil es darum geht, das Personal zu schützen und die Bewohner zu separieren, um die Infektionsketten zu durchbrechen. Sonst werden in kurzer Zeit sehr viele hochbetagte Einwohner sich infizieren und möglicherweise daran sterben. Um das zu verhindern, greifen jetzt die verpflichtenden Pandemie-Pläne.
Zur Person
Prof. Dr. Michael Isfort, 50, ist stellvertretender Vorsitzender des geschäftsführenden Vorstands am Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung in Köln. Das Institut gehört zur Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen. Isfort ist selbst ausgebildeter Krankenpfleger, Pflegewissenschaftler und Professor für Pflegewissenschaft und Versorgungsforschung.
Was fordern Sie?
Die stationären Einrichtungen und ambulanten Dienste müssen besser mit Schutzausrüstung ausgestattet werden. Und das systematische Testen der Mitarbeiter ist eine absolute Notwendigkeit, das muss jetzt Priorität genießen. Die vergangenen 14 Tage haben wir in Deutschland die intensivmedizinische Versorgung in den Krankenhäusern hochgefahren, das ist aber vom Ende her gedacht. Es muss präventiv gedacht werden und deshalb in der zweiten Phase der Fokus auf die vollstationären Einrichtungen und die ambulanten Dienste gelegt werden.
Was halten Sie von einem generellen Aufnahmestopp in den Heimen?
Gar nichts. Zum Osterfest beispielswiese fahren viele der Pflegekräfte, die sich um die Menschen zu Hause kümmern, in ihre Heimat, beispielsweise nach Polen oder Rumänien. Und der Nachschub an solchen Kräften stockt gerade erheblich. Dann muss es möglich sein, pflegebedürftige Menschen in die Heime bringen zu können. Ein kompletter Aufnahmestopp wäre eine Überreaktion, in ganz vielen Einrichtungen liegen aktuell keine Probleme vor.
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Wie ist der Pflegemarkt aufgestellt? Gibt es eine stille Reserve, also Berufsaussteiger oder Umsteiger, auf die Heime schnell zurückgreifen können?
Dazu gibt es keine verlässlichen Zahlen, weil Deutschland anders als andere Länder kein zentrales Register hat. Die sogenannte stille Reserve zu aktivieren, halte ich ebenfalls für Aktionismus, so einfach funktioniert Pflege nicht. Vielmehr sollten Teilzeit-Kräfte oder geringfügig Beschäftigte ihr Stundenkoto erhöhen, wenn das geht. Es handelt sich oft um eingespielte Teams, das wäre besser. Aber dafür müssen sie eben vernünftig geschützt werden, das muss jetzt Priorität haben. Wir hatten schon vor Corona eine Pflegekrise, die wird jetzt nur noch viel deutlicher.
Wie isoliert man demenzkranke Bewohner?
Das ist schwierig. Einerseits lässt sich bei ihnen die Kontaktsperre untereinander nicht aufrechterhalten. Und andererseits helfen viele Angehörige im Heimalltag mit, etwa beim Essen, das kann schon mal eineinhalb Stunden dauern. Das ist eine große Herausforderung, diese Situation zu meistern.
Wie ist es um den Gesundheitszustand und die Lebenserwartung von Senioren in Pflegeeinrichtungen bestellt?
In den vergangenen Jahren hat sich der Einzug in die stationären Einrichtungen verschoben, mittlerweile sind die Menschen so Mitte 80 und haben die entsprechenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Sie sind hilfsbedürftiger als vor 15 Jahren.
Muss man sich deshalb auf eine Vielzahl von sogenannten Corona-Toten in den Heimen einrichten?
Das ist zu befürchten, wenn es nicht gelingt, die Menschen zu schützen. Dann könnten in Pflegeeinrichtungen mehr Menschen an Corona sterben als in Krankenhäusern. Wichtig bei der Einordnung ist aber, ob die Menschen mit oder an dem Virus gestorben sind – was für die Hinterbliebenen natürlich unabhängig davon immer schlimm ist.