Zeitenwende beim Zentral-Dombau-Verein: Mit Barbara Schock-Werner sitzt erstmals eine Präsidentin dem ZDV vor. Und sie macht ein wichtiges Versprechen.
Die Frau für den Kölner DomBarbara Schock-Werner ist erste ZDV-Präsidentin
Mit „Pomp and Circumstances“, dem weltberühmten Ohrwurm des britischen Komponisten Edward Elgar, stimmte das Blechbläserensemble des Gürzenich-Orchesters passend auf den wohl wichtigsten und spannendsten Tagesordnungspunkt bei der turnusgemäßen Hauptversammlung des Zentral-Dombau-Verein zu Köln (ZDV) ein: Wahl der Mitglieder für den Gesamtvorstand. Dieser besetzte unmittelbar daran anschließend aus seinen Reihen das Präsidentenamt. Als dieser ebenso formale wie feierliche Vorgang abgeschlossen war, mutete es schon fast wie eine Proklamation an, als Rüdiger Fuchs, der Secretär (die bis heute so geschriebene Form dieser Funktion) ausrief: „Habemus Präsidentin, wir haben eine Präsidentin.“ Die ist bei dem Verein mit seinen rund 17 500 Mitgliedern wahrlich keine Unbekannte. Professor Barbara Schock-Werner, die von 1999 bis 2012 als erste Frau das Amt des Dombaumeisters bekleidete, steht in den kommenden vier Jahren als erste Frau an der Spitze des ZDV.
Ohne ZDV stünde der Dom nicht gut da
Seit seiner Gründung finanziert er rund 60 Prozent der Kosten für die Bau- und Erhaltungsmaßnahmen am Kölner Wahrzeichen. Dass die Architektin und Kunsthistorikerin an die Spitze rückte, hatte der Gesamtvorstand im August „unter der aufschiebenden Bedingung“ empfohlen, dass die 77-Jährige bei der Hauptversammlung zunächst auch tatsächlich in den Gesamtvorstand gewählt wird. Für diese Wahl war den Vereinsmitgliedern im Vorfeld eine Kandidatenliste mit den Namen von 18 Personen zugegangen. In einer Blockabstimmung bestätigten bei einer Gegenstimme und wenigen Enthaltungen die etwa 1200 in der Philharmonie anwesenden Vereinsmitglieder alle Kandidaten, die neu oder erneut in den Gesamtvorstand einzogen.
Schock-Werner folgt auf Michael Kreuzberg (66), der das Amt 2018 vom heutigen Ehrenpräsidenten Michael Hoffmann übernommen hatte. Der ehemalige Landrat des Rhein-Erft-Kreises war im Mai dieses Jahres aus gesundheitlichen Gründen mit sofortiger Wirkung zurückgetreten. Bis zur Hauptversammlung mit der Wahl seiner Nachfolgerin leitete gemäß des vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. (1795 bis 1861) genehmigten Statuts der allein handlungsbevollmächtigte Secretär die Geschicke des Vereins.
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Am Puls der Zeit
Rüdiger Fuchs dankte in seinem Geschäftsbericht über die vergangenen drei Jahre dem 14. Präsidenten, der „keine leichte Amtszeit hatte“. Die Corona-Pandemie, die Missbrauchsfälle in der Kirche sowie der Ukraine-Krieg wirkten sich auch auf die Tätigkeit des überparteilichen, unabhängigen und überkonfessionellen Vereins aus. Was mit Michael Kreuzberg stets verbunden bleibt: In dessen Amtszeit wagte der gemeinnützige, juristisch gesprochen: altrechtliche Verein den Schritt in die Digitalisierung. Mit dem Verkauf digitaler Kunstwerke (NFTs) vom Westportal, das als europaweit umfangreichste Baustelle in elf Jahren Restaurierungsarbeit im vergangenen Jahr wieder enthüllt werden konnte, „zeigte sich der ZDV am Puls der Zeit und bekam durch die damit verbundene riesige mediale Aufmerksamkeit extrem gute Werbung“, so Rüdiger Fuchs.
„Ein Gefühl und Herzensort“
Für die Unterstützung des Vereins insgesamt und jedes Mitglieds im Einzelnen dankte auch Henriette Reker. Die Oberbürgermeisterin, die aufgrund ihres Amtes geborenes Vorstandsmitglied ist, nannte den Dom in ihrer Videobotschaft „nicht nur ein Wahrzeichen, sondern ein Gefühl und einen Herzensort der kölnischen Seele“. Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki, ebenfalls geborenes Mitglied des Vorstands, war nicht anwesend. Peter Füssenich, in seiner Funktion als Dombaumeister gleichfalls geborenes Vorstandsmitglied, erläuterte in seinem mit zahlreichen Bildern anschaulich versehenen Vortrag, wie das Geld für die Baumaßnahmen am UNESCO-Weltkulturerbe investiert wird.
Domkapitular Markus Hofmann, der den abwesenden Dompropst Guido Assmann vertrat, hob in seinem Grußwort hervor: „Es geht darum, einen Ort zu bewahren, der uns etwas zu sagen hat und über uns hinausweist.“ Er erinnerte an die Kölner Bürger, die vor über 180 Jahren den Verein gründeten, weil sie überzeugt waren, dass „es an uns ist, den Dom zu vollenden“. Heute sei es an uns, so Hofmann, ihn zu erhalten. Immer wieder wurde im Verlaufe der Versammlung das Engagement der Kölner Bürger für ihre Stadt hervorgehoben. Michael Hoffmann nannte den ZDV einmal treffend „die wohl älteste Bürgerinitiative der Welt“.
Die neue Präsidentin stellte in ihrer Rede klar: „Köln ist eine Bürgerstadt, und die Stadt und der Dom brauchen den ZDV.“ Barbara Schock-Werner verwies in dieser Hinsicht auf die seit dem Mittelalter bestehenden Traditionen, die auch für den Dom stets eine große Rolle gespielt haben. Unter anderem an diese Traditionslinie möchte sie in ihrer Amtszeit bis zur nächsten Hauptversammlung in vier Jahren wieder anknüpfen und neue Mitglieder gewinnen. Durch die Umstände der vergangenen Jahre sei es um den ZDV ruhiger geworden. „Das müssen wir ändern.“
Aus ihrer Sicht müsste der Besuch eines jeden Kölners im Dom oder derjenigen, die hier lebten und Freunden, Verwandten oder auswärtigen Gästen die Kathedrale zeigten, eigentlich stets mit einer Mitgliedschaft im ZDV (schon ab 20 Euro Jahresbeitrag möglich) verbunden sein. Zudem appellierte sie an die Mitglieder, ihre emotionale Verbundenheit mit dem Dom und dem ZDV auch deutlich zu zeigen und das Vereinsabzeichen – einen kleinen goldfarbenen Dom – im Revers oder Knopfloch zu tragen. Zudem wolle sie das Engagement der Mitglieder stärker würdigen. In Zusammenarbeit mit der Dombauhütte solle es daher spezielle Veranstaltungen nur für ZDV-Mitglieder geben. Spezielle Führungen oder Programmangebote plant die neue Präsidentin auch für die Gruppe der unter 25-Jährigen. Junge Mitarbeiter oder Lehrlinge der Hütte sollen dabei eingebunden werden, um junge Menschen für den Dom und damit verbunden für den ZDV zu gewinnen.
Kein Eintrittsgeld am Dom
Eine Besonderheit ist auch, dass mit Barbara Schock-Werner erstmals jemand ins Präsidentenamt gewählt wurde, der zuvor das Amt des Dombaumeisters innehatte und damit mit der Struktur und den Arbeitsabläufen der Kölner Dombauhütte besonders vertraut ist. Die Präsidentin freut sich ausdrücklich auch auf die weitere Zusammenarbeit mit Peter Füssenich, ihrem Nachfolger als Dombaumeister. Unmissverständlich stellte sie klar: „Eintrittsgeld für den Besuch des Domes darf es nicht geben, das muss vermieden werden.“ Sie machte zugleich aber auch deutlich: „Der Besuch des Domes ist nur möglich, wenn sich viele engagieren.“