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Serie „Babylon Köln“Wie die Ménage-à-trois einer Kölnerin blutig endete

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Schwarz-weiß-Foto des Ausstellungsgebäudes. Unterschrift: „Köln a.Rh., Ausstellungsgebäude.“

Ausstellungen in Köln zogen in den 1920 Jahren viele Besucher an. Nicht zuletzt eine sogenannte „Jahrtausendausstellung“.

Unternehmerin Angelika Glaßmann war bekannt für ihre Vorliebe für Schmuck und junge Männer. Die wurde ihr in den 20er-Jahren zum Verhängnis. Ein neuer Teil unserer Serie.

In die neue Messe am Rheinufer in Deutz lud Köln ab dem 15. Mai 1925 zur Jahrtausendausstellung. Als Reaktion auf die unverhohlene Unterstützung von Teilen Frankreichs gegenüber separatistischen Tendenzen im Rheinland, waren einige national gestimmte Wissenschaftler in die Archive und in sich selbst gegangen und hatten festgestellt, dass das Rheinland eine zutiefst deutsche Region sei. Und das seit nunmehr genau tausend Jahren.

Als Datum herangezogen wurde nämlich das Jahr 925, in dem sich Herzog Giselbert von Lothringen der Herrschaft Königs Heinrich I. unterworfen hatte. Dieses letztlich doch eher unverhoffte Jubiläum sollte nun allenthalben groß gefeiert werden. Besonders groß fielen die Festivitäten jedoch in Köln aus. Hier hatte man in den neuen Messehallen trotz überaus kurzer Vorbereitungszeit über zehntausend Objekte zusammengetragen – teils allerdings nur als Kopie, Fotografie oder Modell. Die Ausstellung sollte ein immenser Erfolg werden. Etwa 1,4 Millionen Besucher kamen bis zu ihrem Ende am 15. August 1925, um sich all die Objekte und Fotografien, Modelle und Gipsabdrücke, die Grafiken und Pläne anzuschauen. Bei all dem Trubel und den Sensationen ging ein spektakulärer Prozess, der kurz nach Ausstellungseröffnung, am 23. Mai 1925, vor dem Kölner Schwurgericht verhandelt wurde, fast unter.

Inhaberin eines Weinhauses in der Richmodstraße

1919 hatte Angelika Sartory das alte Weinhaus Richmodis, Richmodstraße 5, übernommen und nach kurzer Renovierung neu eröffnet. Täglich sorgte hier ab 16 Uhr eine Salonkapelle für Musik. Frisch geschieden war Angelika Sartory damals von Franz Sartory. Selbst war sie als Angelika Glaßmacher geboren worden und wollte nun in Zeiten, da die Frauen vor dem Gesetz endlich völlig gleichberechtigt waren, ihre Unabhängigkeit ausleben. Dabei umgab sich die Wirtin, die ein Faible für ausgefallenen und auffallenden Schmuck hatte, gerne mit jüngeren Herren. Als Geschäftsführer und Barmeister ihres Weinhauses engagierte die Prinzipalin etwa den am 20. Oktober 1894 in Vanikum bei Rommerskirchen geborenen Josef Helmig und bezeichnete ihn öffentlich als ihren Bräutigam. Näher kam sie sich jedoch auch mit ihrem Chauffeur, dem noch jüngeren, 1900 im oberfränkischen Walsdorf geborenen Stefan Spohr. Das führte unter den jungen Herren zu Eifersucht und öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzungen.

Seine Darstellung erscheint jedoch unglaubwürdig.
Polizeipräsident Zörgiebel

„In der Nacht vom 10. zum 11. Dezember 1924 hat der Geschäftsführer des Weinrestaurants Sartory, Helmig, dem Chauffeur Spohr in dem Hause Richmodisstraße 5 mehrere Messerstiche beigebracht“, berichtete Polizeipräsident Karl Zörgiebel dem Regierungspräsidenten Sigmund Maria Graf Adelmann von Adelmannsfelden. „An den Folgen dieser Verletzungen ist Spohr im Bürgerhospital, wohin er überführt worden war, gestorben.“

Das Wirtschaftsleben nahm in den 1920 Jahren wieder Fahrt auf. Die Einkaufsmeilen waren gut besucht.

Das Wirtschaftsleben nahm in den 1920 Jahren wieder Fahrt auf. Die Einkaufsmeilen waren gut besucht.

Helmig war nach reichlich Alkoholkonsum heim in die in der zweiten Etage über der Wirtschaft befindliche Privatwohnung der Sartory gekommen, wo es jedoch zum Streit gekommen war. Nachdem Helmig fand, dass er mit der Sartory abgerechnet habe, verließ er die Wohnung. Im dunklen Treppenflur jedoch stieß er mit Chauffeur Spohr zusammen. Helmig will geglaubt haben, ein Einbrecher stehe vor ihm, der ihn beim Heraustreten anfalle, sodass er sich habe verteidigen müssen. Erst als sein Gegenüber verletzt die Treppe hinuntergelaufen sei und „Krankenwagen“ gerufen habe, habe er die Stimme des Chauffeurs wiedererkannt.

„Seine Darstellung erscheint jedoch unglaubwürdig“, urteilt Polizeipräsident Zörgiebel. Spohr nämlich war lediglich mit Hemd und Hose bekleidet und offenkundig in dieser Aufmachung auf dem Weg zu Frau Sartorys Schlafzimmer. Auch andere Aussagen aus den sich über zwei Tage erstreckenden, mit zahlreichen und umfangreichen Zeugenvernehmungen angereicherten, Gerichtsverhandlung legten mehr als nahe, dass Helmig über die Identität des vermeintlichen nächtlichen Einbrechers und dessen wahrscheinliche Absicht wohlunterrichtet gewesen sei. Entsprechend habe er den Zufall des nächtlichen Zusammenstoßes willig zur Kühlung seiner Rache benutzt.

Helmig brachte seinem Rivalen mit einem dolchartigen Messer mehrere Stiche in die Brust, den Rücken, Leib und in einen Arm bei. Der verletzte Spohr flüchtete in sein Zimmer, das er im selben Haus hatte, und wurde kurz darauf von der Feuerwache, die der offenkundig wieder zur Besinnung gekommene und vom schlechten Gewissen geplagte Geschäftsführer eilends benachrichtigt hatte, ins Bürgerhospital gebracht. Helmig wurde umgehend festgenommen. Spohr starb gegen 20 Uhr am Abend des folgenden Tages am erlittenen großen Blutverlust.

Anklage auf Mord

Die Staatsanwaltschaft ging von vorsätzlichem und wohlüberlegtem Totschlag aus und erhob Anklage auf Mord. Weil eine Überlegung aber nicht nachweisbar war, ließ der Staatsanwalt diese Anklage fallen, nicht aber den Vorwurf des Vorsatzes, und beantragte wegen Totschlags unter Verneinung mildernder Umstände 15 Jahre Zuchthaus.

Das Kölner Schwurgericht indes bezweifelte beim Prozess in Köln am 23. Mai 1925 den Vorsatz an. Die Geschworenen erkannten nur auf Körperverletzung mit tödlichem Ausgang. Helmig wurde zu einer Zuchthausstrafe von sieben Jahren verurteilt.