Ottilie Luise Röseler und Wilhelm Schorn hätten in den Zeiten des Ersten Weltkriegs besser nie zueinandergefunden. Immer mehr Gewalt gab es – bis zu einem grausamen Höhepunkt.
Serie „Babylon Köln“Während Ottilie ihrem Vergnügen nachging, erwürgte Wilhelm eiskalt die Kinder
Ein Jahr lang hatten der Kutscher Wilhelm Schorn und Ottilie Luise Röseler, geborene Böhmer, in chaotischen Kriegszeiten in wilder Ehe zusammengelebt. Als sich das Paar 1917 kriegstrauen ließ, war es für beide die zweite Ehe. Ihr Sohn war bereits im September 1916 geboren und nach dem Vater auf den Namen Willy getauft worden. Ottilie wiederum hatte aus ihrer ersten Ehe die Tochter Sophie mitgebracht.
Kurz nach der Trauung ging es für den 1876 in Köln geborenen Wilhelm Schorn als Soldat nach Serbien. Dort wurde er verschüttet und erkrankte an der Malaria. Nach Kriegsende, Köln war schon unter der Regentschaft der Briten, lag Schorn in einem Kölner Lazarett. Hier soll ihm hinterbracht worden sein, dass seiner Frau nicht zu trauen sei. Nicht zu reden davon, dass Ottilie unangemessen viel auf elegante Kleidung halte.
Leben im Vringsveedel in Köln unter einem schlechten Stern
Getuschelt wurde vor allem über ihr Verhalten in sittlicher Beziehung. Die Nachbarschaft habe ihm bald von diesem, bald von jenem Liebhaber erzählt. Auch Männer der englischen Besatzungsmacht seien darunter gewesen, habe man ihm zugetragen. Und ihr früherer Ehemann, der Kölner Arbeiter Reinold Röseler, schilderte sie jedem, der es hören wollte, als recht unsaubere Person, die nur das Kaffeehaus und Kino verehre.
So stand das Zusammenleben in ihrer Wohnung im Vringsveedel, Severinswall 24, unter keinem glücklichen Stern. Ständig kam es zu Auseinandersetzungen. Wilhelm Schorn warf seiner Gattin vor, dass sie sich mit Soldaten abgebe. Die Frau wiederum behauptete, dass Schorn, weil er zu faul zum arbeiten sei, sie zur gewerbsmäßigen Unzucht aufgefordert habe. Der Ehestreit eskalierte am Freitag, dem 15. August 1919. Eine geharnischte Auseinandersetzung habe er mit seiner Gattin gehabt, gab Schorn später zu. Frühere Eheirrungen habe er ihr verziehen, jedoch erklärt, dass dies aufhören müsse. Dann aber sei sein Weib wieder hochaufgedonnert ausgegangen. Angeblich zu einem Spaziergang mit ihrer Schwester. Aber er habe der Sache nicht getraut.
Ein Wort ergab das andere. Und irgendwann hatte Schorn seine Frau zu Boden geworfen, gewürgt und sie mit dem Kopf gegen das Bett geschmettert, sodass ihr das Blut aus Mund und Nase geflossen sei. Von ihren Hilfeschreien alarmiert waren Hausbewohner herbeigeeilt. Diese rissen Ottilie aus den Händen ihres Ehemannes und nahmen sie mit in ihre Wohnung, wo sie ohnmächtig zusammengebrochen war. Wieder bei Sinnen sei sie zu ihrem Bruder geflüchtet.
Ehemann bereits wegen Totschlags verurteilt
Die Kinder jedoch blieben zurück. Obwohl Schorn als gewalttätig bekannt war. Vor dem Krieg hatte er bereits vier Jahre wegen Totschlags im Gefängnis verbracht. Zeugen sollten aussagen, dass er die Kinder zuvor bereits während der ehelichen Streitigkeiten ins Spiel gebracht hatte. Er werde die Kinder kalt machen, soll er wiederholt gedroht haben.
Am Sonntag, dem 17. August 1919, lag Schorn lesend in der Wohnung auf dem Bett, als die beiden Kinder, das Mädchen sieben, der Junge fast vier Jahre alt, ihn um 15 Groschen gebeten hatten. Für den Eintritt ins Hänneschen-Theater. Nachdem er ihnen das Geld gegeben hatte und sie weggegangen seien, habe er dann, sollte er später behaupten, einen Malariaanfall bekommen, der ihm den Verstand getrübt habe.
Gewalttätiger Vater erwürgte Kinder nach dem Essen
Als Sophia und Willy gegen 17.30 Uhr vom Hänneschen-Theater wieder nach Hause zurückgekehrt waren, briet ihnen der Vater Kartoffeln. Nach dem Essen nahm Willy Schorn seine siebenjährige Stieftochter auf den Schoß und erwürgte sie. Der kleine Willy, der kommenden Monat seinen vierten Geburtstag feiern sollte, merkte wohl gar nicht, was sich Furchtbares vor ihm abspielte, und stand während des Mordes ruhig unter seinem Vater. Sophias Leiche legte Schorn aufs Ehebett. Dann ergriff er seinen Sohn und tat, wie er sagte, „mit ihm dasselbe wie mit dem Sophiechen“.
Wilhelm Schorn faltete den auf dem Ehebett nebeneinandergelegten Leichen die Hände und deckte sie mit einem weißen Leintuch zu. Obenauf legte er zwei Sträuße. Eigentlich habe er sich nun mit dem am Bettpfosten baumelnden Leintuchstreifen aufhängen wollen. Er entschied sich jedoch dagegen. Gegen 11 Uhr erwartete er die Rückkehr seiner Ehefrau. An deren Schmerz habe er sich weiden wollen, sagte er später vor Gericht.
„Da liegen deine Kinder. Du hast die Schuld“
Als Ottilie am Sonntagabend, dem 17. August 1919, in die Wohnung zurückkehrte, empfing sie Schorn in der Haustür. Sie solle mit ihm hinaufgehen, meinte er zu seiner Ehefrau, er tue ihr nichts. Als sie ins gemeinsame Schlafzimmer trat, meinte Schorn: „Da liegen deine Kinder. Du hast die Schuld.“ Ottilie schlug das Laken zurück und fand ihre erwürgten Kinder. Sie schrie gellend nach der Polizei und brach dann ohnmächtig nieder. Da stürmten bereits Nachbarn in die Wohnung, denen Schorn eisig erklärte, indem er auf seine Brust wies: „Hier steht der Mörder. Ruft die Polizei.“ Als diese eintraf, ließ sich Wilhelm Schorn ohne Widerstand abführen.
Am Freitag, dem 23. April 1920, stand Schorn vor Gericht. Auf die Frage, ob er denn während der Tat mit den sich heftig sträubenden Kindern kein Mitleid empfunden habe, antwortete Schorn: „Im Gedenken an die verwilderten halbverhungerten Kinder kam dieses Gefühl keineswegs. Ich musste ihnen oft ein Stück Brot aus dem Lazarett mitbringen.“ Dies blieb jedoch nicht unwidersprochen. Fotografien vom Tatort zeigten anständig bekleidete Kinder. Auch ansonsten sei doch eine mindestens genügende Sorgfalt zu konstatieren gewesen.
Am Ende forderte Staatsanwalt Dahm die Geschworenen auf, entsprechend der Beweise und Gutachten ihren Urteilsspruch als letzte, harte Konsequenz zu fällen. Der Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Statz hingegen nannte die Tat „ein fluchwürdiges, fürchterliches Unglück“. Wer aber als Vater seine Kinder morde, könne das nur im Wahnsinn tun. Und allein schon die Möglichkeit eines Wahnsinnsaktes rechtfertige einen Freispruch. Die Seelen der Kinder bäten um Gnade für den Vater, der von seinem Standpunkte aus ihr Erlöser habe werden wollen.
Die Geschworenen bejahten Vorsatz und verneinten Überlegung. Wilhelm Schorn wurde zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt, zuzüglich zehn Jahren Ehrverlust. Schorn erkannte das Urteil sofort an.