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Rundschau-Serie „Babylon Köln“Den Gatten im Jahre 1919 „endlich“ gemeuchelt

Lesezeit 5 Minuten
Englische Truppen im Rheinland

Englische Truppen paradieren durch Köln. Vor allem eine Gerichtsverhandlung nach Ersten Weltkrieg sorgt für Aufsehen.

Einmal noch konnte er seiner kaltblütigen Frau entgehen. Doch dann war Heinrich Joses Gymnich dran. Zusammen mit dem Sohn erwürgte Katharina Gymnich ihren Mann. Mit dem Versuch, es als Selbstmord darzustellen, scheitere sie. Ein neuer schauriger Fall unserer Serie.

Nur zwölf Meter tief musste man graben. Dann stieß man im linksrheinischen Kreis Bergheim schon auf Braunkohle. Bis zu 75 Meter dick war die Schicht, die im Tagebau Ville abgebaut werden konnte. Mochte auch mittlerweile die englische Militärregierung in der Region das Sagen haben und die Bevölkerung mit ihren teils nur schwer verständlichen Verordnungen und Bußgeldern drangsalieren – wenigstens ließ sich bei der Vereinigten Ville weiterhin Geld verdienen.

Hier als Grubenarbeiter angestellt war auch Heinrich Josef Gymnich, der am Abend des Samstags, 13. Dezember 1919, von der Grube durch den Wald heim nach Brüggen ging. Was er nicht wusste: Seine Frau, die 45 Jahre alte Katharina Gymnich, plante, ihn „endlich“ auf dem Heimweg im Wald zu überfallen und aufzuhängen. Nur weil in letzter Minute doch noch unvorhergesehene Schwierigkeiten dazwischen kamen, saß Heinrich Gymnich an diesem Abend wohlbehalten am Küchentisch seines Hauses. Dort war er angenehm überrascht, wie ungewohnt liebevoll sich seine Frau heute ihm gegenüber zeigte.

23 Jahre waren sie nun verheiratet. Kennengelernt hatten Heinrich und Katharina sich, während sie als Knecht und Magd auf demselben Gutshof gearbeitet hatten. Zehn Kinder hatte Katharina geboren. Zu diesen war schließlich als sogenannter Kostgänger, der als Untermieter bei der Familie wohnte und gemeinsam mit ihr aß, Kaspar Strang zum Teil des Haushalts geworden. Mit 27 Jahren war er in etwa im gleichen Alter wie der zweitälteste Sohn der Familie. Dass aber die fast zwanzig Jahre ältere Katharina Gymnich ein außereheliches Verhältnis mit diesem Strang hatte, war offenes Tagesgespräch im kleinen Brüggen. Davon war ihr Gatte natürlich keineswegs entzückt. Nachbarn berichteten von ernsten Vorhaltungen, die Heinrich seiner Frau wegen der Beziehung gemacht habe, und dass auch deswegen zu schweren Differenzen zwischen den beiden gekommen sei, gipfelnd in handgreiflichen Zurechtweisungen des betrogenen Ehemanns.

In ihr wuchs glühender Hass

Trotz allem ließ Katharina nicht von Strang ab. Stattdessen wuchs in ihr ein glühender Hass gegen ihren Gatten. Schließlich stand die Entscheidung fest: Ihr Mann musste weg. Gemeinsam mit ihrem Sohn, dem Handlanger Heinrich Gymnich, und Kostgänger Kaspar Strang begann sie, Mordpläne zu schmieden.

Das hätte heute Abend aber niemand ahnen können. Setzte sich Katharina nicht gesellig, fast schon zärtlich zu Heinrich an den Küchentisch? Spielten sie nicht auf ihre Aufforderung hin gemeinsam Domino? Beschwingt von der Hoffnung, dass es mit dem ehelichen Frieden bergauf gehe, ging Heinrich Josef Gymnich tags darauf zur Arbeit, um am Abend arglos in eine Falle zu tappen.

Die anderen Geschwister waren ins Kino gegangen, als der Vater abends müde nach Hause kam und sein Sohn Josef Geld für einen neuen Herd von ihm verlangte. Das Thema war nicht neu. Immer wieder hatte Vater Heinrich abgelehnt, immer wieder hatte es daraufhin Streit gegeben. Darauf rechneten Katharina und ihr Sohn. Sie hatten sich nicht verkalkuliert. Als Gymnich erwiderte, dass er gerade kein Geld habe und auch sonst die Neuanschaffung versagte, brach sein Sohn in ein wüstes Schimpfen aus. Aus dem Streit wurde eine handgreifliche Auseinandersetzung. Vater und Sohn hatten sich gegenseitig gefasst und wälzten sich teils auf dem Erdboden, teils auf dem Bett umher. Während dieses Ringkampfes eilte Katharina hinaus und kehrte mit einem bereitgelegten Strick in der Hand in die Küche zurück. Behende warf sie die Schleife um den Hals ihres Mannes. Dann zog sie mit beiden Händen zu. Gymnich rappelte sich röchelnd auf, doch schließlich sackte er zu Boden. Im Fallen schlug sein Kopf auf die Kante des Backofens. Heinrich Gymnich war tot. Katharina malträtierte den Leichnam mit etlichen Fußtritten. Dann hievten Mutter und Sohn die Leiche hoch und schleppten sie auf den Hof. An einer Leiter hängten sie hier den toten Leib von Heinrich Gymnich auf. Katharina folgte daraufhin ihren anderen Kindern ins Kino. Sohn Josef Gymnich aber ging heim nach Türnich, wo er mit seiner Frau wohnte. Erst im März hatten sie geheiratet. Hier erreichte ihn tags darauf eine Botschaft der Mutter: Sein Vater habe Selbstmord begangen.

Selbstmord diagnostizierte zunächst auch der Totenschein. In Brüggen und Umgebung aber war die Vorgeschichte allzu bekannt, als dass nicht getuschelt worden wäre. Das Wort „abmurksen“ fiel. Aus dem Gedächtnis gerufene böse Reden der Ehefrau erschienen in neuem Licht. Zumal Katharina ihrem Liebhaber unmittelbar nach dem Todesfall forsch nachstellte. „Als ob nichts geschehen sei, holte sie ihn aus einem Hause heraus“, raunten Nachbarn. Schließlich wurden die Gerüchte so laut, dass sie von offizieller Seite nicht mehr überhört werden konnten. Eine neuerliche Obduktion wurde angeordnet. Verschiedene verdächtige Verletzungen fielen diesmal auf. Die Polizei witterte den Mord. Schließlich nahm der Sohn die Schuld auf sich. Später gestand auch die Mutter. Heinrich Gymnich habe aber mit dem Streit begonnen und zuerst angegriffen, so dass es Notwehr gewesen sei.

Erstmals nach dem Krieg wieder die Logen besetzt

Vor allem aus der Bergheimer Gegend rekrutierte sich das Publikum, das gekommen war, um der Verhandlung am Appellhofplatz beizuwohnen. Bei den Plädoyers war der Andrang so stark, dass erstmals seit vor dem Krieg auch die Logen wieder besetzt waren. In anderthalbstündiger Rede zeichnete der Erste Staatsanwalt Dr. Albrecht Wandesleben das Bild eines „Weibsteufelsmilieu“. Tiefe Schauder, ja Grauen habe alle Anwesenden im Saale gefasst über das seltene Maß von verbrecherischem Willen, der Wandesleben zeichnete. Es sei das schwerste Verbrechen gegen die allgemeine Moral und die allgemeinen rechtlichen Anschauungen geschehen, schlimmer fast als es sich Schauderromanschriftsteller in wilder Fantasie nicht ärger ausdenken können, sei doch der Ermordete Gatte und Vater gewesen.

Für nicht erwiesen, dass alles minutiös so geplant gewesen sei, hielten es die Kölner Geschworenen. Sie sprachen Mutter und Sohn am 8. Februar 1921, 23 Uhr, nach anderthalbstündiger Beratung nur des Totschlags schuldig. Allerdings ohne mildernde Umstände. Katharina Gymnich wurde zu fünfzehn Jahren Zuchthaus, ihr Sohn zu zehn Jahren Rheinbach verurteilt. Der Stein des Anstoßes, Kostgänger Kaspar Strang, war eine Beteiligung am Mord nicht nachzuweisen. Er wurde freigesprochen.