Axolotl, Warane, GeckosWie der Kölner Zoo bedrohte Arten schützt
Köln – Er lebt in den Seen der vulkanischen Platte von Mexiko. Reißt ihm ein Raubfisch ein Bein ab, ist das kein Drama. Es kommt ein neues nach. Doch nicht nur das. Auch Organe und Teile seines Gehirns wachsen dem Axolotl neu. Trotzdem ist der mexikanische Schwanzlurch nahezu ausgerottet: Gegen Abwässer, die seinen Lebensraum verschmutzen, ist er machtlos.
„Mit jeder Tierart die ausstirbt, geht wertvolles Wissen verloren“, bedauert Thomas Ziegler, Aquariums-Kurator im Zoo. Jetzt hat der Wissenschaftler, der seit langem für den Schutz bedrohter Arten arbeitet, gemeinsam mit Studierenden der Kölner Uni einen neuen Forschungsansatz entwickelt, der weltweite Beachtung findet. Er wird unter anderem in dem globalen Artenschutz-Portal Species360 vorgestellt, das 36 000 Nutzer in der Zoo- und Artenschutzwelt in 101 Ländern hat. Und das dem Kölner Zoo attestiert, „bemerkenswert führend in Forschung und Artenschutzprogrammen“ zu sein.
Großes neues Potenzial für den Artenschutz
„Mit den Waranen fing alles an“, sagt Ziegler. In seinem Arbeitszimmer mit Blick aufs Aquarium stapeln sich Abschlussarbeiten von Studierenden, Mails aus Vietnam, den USA, England ploppen auf dem Bildschirm auf, während er erklärt. „Meine Reviertierpflegerin Anna Rauhaus und ich haben 2016 dokumentiert, wie viele gefährdete Waranarten in Zoos gehalten und vermehrt werden.“ Es folgte eine ähnliche Studie zu gefährdeten Krokodilarten in Zoos. Dann kam Corona.
Amphibien sind massiv gefährdet
41 Prozent aller Amphibienarten weltweit werden als bedroht eingestuft. Ein weiterer starker Anstieg der Bedrohung sei aufgrund des Klimawandels zu erwarten, so Aquariums-Kurator Thomas Ziegler. „Amphibien sind auf feuchte Lebensräume angewiesen. Und die verschwinden zusehens.“ Nur rund sieben Prozent aller Amphibienarten würden in Zoos gehalten.
Species360 wurde 1974 in Minnesota gegründet. Die Organisation stellt eine Software zur Erfassung der Bestände in Zoos und Aquarien zur Verfügung. Die Mitgliedschaft wird vom Weltverband der Zoos und Aquarien empfohlen und von der Vereinigung der europäischen Zoos und Aquarien vorausgesetzt. Species360 hat die Online-Datenbank ZIMS entwickelt, in der Zoos fortlaufend Tiergeburten und Neuzugänge dokumentieren. Genutzt wird sie etwa, um genetisch entfernte Tiere für Nachzuchten zu finden.
100 Arten, die auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion stehen oder durch andere internationale Abkommen geschützt sind, leben im Kölner Aquarium. Für viele der Amphibien, Reptilien und Fische gibt es Kooperationen mit Artenschützern in den Herkunftsländern. (bos)
Und damit gab es plötzlich ein großes neues Potenzial für den Artenschutz. „Die Studierenden wollten ihre Abschlussarbeiten schreiben. Aber praktische Studien, etwa im Labor, waren nicht möglich“, sagt Ziegler, der an der Universität als außerplanmäßiger Professor jedes Jahr 150 Studierende unterrichtet. Die Idee: Das Vorkommen bedrohter Tierarten in ihren Lebensräumen und in Zoos exakt erfassen und so Lücken im Artenschutz aufdecken, das geht auch von zu Hause aus. Die Amphibien Vietnams wurden als ein Thema vergeben. „Wir arbeiten mit Artenschützern vor Ort seit langem partnerschaftlich zusammen. Sie waren sofort bereit, Daten beizusteuern“, so Ziegler.
Knapp 300 Amphibienarten gelistet
Biologiestudentin Marie Krzikowski machte sich an die Arbeit. Angeleitet und unterstützt von Thomas Ziegler und Anna Rauhaus schulterte sie ein Mammutprojekt. Sie wollte dokumentieren, welche Amphibienarten in Vietnam leben, welche vom Aussterben bedroht sind und welche Arten – wie der Schwanzlurch in Mexikos Seenplatte – nur in einem einzigen Areal vorkommen. „Solche endemischen Arten sind sehr verletzlich. Wenn in ihrem sehr kleinen Lebensraum etwas passiert, können sie schnell aussterben“, sagt Ziegler.
Akribisch durchforstete die 24-Jährige aktuelle wissenschaftliche Publikationen, bittet Organisationen in Vietnam um Hilfe. Und entdeckte Neues. Etwa, dass zahlreiche der 95 endemischen Amphibienarten in Arealen ohne jeden Schutzstatus leben. Andere stehen noch gar nicht auf der Roten Liste der Weltnaturschutzorganisation. Am Ende hatte sie 275 Amphibienarten gelistet und ihre Lebensräume auf Karten festgehalten.
„Welche Lücke können wir füllen?“
Doch damit nicht genug: Jetzt galt es herauszufinden, welche Arten in Zoos gehalten werden. Wieder wurde es extrem spannend. Denn für endemische Lurche und für alle bedrohten Arten, deren Lebensraum nicht geschützt ist, kann es existenziell sein, dass Zoos sich ihrer annehmen. Dass sie Reservepopulationen aufbauen und so das unwiderrufliche Aussterben einer Art verhindern.
Hier konnte Krzikowski auf die ZIMS-Datenbank der Artenschutzorganisation Species360 zurückgreifen, in der 1100 Zoos weltweit ihre Tierbestände registrieren. Sie stellte fest, dass sehr viele bedrohte Amphibien noch nicht in Zoos gehalten werden. Und auch, dass nicht bedrohte Arten verblüffend häufig dort gezeigt werden. „Hier gibt es noch viel Potenzial. Wenn Zoos auf unsere Dokumentationen zugreifen. Sich fragen, welche Lücke können wir füllen?’ und sich entscheiden, gezielt hochbedrohte Arten zu halten“, sagt Ziegler.
Zoos als Archen der Vielfalt der Arten
Damit die Datenbasis schnell größer wird, leitet er derzeit 20 Studierende an, Tierbestände auf Madagaskar, in Myanmar oder Vietnam zu dokumentieren. „Viele wollen mit ihren Arbeiten aktiv zum Artenschutz beitragen“, freut er sich. Doch mit der Uni-Abschlussarbeit ist für Ziegler noch lange nicht Schluss. An den Wochenenden fasst er die Arbeiten so zusammen, dass sie als Artikel in wissenschaftlichen Journalen erscheinen können.
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Durch die exakte Erfassung könnten die Partner in den Ursprungsländern der Arten jetzt zielgenau für den Schutz bestimmter Areale kämpfen, freuen sich Ziegler, Rauhaus und Krzikowski: „Das passiert gerade in Vietnam, auf höchster politischer Ebene.“
Und sei ein Beispiel dafür, wie Artenschutz durch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von Zoos und Fachleuten in den Herkunftsländern gelinge. Solche Erfolge bestärken Ziegler und sein Team, dranzubleiben an ihrem großen Ziel: „Dass Zoos zu Archen werden, die gemeinsam die Vielfalt der Arten bewahren – in Zoos und draußen, vor Ort.“