Anwohner sind empörtAus für Bebauungsplan im Belgischen Viertel in Köln
- Sechs Jahre lang haben Politik und Verwaltung um einen Bebauungsplan für das Belgische Viertel gerungen. Das Ergebnis ist: gar nichts.
- Der Rat zog am Montag einen vorläufigen Schlussstrich. Damit setzt sich der Lärmkonflikt zwischen Anwohnern und Feiernden fort.
- Damit setzt sich der Lärmkonflikt zwischen Anwohnern und Feiernden fort.
Köln – Das war es dann für den Bebauungsplan für das Belgische Viertel. Nach sechs Jahren intensiver Diskussionen hat sich das Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt entschieden, das seit 2016 laufende Verfahren vorerst auf Eis zu legen. Am Montagabend stand dazu der finale Beschluss im Stadtrat an (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe). Zuvor hatte die Mehrheit im Stadtentwicklungsausschuss bereits dafür votiert.
Mit der Entscheidung bleibt weiterhin offen, wie die seit langem schwelenden Konflikte zwischen lärmgeplagten Anwohnern und Nachtschwärmern gelöst werden sollen. Der B-Plan sollte das Wohnen im Viertel schützen und ordnen, wo noch Kneipen und Lokale erlaubt sind. Nach scharfer Kritik von Gastronomen hatte die Politik Änderungen am Entwurf der Verwaltung gefordert, die Stadt hielt diese aber für rechtlich nicht machbar.
Viele Anwohner sind empört
Bei Anwohnern sorgte der Beschluss für Frust und Empörung. „Wir sind enttäuscht und fühlen uns von der Politik im Stich gelassen. Das Verständnis für die Partyszene scheint uns höher zu sein als das für Nachtruhe bedürftige Anwohner“, erklärte Burgel Langer, Vorstand der lokalen Initiative „Querbeet e. V.“. Niemand wolle „dörfliche Ruhe“ im Belgischen Viertel, man gehe selbst gerne mal aus, aber die Aussage „Dann zieh doch weg“ halte man für die falsche Denkweise. Letztendlich sei für die Anwohner kein Schutz in Sicht.
„Jahrelang wurden die immer gleichen Argumente vorgebracht, auch die jetzt wieder genannten Gründe für die Ablehnung des Bebauungsplans waren in der Bürgerbeteiligung vor zwei Jahren bereits ausdiskutiert“, heißt es in einem offenen Brief der „IG Unser Veedel“ an die Mitglieder des Stadtrats. Probleme würden „eher geleugnet als gelöst.
Das könnte Sie auch interessieren:
Grünen-Ratsherr Hans Schwanitz erklärte: „Die Prüfung der Verwaltung hat uns gezeigt, dass ein Bebauungsplan zum jetzigen Zeitpunkt nicht passend ist, um das Veedel mit Blick auf die jüngeren Trends zu gestalten. Wir werden die weiteren Entwicklungen genau beobachten und gegebenenfalls, unter Schutz der bestehenden Strukturen vor Ort, nachsteuern.“ Isabella Venturini (Volt) erklärte, die Konflikte müssten „durch andere Maßnahmen gelöst werden“. Man benötige jetzt „Verständnis auf beiden Seiten für die Bedürfnisse und Rechte der jeweils anderen“. Ralph Sterck (FDP) sagte, der Verzicht auf einen Bebauungsplan sei „ein katastrophaler Fehler und ein verheerendes Signal an die Anwohner“. Ein B-Plan hätte dafür gesorgt, dass sich die Lage nicht weiter verschärfe.
Gestaltungsregeln für Außengastronomie werden ausgesetzt
Ein hitzige Debatte gab es am Montag im Stadtrat zum Thema Außengastronomie. Wirte hatten sich über aus ihrer Sicht zu strenge Kontrollen des Ordnungsamts beschwert, die SPD forderte daraufhin per Antrag mehr Planungs- und Gestaltungssicherheit für die Gastrobranche. Am Ende wurde ein gemeinsamer Antrag mit Grünen, CDU, FDP und Volt beschlossen: Die Regeln des Gestaltungshandbuchs der Stadt, soweit sie sich auf die Gestaltung von Tischen, Stühlen, Sonnenschirmen etc. beziehen, werden vorerst ausgesetzt und sollen bis zum Frühjahr 2023 überarbeitet werden. Bis dahin soll das Ordnungsamt die Gestaltung nicht mehr kontrollieren. Ausgenommen sind Regeln zur Barrierefreiheit. Auch der „Grundsatz der qualitätsvollen Gestaltung des Mobiliars auf öffentlichen Flächen“ soll als Appell an die Wirte weiterhin gelten. Nachdem Christian Joisten (SPD) meinte, die Stadt drangsaliere Gastronomen, sagte Stadtdirektorin Andrea Blome, sie verwahre sich aufs Schärfste gegen Kritik am Ordnungsdienst. Der sei eingeschritten, wenn Wirte ihre genehmigte Fläche massiv überschritten hätten. „Hier geht es nicht um Sitzkissen mit geblümten Maiglöckchen.“
Beschlossen wurde auch, dass Holz aus dem Stadtwald künftig für den Bau von Möbeln für städtische Kitas genutzt werden soll. Das Grünflächenamt soll dazu mit der Kölner Gesellschaft für Arbeits- und Berufsförderung (KGAB) zusammenarbeiten. Die KGAB beschäftigt und qualifiziert Langzeitarbeitslose. Sie ist eine 100-Prozent-Tochter der Stadt und bereits in der Holzverarbeitung tätig. (fu)
Kommentar: Versagen im System
von Jens Meifert
Was für eine schöne Vorstellung: Am Ende rauchen Bürger und feiernde Gäste eine virtuelle Friedenspfeife, und endlich kehrt Frieden ein im Belgischen Viertel. Es ist wohl eher eine Traumreise, die die Volt-Fraktion da unternimmt. Rund um den Brüsseler Platz dürfte sie wie Hohn vernommen werden. Tatsache ist: Mit dem am Montagabend erwarteten Ratsbeschluss endet das sechsjährige Ringen um einen neuen Bebauungsplan ohne jegliches Ergebnis. Das ist vor allem eines: ein Versagen des Systems.
Die Politik hatte den Werkzeugkoffer lange genug geöffnet, um einen Ausgleich im Lärmstreit zu formulieren. Am Ende haben die Gastronomen Druck gemacht, und die Politik hat die Hebel neu angesetzt. Nur konnte da die Verwaltung nicht mitgehen. Damit haben die Anwohner nun gar nichts gewonnen. Ihnen bleibt wohl auch keine Resthoffnung mehr auf eine politische Lösung. Die Debatte ist längst eine quälende geworden – und wird es wohl Jahre bleiben.