Ein warmer Raum und freundliche, zugewandte Menschen. Zu Gast in der Gubbiokirche, einem Zufluchtsort für Kölner und Kölnerinnen ohne Wohnung.
20 Jahre Gubbio in Köln„Hier werde ich so angenommen wie ich bin“
„In Ruhe einen Kaffee trinken, an einem Tisch sitzen und sich unterhalten. Ohne Stress und Streit, darauf achten die Menschen hier. Deshalb“, sagt Andreas, „komme ich her.“ Der 34-Jährige ist einer der 60 Gäste von der Straße, die das Angebot der Obdachlosenhilfe „Gubbio“ an der Ulrichgasse regelmäßig nutzen. Heute sind viele von ihnen gekommen, Franziskanerschwester Christina, Pastoralreferent Stefan Burtscher und die Ehrenamtlichen haben zu Wohlfühlnachmittag eingeladen. Gemeinsam mit ihren Gästen feiern sie das 20-jährige Bestehen des von den Franziskanern begründeten und vom Erzbistum Köln finanzierten Hilfsangebotes. Es gibt Kaffee, Kuchen und Brötchen, ein Kleiderausgabe und später auch einen Friseur, der den Gästen einen kostenlosen Haarschnitt anbietet.
Sichtlich glücklich über das große Angebot an Kleiderspenden ist Tanja R. Die 45-Jährige ist Stammgast, sie kommt zum Bibelteilen, zu den Gottesdiensten, dem monatlichen Glaubensgespräch und zur Lebensmittelausgabe der Tafel in der Gubbiokirche. Wegen ihrer schweren Schizophrenie ist sie nicht mehr erwerbsfähig und Frührentnerin.
„Ich bin sehr gläubig, erfahre hier viel von Gott. Diese Gemeinde ist sehr offen, hier wird man so angenommen, wie man ist“, sagt Tanja. In den Nachmittagsstunden bei Gubbio fühle sie sich sicher und rundum akzeptiert, hier gebe es viel Freundlichkeit und Gespräche. „Das gibt mir Kraft für meinen Alltag, wo das oft nicht so ist“, sagt die 45-Jährige. An einem der eingedeckten gut besetzten Tische taucht Ursi auf, ein Tablett voller warmer Brötchen-Sandwiches und Hefegebäck in den Händen. Großes Hallo am Tisch, „setz Dich doch zu uns!“. „Mache ich, aber ein Blech ist noch im Ofen“, sagt sie lachend. Ursi, Taufname Ursula, ist 52 Jahre alt und hilft mehrfach in der Woche bei Gubbio. Sie kocht in der Lobby, arbeitet ehrenamtlich bei der Obdachlosenhilfe am Breslauer Platz und ist Mitglied von Kölsch Hätz.
Gast Ingo schätzt ihre energische Art als Weckdienst beim Nachtcafe, er nennt sie „unseren Feldwebel“. Im Winterhalbjahr können obdachlose Menschen dreimal in der Woche in der Gubbiokirche übernachten, sie bekommen abends seine warme Suppe und morgens ein Frühstück. Der 50-Jährige erzählt, dass er Tierpfleger ist und lange in seinem Beruf gearbeitet hat. Er hatte eine kleine Wohnung in Rath/Heumar. Das war vor sechs Monaten. Seitdem schläft er unter einer Brücke, den Platz in einem Mehrbett-Hotelzimmer der Stadt hat er aufgegeben. „Da war an Schlaf nicht zu denken, mit einem Alkoholiker einem psychisch kranken Menschen und insgesamt zu viert in einem kleinen Zimmer“, sagt er. Bei seinem Platz unter der Brücke wisse er jeden Abend, was ihn erwarte. Nur wenn es kalt oder sehr nass ist, kommt er ins Nachtcafe. Wieder zu arbeiten, das traut er sich nicht zu. „Das schaffe ich nicht ohne Wohnung“, sagt er. „Man braucht doch nach der Arbeit eine Zuflucht.“
Mehr Menschen mit psychiatrischer Erkrankung obdachlos
„Wir merken, dass es immer mehr Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen oder mit Suchterkrankungen gibt, die auf der Straße leben“, sagt Stefan Burtscher. Um diese Kölnerinnen und Kölner zu erreichen, gehen er und Schwester Christina dahin, wo sie sich tagsüber aufhalten. „Wir machen ihnen einfach Kontaktangebote, manchmal trinken wir einen Kaffee zusammen“, sagt Burtscher. Eine Beziehung zu den Menschen aufzubauen, das ist für beide zentral und wichtig. „Und falls sich unserer Gäste dann entschließen, einen Arzt zu besuchen oder einen Beratungstermin wahrzunehmen, dann unterstützen wir sie dabei und gehen mit, wenn sie das wünschen“, sagt Burtscher.
„Deine Nummer ist gerade dran“, weist sein Nachbar Andreas darauf hin, dass er jetzt an der Reihe ist, sich aus den festen Schuhen und warmen Sachen etwas Passendes auszusuchen. Mit 21 Jahren ist er aus Lettland nach Köln gekommen. „Ich habe hier auf dem Bau gearbeitet, und an vielen anderen Stellen“, sagt er, bevor er zu Kleiderausgabe geht. Am Tisch neben ihm sitzt Luigi (Name geändert). Der 72-Jährige lebt seit sieben Jahre auf der Straße, ein unverschuldeter Unfall und die juristischen Folgen hätten ihn aus seinem Leben gerissen, erzählt der gepflegte Mann. Vor zwei Jahren habe er ein „Little home“ bekommen, eine kleine schmale Holzbaracke, in der er seine Sachen lassen und auch schlafen kann. Er sagt, „ich habe Glück gehabt“. Mehr Infos über die Obdachlosenhilfe gibt es unter dem Stichwort „Gubbio“ auf der Internetseite des Erzbistums.