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17 Jahre nach Sanierung des Spanischen BausStadt und Baufirma beenden Prozess

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Dieses Baustellenfoto des Jüdischen Museums („MiQua“) zeigt den Spanischen Bau (M.) neben dem Rathaus (r.), dahinter der Dom.

Köln – Ganz am Ende dieses jahrelangen Streits um viele Millionen Euro muss es am 10. Dezember 2020 schnell gehen, es zählt plötzlich mehr oder weniger jeder Tag. Bezahlt die Stadt der Baufirma Apleona Wolfferts GmbH nicht bis Jahresende die außergerichtliche Einigungssumme von 2,85 Millionen Euro, muss sie noch mal 100 000 Euro mehr zahlen. Dabei zieht sich der Prozess um die Sanierung des Spanischen Baus (siehe Info-Text) schon seit fast 14 Jahren, alleine die Stadt hat für den Prozess mittlerweile 705 000 Euro ausgegeben.

Es ist ein Streit, der zeigt, warum das Bauen von Städten schon mal vor Gericht landet, und warum – aus Sicht der Stadt – Recht haben und Recht bekommen nicht dasselbe ist. Das dokumentieren nicht-öffentliche Unterlagen, die der Rundschau jetzt vorliegen. Es ist ein Lehrstück, was offenbar falsch laufen kann beim Bau der öffentlichen Hand.

Die Sanierung des Denkmals ist ja schon seit 2003 abgeschlossen, unter anderem wurde die Haustechnik erneuert, ebenso die Fenster. Doch die Stadt fürchtete ein Urteil, zudem Berufungen oder sogar den Gang vor den Bundesgerichtshof. All das kann ihrer Meinung nach nochmals acht bis zehn Jahre dauern, also bis 2031 – für ein 2003 beendetes Projekt. Insgesamt 28 Jahre, kaum zu glauben.

Wie kann ein Verfahren so lange dauern?

Die Stadtverwaltung hat es deshalb im Dezember plötzlich eilig, es geht um die 2,85 Millionen Euro – obwohl die Stadt sich im Recht sieht, will sie diese Summe zahlen, schließlich fordert Apleona Wolfferts laut Stadt samt Zinsen mittlerweile bis zu 12,2 Millionen Euro. Die Verwaltung teilt dem Stadtrat angesichts der 705 000 Euro Ausgaben mit: „Die Kosten stehen daher schon jetzt in einem groben Missverhältnis zum Streitwert.“ Deshalb soll der Rat zustimmen – und das tut er auch, das Gremium gibt die 2,85 Millionen Euro für die Firma frei. Endlich Ruhe, 14 Jahre nach Prozessbeginn, 17 Jahre nach Sanierungsende. Aber wie konnte es soweit kommen, wie kann ein Verfahren so lange dauern?

Vor 17 Jahren ist offenbar alles bestens, anlässlich des Sanierungsendes sagt der damalige Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) am 18. Dezember 2003: „Ich danke allen, die an der erfolgreichen Sanierung tatkräftig mitgearbeitet haben.“ Dann nennt er auch die Firma Wolfferts GmbH, sie ist verblieben aus der Arbeitsgemeinschaft Spanischer Bau, die zweite Firma ist zwischenzeitlich ausgestiegen. Wollferts heißt mittlerweile Apleona Wollferts. Ein knapp eineinhalb Jahrzehnte andauernder Rechtsstreit ist bei Schrammas Dankesrede nicht abzusehen. Aber 2006 reicht die Baufirma Klage vor dem Landgericht Köln ein, sie fordert 5,89 Millionen Euro Vergütung, allein 3,69 Millionen Euro, weil sich die Bauzeit von 14 auf 28 Monaten verlängert habe und die Stadt daran schuld sei. So schildert es die Verwaltung.

Im Kern steht die Frage, wie viele Leistungen die Firma laut Vertrag erbringen muss. Die Stadt spricht von einem Globalpauschalvertrag, heißt: Wollferts bekommt die Pläne des Vorentwurfs, saniert und übergibt das Haus schlüsselfertig. Das sieht die Firma offenbar anders, sie hat laut Stadt mehr als 250 sogenannter Nachträge gestellt. Der Begriff steht für ein recht übliches Verfahren bei Bauprojekten: Eine Firma verweist auf den Vertrag und sagt, diese Leistung ist dort nicht erfasst, also will sie dafür Geld. Im Kölner Rathaus gibt es Mitarbeiter, die den Firmen vorwerfen, sich erst über sehr günstige Angebote die Aufträge zu holen und später über die Nachträge quasi durch die Hintertür zu finanzieren. Apleona Wolfferts sagt der Rundschau, man kommentiere Kundenbeziehungen grundsätzlich nicht.

Beide Seiten haben genug

Schließlich tut sich 2011 etwas bei Gericht, es schlägt einen Vergleich vor – nur liegen die Vorstellungen laut Stadt weit auseinander: Sie bietet eine Millionen Euro, die Firma will vier Millionen Euro. Kein Vergleich. Es geht weiter, ein Gutachter soll Beweise sichern in dem Haus, um dem Richter ein Urteil zu ermöglichen. Sieben Jahre später, 2018, muss das Gericht aber den Experten austauschen, es geht um eine mögliche Befangenheit. Es braucht einen neuen Gutachter mittlerweile läuft der Prozess zwölf Jahre. Eine Sprecherin des Gerichts teilt mit, beide Parteien hätten kontinuierlich verhandelt, das Gericht habe das Verfahren immer gefördert.

Dann kommt der September 2020, laut Stadt signalisieren die neuen Chefs von Apleona Wolfferts Verhandlungsbereitschaft, letztlich treffen sich die Streithansel bei 2,85 Millionen Euro. Offenkundig haben beide Seiten genug, zumal die Summe von 5,89 Millionen Euro samt Zinsen jetzt bei 12,2 Millionen Euro liegt. Von den ausgehandelten 2,85 Millionen Euro sind ebenfalls 1,48 Millionen Euro Zinsen, die Summe übersteigt also die reine Bezahlung der Firma.

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Vor allem hat die Stadt ein Problem, sie hat bei den Nachträgen während des Baus 300 000 Euro anerkannt, fürchtet nun, das Gerichte halte deshalb einen „weitaus höheren Betrag“ für gerechtfertigt, der Ausgang ist „äußerst ungewiss“. Deshalb der Vergleich. „Im Ergebnis kann die Stadt Köln mit diesem Vergleich ein seit langem bautechnisch abgeschlossenes Projekt und ein seit 2006 laufendes aufwendiges Gerichtsverfahren mit einer, vor dem Hintergrund der Risiken einschließlich Zinslauf, verhältnismäßig geringen Abfindungszahlung beenden.“ Und nach 14 Jahren herrscht Ruhe, erkauft durch Millionen.