Nach Boateng-ProzessStaatsanwaltschaft erwägt Berufung
Lesezeit 3 Minuten
München/Köln – Regungslos nahm Jerome Boateng im dunkelblauen Anzug und mit goldener Brille das Urteil von Richter Kai Dingerdissen zur Kenntnis, dann eilte er aus dem Gerichtssaal und flüchtete verfolgt von einer Meute Kameraleute in einen schwarzen SUV: Wegen vorsätzlicher Körperverletzung mit Beleidigung ist der Fußballstar in München zu einer Geldstrafe von 1,8 Millionen Euro verurteilt worden. Auch wenn Boateng um eine Freiheitsstrafe herumkam, ist der Ruf des Weltmeisters von 2014 doch arg beschädigt.
Dem langjährigen Star des FC Bayern war von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen worden, seine Ex-Lebensgefährtin während eines Karibik-Urlaubs vor drei Jahren verletzt und beleidigt zu haben. Boateng bestritt die Vorwürfe.
Jerome Boateng muss 1,8 Millionen Euro Strafe zahlen
„Beide sind Opfer ihrer toxischen Beziehung“, führte Staatsanwältin Stefanie Eckert in ihrem Plädoyer aus und forderte anderthalb Jahre Haft auf Bewährung sowie 1,5 Millionen Euro Geldstrafe.
Richter Dingerdissen blieb letztlich unter diesem Strafmaß, da er keine gefährliche Körperverletzung sah, und verhängte eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen - bei einem Großverdiener wie Boateng wurde der Tagessatz auf das Höchstmaß 30.000 Euro festgesetzt, das ergab die auf den ersten Blick gewaltige Summe. Vorbestraft ist der 33 Jahre alte Ex-Nationalspieler damit allerdings nicht.
„Die Gerechtigkeit hat gesiegt“
Die Gegenpartei war mit dem Urteil dennoch zufrieden. „Die Gerechtigkeit hat gesiegt“, sagte die Anwältin der Ex-Freundin. Boatengs Rechtsbeistand Kai Walden äußerte sich nicht.
Die Anklage hatte im Saal A 101 des Münchner Oberlandesgerichts, wo auch schon der NSU-Prozess verhandelt worden war, zuvor unschöne Vorwürfe gegen den frisch zu Olympique Lyon gewechselten Profi erhoben. Bei einem Karibikurlaub auf den Turks- und Caicosinseln kurz nach dem WM-Aus in Russland soll Boateng die Mutter seiner 2011 geborenen Zwillingstöchter mit einer Glaslaterne sowie einer Kühltasche „mit voller Wucht“ gezielt beworfen haben. Danach soll er sie geschlagen und mit den Worten „Hure, Fotze und Schlampe“ beleidigt haben.
Zwei Stunden lang schilderte Boateng im Strafverfahren seine Sicht der Dinge, bestritt die Vorwürfe. Er sei „nicht gewalttätig“ geworden, sagte Boateng, er habe sie „nicht attackiert“. Immer wieder störten Tonprobleme die Verhandlung.
Boateng soll beim Kartenspiel „Skip-Bo“ geschummelt haben. Das sagt eine mitgereiste Freundin der Ex-Freundin, dann eskalierte die Situation. Er habe ein Kissen in Richtung seiner früheren Lebensgefährtin geworfen, sagte Boateng, dabei sei ein Windlicht vom Tisch gefallen und zersplittert. Später sei seine Ex-Freundin aggressiv geworden, habe ihn im Streit mehrmals geboxt und auf der Oberlippe verletzt, die dann blutete. Danach habe er sie geschubst, „aber nicht so doll“.
Seine ehemalige Lebensgefährtin erhob derweil schwere Vorwürfe, sah den Vorfall ganz anders. „Er hat mir mit dem Daumen ins Auge gedrückt, mir in den Kopf gebissen und mich an den Haaren auf den Boden gezogen“, sagte sie. Außerdem habe Boateng sie mit „einem starken Schlag und mehreren leichten Schlägen“ in den Rücken geboxt. „Da ist mir kurz die Luft weggeblieben.“
Nach der Verurteilung prüft die Staatsanwaltschaft eine Berufung. „Wir prüfen derzeit, ob wir Rechtsmittel ergreifen“, sagte Sprecherin Anne Leiding am Freitag. Boatengs Verteidiger Kai Walden hatte einen Freispruch gefordert. Die Frage, ob auch Boateng erwägt, Rechtsmittel einzulegen, beantwortete er bis Freitagfrüh nicht.
Im Sommer 2018 stand Boateng kurz vor einem Wechsel zu Paris St. Germain, der Transfer kam allerdings nicht zustande. Die Fürsorge der beiden Kinder führte in diesem Zusammenhang zu Diskussionen. Die beiden Eltern befinden sich außerdem in einem laufenden Rechtsstreit um das Aufenthaltsbestimmungsrecht der gemeinsamen Töchter, die derzeit bei Boateng leben. (sid/dpa)