Mit Melis Sekmen wechselt erstmals seit 1996 eine Grüne zur Union. Bei der CDU herrscht Freude, aus ihrer alten Partei kommt harsche Kritik.
„Unsolidarisch“ und „Wählertäuschung“Grüne wechselt aus Frust zur CDU – und bekommt heftige Kritik
Nach ihrem Austritt aus der Grünen-Bundestagsfraktion soll die bisherige Grünen-Bundestagsabgeordnete Melis Sekmen schon an diesem Dienstag an der Sitzung der Unionsfraktion im Bundestag teilnehmen. Die 30-Jährige aus Mannheim werde als Gast bei den routinemäßigen Beratungen der CDU/CSU-Abgeordneten dabei sein, hieß es aus Fraktionskreisen in Berlin.
Von den Grünen gibt es derweil scharfe Kritik an Sekmen, die „unsolidarisch und unzuverlässig“ sei und sich auf ihrem Job bloß „ausgeruht“ habe. Die Partei forderte Sekmen außerdem umgehend zum Mandatsverzicht auf.
Grüne wechselt zur CDU: „Sehr gutes Gespräch“ mit Friedrich Merz
Die bisherige Grünen-Abgeordnete hatte am Montag ihren Austritt bei den Grünen und aus der Bundestagsfraktion erklärt – mitten in den politischen Auseinandersetzungen zwischen Union und Grünen vor den wichtigen Landtagswahlen im Herbst.
„Meine Entscheidung ist das Ergebnis eines langen Prozesses“, erklärte Sekmen bei Instagram und bestätigte damit einen entsprechenden Bericht des Nachrichtenportals „Table Media“. Die bisherige Grünen-Politikerin sprach dabei von einem „Schritt nach vorne“ und ergänzte: „Meine Vorstellung darüber, wie und in welchem Stil Politik gemacht wird, hat sich weiterentwickelt.“
Melis Sekmen spricht von „Mitte“ statt „extremen Rändern der Politik“
Sekmen hat türkische Wurzeln – ihr Vater war als Jugendlicher nach Deutschland gekommen. Sie ist in Mannheim geboren und sitzt seit 2021 im Bundestag. Sie habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, erklärte Sekmen nun – und lobte CDU-Chef Friedrich Merz, mit dem sie ein „sehr gutes Gespräch“ gehabt habe.
„Wir müssen Menschen nach ihrem Tun und nicht nach ihrer Herkunft beurteilen“, führte die ehemalige Grüne aus. Genau diesen Geist habe sie im Grundsatzprogramm der CDU wiedergefunden, erklärte Sekmen weiter. Eine Debattenkultur, die „unbequeme Realitäten“ benennt, sei nötig. „Diese Stimmen müssen aus einer starken Mitte und nicht von den extremen Rändern der Politik kommen“, fügte Sekmen an. Ob mit „extremen Rändern“ ihre alte Partei gemeint war, blieb zunächst offen.
Scharfe Kritik an Melis Sekmen von Mannheimer Grünen
Aus der muss sich Sekmen jedoch heftige Kritik gefallen lassen. Der Grünen-Kreisverband Mannheim forderte sie umgehend zum Verzicht auf ihr Mandat auf. „Melis Sekmen ist über die Grüne Landesliste in den Bundestag eingezogen“, hieß es in einer Stellungnahme.
„Wir fordern deshalb, dass Melis Sekmen ihr Bundestagsmandat abgibt, so dass eine andere Person der gewählten Grünen Liste statt ihr im Bundestag vertreten sein kann.“ Auch der Co-Landesschef der Grünen in Baden-Würtemmberg forderte Sekmen zum Mandatsverzicht auf.
Bundestagsfraktion schießt gegen Sekmen: „Ihren Job vernachlässigt“
Auch die Bundestagsfraktion reagiert mit deutlichen Worten auf Sekmens Abgang. „Reisende kann man nicht aufhalten“, zitierte „Tagesspiegel“-Journalist Felix Hackenbruch die Fraktionsvorsitzende Britta Hasselmann. Zuvor hatte die Zeitung bereits über trotzige Reaktionen bei den Grünen berichtet.
Sekmen gelte als „unzuverlässig und unsolidarisch“, heiß es demnach aus der Fraktion. „Melis Sekmen hat sich sehr auf ihrem Mandat ausgeruht und ihren Job als Obfrau zunehmend vernachlässigt. Nun hat sie offenbar Angst, nicht mehr aufgestellt zu werden“, zitierte der „Tagesspiegel“ ein Mitglied der Bundestagsfraktion.
Freude bei CDU-Chef Friedrich Merz über Entscheidung von Sekmen
Kritik an Sekmen wurde derweil auch unter ihrem Instagram-Beitrag laut – in vielen Kommentaren wurde die Politikerin zum Verzicht auf ihr als Grüne erlangtes Bundestagsmandat aufgefordert. Mitunter war auch von „Wählertäuschung“ die Rede.
Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) erklärt unterdessen, die Fraktion freue sich, Sekmen bald als neues Mitglied begrüßen zu können. Die Abgeordnete werde in den nächsten Tagen eine Mitgliedschaft im CDU-Kreisverband Mannheim anstreben. „Mit ihrer Familiengeschichte und ihren Themen verbindet Frau Sekmen vieles, wofür auch die CDU steht. Wir machen Politik für die fleißigen Menschen in unserem Land.“
Der baden-württembergische CDU-Vorsitzende Manuel Hagel erklärte derweil, er habe Sekmen „als absolute Power-Frau kennengelernt. Ihre Vita erzählt eine total authentische und erfolgreiche Aufsteigergeschichte“, wie sie gut zum Land passe.
Dass Abgeordnete die Fraktion wechseln, kommt selten vor. Die Unionsfraktion konnte zuletzt Ende 1996 einen Zugang aus einer anderen Fraktion verbuchen. Damals wechselte die frühere DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld ebenfalls von den Grünen zur Union. Ende vergangenen Jahres trat Lengsfeld, die von 1990 bis 2005 im Bundestag saß, aus der CDU aus. (mit dpa)