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GeisterzugIn Blankenheim macht der Vor-Corona-Prinz einfach weiter

Lesezeit 5 Minuten
Im Geisterzug in Blankenheim sind die Teilnehmer am Karnevalssamstag als Geister kostümiert, der Obergeist sitzt auf dem Pferd.

Die lange Tradition des Geisterzugs wird nach der Corona-Pause in Blankenheim fortgesetzt – mit dem Prinzen, der als Obergeist den Tross anführt.

Der traditionsreiche Blankenheimer Geisterzug ohne Obergeist? Undenkbar! Da kein Prinz gefunden wurde, der dieses Amt übernimmt, bleibt Jürgen Schlemmer im Amt.

Wer reitet das Pferd als Obergeist an der Spitze des Geisterzugs am Karnevalssamstag? Gute Frage, denn im 410. Jahr des Karnevals in Blankenheim hat der veranstaltende Karnevalsverein keinen Prinzen gefunden. Kein Prinz – kein Obergeist?

Andy Poensgen, Vorsitzender des Karnevalsvereins, und Präsident Mike Bruins wissen, wie wichtig der Erhalt der großen jecken Tradition mit ihren Alleinstellungsmerkmalen in Blankenheim ist. „Wer bei uns Prinz wird, der macht es, weil er es gerne tut“, stellt Bruins entschieden fest.

Der Vorstand handelte sich jede Menge Absagen ein

Doch im vergangenen Oktober, als sich Bruins und die Vorstandskollegen nach zweijähriger Corona-Pause wieder auf die Suche nach einer Tollität machten – ohnehin verspätet wegen der Ungewissheiten, wie sich die Pandemie-Regeln entwickeln würden – war klar: Das könnte schwierig werden.

Zwei Karnevalisten sind mit Schal und Mütze ausgestattet und präsentieren den Orden.

Den umgearbeiteten Orden präsentieren Andy Poensgen (l.) und Mike Bruins.

Sie hätten in Gesprächen und bei Hausbesuchen bei potenziellen   Kandidaten nur Absagen bekommen, so Poensgen: Die einen wollten   lieber über Karneval in Urlaub fahren, die anderen hätten gesundheitliche Probleme, weitere schrecke das Pflichtprogramm mit jecken Empfängen, Besuchen bei befreundeten Vereinen oder langen Abenden auf Sitzungen. Auch sei das avisierte Vergnügen einigen schlicht zu teuer. Am Ende stand der Vorstand mit leeren Händen da.

Jürgen Schlemmer ist der jecke Retter und zum zweiten Mal Obergeist

Doch es gibt einen Mann, der den Blangemer Karneval vor der seit 77 Jahren ersten tollitätenlosen Session rettet – weiter reicht die Prinzenchronik der Neuzeit nicht zurück. Es ist ein alter Bekannter: Prinz Jürgen Schlemmer wird als der am längsten amtierende Karnevalsprinz in die Blangemer Geschichte eingehen. Er ist seit 2020 im Amt. Dafür haben die Karnevalisten im Orden von 2020 zusätzlich die Ziffer 23 eingravieren lassen. Prinz Jürgen wird so auch am Karnevalssamstag erneut Obergeist sein.

Und tatsächlich ist er nicht der erste in der jecken Blangemer Historie, der eine zweite Chance bekommt – allerdings ist er der erste aus diesem Grund. „Das gab es seit Beginn unserer Chronik 1946 schon dreimal“, so Bruins. Werner Poensgen war Prinz 1974 und 2012, Werner Johnen 1970 und 1988, Dr. Georg Böcker 2006 und 2016.

Zwei neue jecke Böhnchen haben „Kribbel en dr Botz“

Anderes war verglichen mit der Prinzensuche kein Problem. Der Langzeitprinz hat in seiner zweiten Session nach der Zwangspause zwei neue „Jecke Böhnchen“ dabei. Maximilian Mauel und Lennart Löfgen führen bis Aschermittwoch zum „Juh Jah, Kribbel en dr Botz“-Lied den traditionellen Säbeltanz auf.

Die gewohnte Zoch-Route bleibt, der Baukran kommt nach Aschermittwoch

Für die Blankenheimer Jecken ist damit eine ohnehin schon komplizierte Session erst einmal gerettet. Noch Mitte Dezember war unklar, ob der Rosenmontagszug   überhaupt die gewohnte Route über die Ahrstraße gehen kann. Dort soll vor dem einstigen Konsum, der derzeit saniert und zum neuen Rathaus umgebaut wird,   möglichst bald der Baukran aufgestellt werden. „Bürgermeisterin Jennifer Meuren hat sich dann mit der Verwaltung für uns eingesetzt. Der Kran kommt erst nach Aschermittwoch“, freut sich Mike Bruins. Er lobt Meuren: „Sie setzt sich wirklich für die Vereine und die Feuerwehren ein.“

Für den Geisterzug wäre eine alternative Route ja noch möglich gewesen – doch nicht für die Wagen im Rosenmontagszug. Prinz Jürgen wird dann am Zoch-Ende – ein weiteres Novum – mit einigen seiner Vorgänger aus dem Prinzenwagen die Kamelle unters närrische Volk schmeißen: Der KV hat alle noch lebenden 37 Ex-Prinzen zur Mitfahrt eingeladen. „Zehn haben bisher zugesagt“, so Andy Poensgen.

Prinz Jürgen kann dann noch vorhandene Restorden verteilen, die er – die Tollität ist im bürgerlichen Leben Dachdeckermeister und hat einen Fachbetrieb – vor drei Jahren aus Schieferplatten selbst gebastelt hat. So spart Jürgen I. in seiner zweiten Amtszeit Kosten, die in Blankenheim   für eine Prinzensession bei nicht mehr als 5000 Euro liegen, ist Bruins überzeugt: „Das ist hier nicht Köln, wo es ein Vielfaches kosten würde.“

Künftig ist in Blankenheim eine Prinzessin möglich

Dafür, dass sich die jetzt abgewendete prinzenlosen Session nicht wiederholt, haben die KV-Mitglieder unterdessen gesorgt. In der Jahreshauptversammlung erteilten sie dem Vorstand das Plebiszit, künftig auch eine Prinzessin suchen zu können – das nächste Novum in 410 Jahren Blangemer Karneval. Aber ein Dreigestirn soll es weiter nicht geben. „Das passt nicht zu unserer Tradition“, so Poensgen.


Regeln zum Mitmachen im Geisterzug

Nur ein Kostüm ist zum Geisterzug zugelassen. Das ist schnell und unkompliziert hergestellt. Ein Bettlaken, ein Stück Kordel, etwas weiße Schminke – fertig ist der Geist. Wer unsicher ist, wie die „Geister-Ohren“ an der Stirn richtig gebunden werden, oder wer eine Pechfackel (Kosten: zwei Euro) benötigt, kann sich ab etwa 18.30 Uhr am Karnevalssamstag im Rathaus einfinden. Erfahrene Blankenheimer Geister helfen gerne beim Ausstatten. Neumodisches Jedöns wie Scream-Masken und Co. ist verboten und wird vor dem Start aussortiert.

Der Zug beginnt um 19.11 Uhr. Die Geisterschar zieht vom Rathaus durch die Ahrstraße, dreht im Kreisverkehr und springt den Zuckerberg hinauf. Am Pfarrhaus erwartet der Pfarrer die Geister. Es geht zurück zur Ahrstraße, zur Nepomuk-Figur und schließlich zum Rathaus. Der Zug dauert anderthalb bis zwei Stunden. Zum Abschluss trifft man sich in der Weiherhalle zur Geisterparty.

Kreischen und Heulen kann jeder, zudem wird ein Lied, der Juh-Jah gesungen. Hier der Text zum Üben: Juh Jah, Kribbel en dr Botz. Wä dat net hätt, dä es nix notz! – Juh Jah, Kribbel en dr Botz. De Fassenaach es do! – Ne richtige Fastelovendsjeck Dä freut sich övver jede Dreck. – Juh Jah, Kribbel en dr Botz. De Fassenaach es do! (sli)