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KatastrophenschutzEhemaliger Polizist erstellt für Zülpich ein Blackout-Konzept

Lesezeit 7 Minuten
Die Überlandleitungen sind ein entscheidender Faktor in der Stromversorgung.

Tage oder sogar Wochen könne ein Blackout dauern, sagt Manfred Riediger. Das sei etwa der Fall, wenn Netzbetreiber den Strom zum Erhalt der Netzstabilität regional abstellen. Wie wahrscheinlich das ist, darüber lasse sich nur spekulieren.

Nicht zuletzt durch den Ukraine-Krieg wollen immer mehr Kommunen auf einen möglichen Blackout vorbereitet sein. Dank Manfred Riedigers Notfallkonzept rückt dieses Ziel nun für die Stadt Zülpich in greifbare Nähe.

Bereits im April hat sich der Polizist im Ruhestand bei der Zülpicher Verwaltung gemeldet. Riediger war während seiner Zeit als Experte für Katastrophenschutz beim Landesamt für zentrale polizeiliche Dienste (LZPD) maßgeblich an der Erstellung eines Blackout-Konzepts für die Stadt Brühl beteiligt. Als Zülpicher habe er auch seine Wahlheimat gut auf einen möglichen flächendeckenden Stromausfall vorbereiten wollen – ehrenamtlich. Und so habe er das Brühler Konzept an die Zülpicher Verwaltung übermittelt.

Im Ernstfall handlungsfähig sein

„Wir haben   entschieden, dieses Konzept auf Zülpich anzupassen“, erklärt Bürgermeister Ulf Hürtgen: „Wir hatten in den Vorjahren immer die Situation, dass wir im Winter aus Frankreich Strom dazu kaufen konnten. Das ist in diesem Jahr aber nicht der Fall, da Frankreich gerade kaum seinen eigenen Bedarf decken kann.“ Ein Arbeitskreis habe sich damit auseinander gesetzt, wer im Falle eines längeren Stromausfalls welche Aufgaben übernehmen müsse. „Ziel des Konzepts ist, handlungsfähig im Ernstfall zu sein“, so Hürtgen.

„Grundsätzlich ist der Kreis im Katastrophenfall zuständig“, erklärt Riediger: „Steigt man in die Thematik tiefer ein, erkennt man, dass auch die Stadt handeln muss.“ Darum seien zwei Stabstellen eingerichtet: der Stab für außergewöhnliche Ereignisse (SAE) mit Mitgliedern der Feuerwehr, des DRK, der Polizei und aus der Verwaltung, der im Zülpicher Feuerwehrgerätehaus arbeiten wird. Der Krisenstab im Rathaus wird vom Bürgermeister geleitet und arbeitet dem SAE zu.

Notstromversorgung

„Das Konzept befasst sich mit drei zentralen Problemfeldern“, so Riediger: „Als erstes die Treibstoffversorgung der kritischen Infrastruktur.“ Dafür habe man herausfinden müssen, welche Einrichtungen im Stadtgebiet überhaupt unter die kritische Infrastruktur fallen. „Dazu gehören etwa Verwaltung und Feuerwehr, aber auch Krankenhäuser, Altenheime und vor allem die Trinkwasserversorgung, Kläranlagen oder auch die Müllabfuhr“, erklärt Riediger.

Am Tisch sitzen Paul Karle, Ordnungsamt Zülpich (v.l.), Bürgermeister Ulf Hürtgen, Katastrophenschutzexperte Manfred Riediger und Werner Lorse, ebenfalls vom Ordnungsamt Zülpich.

Haben für das Notfallkonzept zusammengearbeitet: Paul Karle vom Ordnungsamt (v.l.), Bürgermeister Ulf Hürtgen, Experte Manfred Riediger und Werner Lorse, ebenfalls vom Ordnungsamt.

Eine Liste mit 140 Institutionen sei nach wochenlanger Recherche und Kontaktaufnahme entstanden. Für diese müsse eine Notstromversorgung gewährleistet werden. „Wir haben bemerkt, dass viele bereits gut versorgt sind“, merkt Riediger an. Gerade nach der Flut seien zahlreiche Notstromaggregate angeschafft worden. „In gewisser Weise haben wir natürlich einen Vorteil dadurch, dass wir mit der Flut eine Krise gemeinsam durchstanden haben“, sagt Hürtgen dazu.

Die Einrichtungen ohne Notstromaggregate werden durch den Arbeitskreis beraten und unterstützt. „Uns ist wichtig klarzustellen, dass das nicht der Kontrolle dient, sondern wirklich als Beratung gedacht ist“, so Riediger. Mit dem jüngsten Ratsbeschluss habe man einen weiteren Schritt in die richtige Richtung getan. „Wir konnten im nicht-öffentlichen Sitzungsteil beschließen, vier Notstromaggregate anzuschaffen“, verkündet der Bürgermeister. Davon sollen zwei fest installiert im Rathaus und im Forum Zülpich laufen. Zwei mobile Aggregate werden für die Feuerwehrgerätehäuser in Enzen und Sinzenich angeschafft.

Weiter habe man eine zentrale Versorgungsstelle für vulnerable Bürger festgelegt, also Menschen, die etwa auf medizinische Pflege angewiesen sind. „Wir haben das Glück, dass wir einen idealen Ort dafür besitzen, nämlich den Schulcampus“, erläutert Riediger. Auch hier müsse eine Versorgung mit Notstrom gewährleistet werden.

Treibstoff

Aber nur ein Notstromaggregat zu besitzen, reicht nicht für eine längere Versorgung bei einem Blackout. „Nach 24 bis 36 Stunden sind Notstromaggregate in der Regel leer und brauchen neuen Treibstoff“, so Riediger: „Mittlerweile haben wir eine Tankstelle im Stadtgebiet gefunden, die sich bereit erklärt hat, im Falle eines Blackouts die Versorgung zu übernehmen.“ Dort finden   Riediger zufolge die finalen Gespräche statt. Auch kann sich die Tankstelle über ein Notstromaggregat selbst versorgen. Zudem haben sich   zwei Firmen   bereiterklärt, den Treibstoff zu den Aggregaten zu transportieren.

Kommunikation

Ein weiterer Punkt sei die Kommunikation im Stadtgebiet, die etwa für die Feuerwehr und die Polizei sicherzustellen sei, fährt Riediger fort. „Wir haben festgestellt, dass wir eine DMO-Kommunikation gewährleisten können, wenn wir einen Repeater in Form einer Antenne installieren“, erklärt er. DMO ist die Bezeichnung für die netzunabhängige Kommunikation im Digitalfunk (Direct Mode).

Versorgung

Das dritte essenzielle Problemfeld sei die Information und Versorgung der Bevölkerung. „Ein wichtiger Punkt ist   das Einrichten von sogenannten Katastrophen-Leuchttürmen“, erklärt Riediger. Die sollen so bürgernah wie möglich sein. Deshalb hätten die Verantwortlichen dafür die Feuerwehrgerätehäuser   ins Auge gefasst: „Wir haben 24 Ortschaften, davon haben 17 Feuerwehrgerätehäuser“, so Riediger. In den restlichen Ortschen kommen   auch Gemeindehäuser infrage. Die Bürger können im Katastrophenfall dort Informationen zum weiteren Vorgehen erhalten. Weiter wolle man die Zülpicher im Ernstfall über Lautsprecherdurchsagen und falls möglich über das Radio informieren.

Auch die  Information   im Vorfeld ist ein Thema. „Das soll beispielsweise über Flyer, die Homepage oder auch die Presse geschehen“, erklärt Hürtgen. Dabei gehe es nicht um Panikmache, sondern um Sensibilisierung: „Das soll den Bürgern auch ein Stück weit die Sicherheit geben, zu wissen, dass wir im Ernstfall gewappnet sind.“

Lebensmittel

Ein Problem gebe es noch: „Zur kritischen Infrastruktur gehört eigentlich auch die Lebensmittelversorgung“, so Riediger. Alle in Zülpich vertretenen Ketten hab auf die Anfrage des Arbeitskreises geantwortet, dass sie im Falle eines Blackouts die Filialen schließen wollen. „Das Problem sind die gekühlten Lebensmittel. Will man die Kühltheken mit Notstrom versorgen, müssen die Aggregate sehr leistungsfähig sein“, sagt der Experte. Das treibe die Preise in die Höhe. „Wenn die Lebensmittelhändler   bei einem Blackout sofort die Kühltheken ausräumen würden, könnte man einen Betrieb nur mit Konserven und trockener Ware in Erwägung ziehen. Das ist deutlich strom- und kostengünstiger“, so Riediger. Eine Antwort der Supermärkte stehe noch aus.

Checklisten und Vorsorge

Nicht zuletzt seien auch die Bürger gefragt. Beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe gibt’s verschiedene Checklisten, in denen unter anderem erklärt wird, wie viele Lebensmittel für welchen Zeitraum benötigt werden.

Privatpersonen können sich Manfred Riediger zufolge mit einigen Anschaffungen vorbereiten. Essenziell sei es, ein batterie- oder solarbetriebenes Radio zu kaufen. Ausreichend Batterien, Taschenlampen, Streichhölzer, Hygieneartikel, haltbare Lebensmittel sowie eine Hausapotheke sollten vorhanden sein. Fahrzeug-Tanks sollten mindestens halb voll gehalten werden. Zudem sei es ratsam, ein Notstromaggregat zu besorgen sowie über eine Heizung mit Gas- oder Solarbetrieb nachzudenken. (enp)


Wie wahrscheinlich ist ein Blackout?

Wie wahrscheinlich ist so ein Blackout überhaupt? „Dazu gibt es unterschiedliche Meinungen“, sagt Experte Manfred Riediger. Ungünstige Wetterkonstellationen und Unwetter aufgrund des Klimawandels könnten Ursache sein, ebenso etwa Folgen eines Krieges, Sabotage, Angriffe auf Gasleitungen oder Cyberattacken. Zudem spitze sich die Lage durch die fehlenden Gaslieferungen aus Russland zu. Ungeplante Stromausfälle seien häufig innerhalb weniger Stunden oder Tage behoben.

Anders sehe es bei einer geplanten Abschaltung aus, so Riediger: „Wenn wir von einer geplanten regionalen Abschaltung sprechen, um das Stromnetz zu stabilisieren, dann müssen wir mit einer Dauer von ein bis zwei Wochen rechnen.“ Eine regionale Abschaltung geschehe bewusst durch die Stromnetzbetreiber, damit nicht das gesamte Netz bei Engpässen zusammenbricht. Das sei auch beim Wiederhochfahren der Versorgung von essenzieller Bedeutung. Deshalb könne der Betreiber das Netz nicht wieder auf einen Schlag einschalten, sondern nur nach und nach.


Zwei Tage geübt

Zwei Tage haben die Mitarbeiter des Krisenstabs der Stadt Zülpich mit dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) geübt, was in akuten Krisen zu tun ist. Auch die Feuerwehr und Vertreter aus Vettweiß und Mechernich haben sich einer Pressemitteilung der Stadt Zülpich zufolge beteiligt. Paul Karle, Leiter des Zülpicher Ordnungsamts: „Wir haben drei Übungen erhalten, in denen verschiedene Szenarien vorgestellt wurden. Als Team haben wir uns dann überlegt, wie wir in solchen Katastrophenfällen vorgehen könnten.“

Nicht nur die Verhaltensweisen bei einem Blackout seien geprobt und diskutiert worden, auch der Umgang mit anderen Krisen wie der Flutkatastrophe sei Thema gewesen. Zülpichs Bürgermeister Ulf Hürtgen lobte außerdem die Zusammenarbeit der Kommunen, die teilnahmen: „Eine interkommunale Vernetzung kann in Krisensituationen nur von Vorteil sein.“