„Träume haben ihren Preis“Wolf Küper aus Bonn über sein neues Leben in Kapstadt
Herr Küper, die zwei Jahre Auszeit, über die Sie in Ihrem Buch „Eine Million Minuten“ berichtet haben, sind ja nun schon lange vorbei: …
.. und danach war nichts mehr so, wie es vorher war.
Was machen Sie heute?
Mittlerweile leben wir in Kapstadt. Schließlich war das ein langgehegter Traum. Mein Leben hat einen wunderbaren, 13 Jahre währenden Umweg genommen, den ich nicht missen möchte. Deshalb lebe ich hier auch jetzt nicht allein als Karrieremensch, sondern als Vater mit zwei Kindern.
Wie geht es mit den Kindern und vor allem mit Nina?
Sehr gut. Gerade läuft die Einschulung hier in Südafrika. Ein großes Abenteuer für alle.
Waren Sie wieder auf Reisen?
Wir haben noch eine zweite Reise gemacht, allerdings nur 250 000 Minuten lang, finanziert hauptsächlich durch die Bucherlöse. Nach der ersten Million hat es sich allerdings ohnehin so angefühlt, als hätte sich das Leben in eine endlose Reise verwandelt. Manchmal bleibt man zwar länger an einem Ort. Aber selbst Deutschland ist inzwischen für uns eher eine Station als ein Fixpunkt.
Sehen Sie sich als „Alternativer“?
An jedem Ort sind Dinge angeblich alternativlos. Nur ist das lustigerweise in jeder Region der Welt etwas völlig anderes. Also ist insgesamt schon gar nichts mehr alternativlos, jeder Jeck ist anders.
Es gibt aber doch bestimmte Spielregeln, nach denen Leben, Zusammenleben, Überleben funktionieren ...
…genau. Die Schweden wollen nur noch sechs Stunden am Tag arbeiten, bei uns diskutieren Politiker die Rente mit 70. In Spanien ist ab 15 Uhr Siesta, in Korea gibt es zehn Tage Urlaub pro Jahr. Nina hat Tausende mühsame Stunden damit verbracht, handschriftlich schreiben zu lernen. In Finnland ist das Schreiben mit der Hand in den Grundschulen überhaupt kein Thema mehr. Fazit: Ich kann die Regeln meist nicht ändern. Aber mit etwas Glück kann ich wählen, an welchem Spiel ich teilnehme.
Oder man nimmt eben für eine Zeit lang teil.
Die Veränderungen, die unser sogenanntes alternatives Leben ausgelöst hat, sind ein Teil von uns geworden: Eine Million Minuten sind unumkehrbar. Dazu gehört zum Beispiel, zu wissen, dass man jederzeit gehen, aber auch bleiben kann. Selbst wenn wir jetzt vielleicht für zwei, drei Jahre an einem Ort bleiben sollten, machen wir das nicht in dem Gefühl, es gäbe keine Alternativen mehr. Sondern weil es genau das ist, was wir machen wollen.
Also eine Botschaft, eine Mission?
Es gibt ein paar unverzichtbare Zutaten zum Glück, die jeder sofort nennen kann, wie Schmerzfreiheit, Freundschaften, eine ausreichende Versorgung mit Nahrung. Aber obwohl Zeit genauso unverzichtbar ist, wird sie chronisch unterschätzt. Ohne Zeit ist alles nichts – sie ist die Grundsubstanz des Lebens. Man muss doch nur einmal kurz davon ausgehen, dass man – rein theoretisch – nur ein einziges Leben haben könnte. Und dass dieses eine Leben – rein theoretisch – obendrein auch noch endlich sein könnte. Dann sieht man klarer. Carpe diem!
Wo machen Sie Abstriche?
Die Kinder sollen weiterhin die Chance haben, eine vernünftige Schule zu besuchen – wenn es zu ihrem Glück beiträgt und sie wachsen lässt. Das erzeugt sehr schnell viele zeitliche Strukturen, die ich persönlich zum Teil als harte Kompromisse empfinde. Aber es gibt auch viele Vorteile, allen voran der tägliche Kontakt zu anderen Kindern. Das ist ein Problem beim Reisen.
Werden die Kinder in Deutschland einmal klar kommen oder werden sie ständig unterwegs sein müssen?
Sie sollen einfach nur wissen, dass sie die Wahl haben – dann bin ich zufrieden. Was sie daraus machen, ist ihre Sache. Mein Sohn kann Postbeamter in Unterdottenheim werden, Surflehrer auf Tahiti, oder alles dazwischen. Hauptsache, er macht das, was er wirklich will.
Wie finanziert man ein solches Leben?
Ich habe es einmal durchgerechnet: Unsere eine Million Minuten, und das war bislang immerhin eine der besten Zeiten meines Lebens – kosteten etwa 7 Cent pro Minute – insgesamt etwa so viel wie ein neuer Mittelklassewagen. Lustig ist doch, dass sich Millionen Menschen solche Autos kaufen und niemand diese Entscheidung merkwürdig findet. Wenn ich aber den gleichen Kredit aufnehme, um endlich mit meinen Kindern in Echtzeit zu leben, sind viele ehrlich überrascht. Das finde ich wiederum überraschend.
Also alles wunderbar, ohne Probleme …
… es hat einen Preis, wie alle Träume. Ich besitze so gut wie nichts, keine Wertgegenstände, kein Auto, keine Immobilie, ich habe keinen Bausparvertrag und keine Lebensversicherung. Und ich habe keine Karriere. Allerdings habe ich Qualifikationen, mit denen ich jederzeit einen Job finde – das gibt etwas Sicherheit. Zur Zeit arbeite ich an einer Schule in Südafrika.