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Rheinländer Jan RouvenKerpener fasziniert Las Vegas mit seiner Show

Lesezeit 6 Minuten

"Ich wusste immer, das ist mein Ding, die Magie", so Jan Rouven. (Foto: Sebastian Konopix)

Las Vegas – Der XXL-Bohrer, der Jan Rouven in Höhe des Brustbeins wie eine Cocktailzwiebel aufspießt, muss für die ältere Dame vorne rechts ein ziemlicher Schock gewesen sein. "Holy Shit", ruft sie und schlägt erschrocken die Hände vors Gesicht, während ihre Sitznachbarin regungslos ins Dunkel auf der Bühne starrt. Für einen Augenblick herrscht Friedhofsruhe im Tropicana in Las Vegas. Und selbst Menschen im Publikum, die fürs Magische eher unanfällig sind, zerbrechen sich den Kopf darüber, warum sie gerade etwas gesehen haben, was sie ihn Wirklichkeit gar nicht gesehen haben konnten.

Für Jan Rouven, der schon im nächsten Moment mit strahlendem Bubi-Lächeln und unversehrtem Thorax ins Licht der Scheinwerfer tritt und rasenden Applaus einsammelt, müssen diese Sekunden der Genugtuung über die nie versiegende Kraft der Illusion unbezahlbar sein. Zauberische Soll-Überfüllung sozusagen. Bravo. In Rouvens Fall: Bravissimo. Mit seinen 33 Jahren schickt sich der in der Nähe von Kerpen geborenen Rheinländer in der Wüste Nevadas gerade an, als erster Deutscher nach den vom Biss eines Schneetigers aus der Erfolgsbahn geworfenen Giganten Siegfried & Roy einen gewaltigen Fußabdruck zu hinterlassen.

Schon das Riviera war kein Hinterhoftheater. Elvis Presley hat hier gesungen, der echte, Barbra Streisand auch. Drei Jahre lang hat Jan Rouven hier den Laden Abend für Abend vollgemacht und sein Repertoire veredelt. Der Verzicht auf überkandidelte Posen und exquisites, rasant schnelles Zauberhandwerk brachten dem Schlaks viele Preise ein. Die größte Zaubervereinigung der Welt, immerhin ein Verein von 37.000 Mitgliedern, wählte ihn kürzlich zum Magier des Jahres. Der Wechsel ins Tropicana, mit 1200 Plätze doppelt so groß, bedeutet den Aufstieg in die Champions Liga von Las Vegas. Nebenan gastieren Kaliber wie Elton John und Celine Dion. Bei David Copperfield, Rouvens Idol zur Kinderzeit, der im nahe gelegenen MGM Grand noch immer seine ausgeklügelten Materialschlachten inszeniert, kostet die teuerste Karte 130 Dollar. Jan Rouven, der auf der Bühne wie ein netter, verspielter Junge wirkt, der noch über sich selber staunen kann, ist zehn Dollar billiger. Noch.

Ein sympathischer Rheinländer

Nach der Show quasselt er im Foyer des strahlend weißen Casino-Hotels Tropicana mit den Zuschauern, lässt sich unzickig fotografieren und freut sich wie Bolle, wenn, wie an jenem vernieselten Winterabend, Gäste aus Wesel und Karlsruhe im Publikum sitzen und er seine Arbeit von Landsleuten benotet bekommt. Wenn ihn sein Manager, Mentor und Partner Frank Alfter nicht kurz vor Mitternacht dezent zur Ordnung rufen würde, sechs Shows pro Woche wollen erst mal durchgestanden sein, Jan Rouven würde wohl die Nacht durchmachen. "Jan spielt keine Rolle", sagt Frank Alfter, "der ist so. Die Leute mögen ihn einfach."

Alfter, Anfang 50, war selbst Profi im Geschäft mit der Illusion. Bei den Magic Orwellis. Bei einem Straßenfest in Kerpen-Horrem fiel ihm vor vielen Jahren eine "freche Kodderschnauze im Kommunionsanzug" auf. Jan Rouven, als Knirps im Brühler Phantasialand unheilbar mit dem Magier-Virus infiziert worden, machte schon mit zwölf Jahren Spökes und "ordentliche Kartentricks". Kurz nach dem Abi, Alfter hatte ihn längst unter seinen Schwingen, trat der dunkelhaarige junge Mann dann in Freizeitparks wie Bottrop-Kirchhellen, Varietés wie dem GOP in Hannover oder auf Kreuzfahrtschiffen auf. "Ich wusste immer, das ist mein Ding, die Magie", sagt Rouven, der Abitur hat und außer Zauberei nichts gelernt. So einer landet, wenn sich alles fügt, in Las Vegas. Nur bleiben tun die wenigsten. Bei mehr als 100 Shows pro Abend herrscht im Epizentrum des Entertainments kannibalistischer Verdrängungswettbewerb. Wer sich hält, darf was auf sich halten.

Längst stellt die psychedelische Überbietungsästhetik, die mit dem kanadischen Großzirkus Cirque de Soleil und seinem halben Dutzend verschiedener Shows in Las Vegas Einzug gehalten hat, auch die klassische Magie auf die Probe. Aufführungen mit der Aura von anno dunnemals gehen nicht mehr. Dabei zehren alle lokalen Großmeister von Copperfield bis Criss Angel, dem Jan Rouven nach einem Trick-Diebstahl in dezenter Feindschaft verbunden ist, von der Basisarbeit des Erich Weizs. Alias Harry Houdini.Auch Jan Rouven befreit sich, wie der weltberühmte Entfesselungskünstler ungarischer Abstammung kopfüber an etwas Brennendem hängend, auf die Sekunde aus einer Zwangsjacke, bevor ihn eine metallene Bärenfalle zerquetschen kann. Oder er steigt, von seinen Assistenten vorher sorgsam verkettet, nach 60 Sekunden klatschnass aus einem sorgsam verschlossenen Wasserbehälter. "Der Trick ist Houdini", sagt Jan Rouven, "nur die Geschwindigkeit nicht. Man muss heute viel schneller sein."

Ein Restrisiko bleibt

Wächst dabei nicht automatisch die Gefahr, dass irgendwann etwas böse schiefgeht? "Wir versuchen bei allen Showelementen so umsichtig wie möglich vorzugehen", sagt Frank Alfter, "aber ein Restrisiko bleibt immer." Um Sabotageakte oder technische Nachlässigkeiten auszuschließen, nimmt Jan Rouven vor jeder Show seine Geräte - ja, auch den großen, von einem Siemens-Computer gesteuerten Bohrer - genau in Augenschein. "Ich musste mir eine ganze Menge an technischem Sachverstand aneignen."Damit Rouvens Show aber kein seelenloses Ingenieurswerk wird, hat Frank Alfter den rheinischen Singsang des Stars zum Markenzeichen gemacht. Liebenswürdige Fehler inklusive. Wenn Jan Rouven zwischen den Nummern mit Humor absichtsvoll "Breath" (Atem) mit "Breast" (Brust) verwechselt, lassen die (meist mütterlich) weiblichen Korrektur-Zwischenrufe im Publikum nicht lange auf sich warten. Und schwupps hat der Künstler eine Kurzzeitassistentin für die nächste Darbietung.

Was Rouven und Alfter am Küchentisch am Tag nach der Aufführung in ihrer zu Zeiten der Immobilienkrise günstig erworbenen Traumvilla 15 Autominuten vor der Stadt erzählen, klingt nach einem mittelständischen Betrieb von 40 Leuten, den die Entertainmentgesetze in Nevada in fast EU-bürokratischer Manier reglementieren. "Ich bin der einzige, der Feuer machen darf auf der Bühne", erzählt Rouven, "wenn die Bude abbrennt, habe ich ein echtes Problem." Außerdem steht in seinem Vertrag, dass er keine Risikosportarten betreiben darf. Skifahren tabu. "Aber von zwei brennenden Kreissägen dürfte ich zersägt werden. Tssst."

In ihrem weitläufigen Refugium, dem eine große Werkhalle angeschlossen ist, in dem die Zaubergerätschaften aufbewahrt und gewartet werden, haben Rouven und Alfter den Konkon der Künstlichkeit weitgehend verbannt, der Las Vegas umschließt. Von einer Haushälterin lassen sie sich deutsche Gerichte kochen. Via Internet gucken sie regelmäßig "Tagesschau" oder "Aktenzeichen XY", weil man amerikanisches Fernsehen "ja wirklich kaum ertragen kann."

Wenn Luft bleibt im engen Wochenprogramm, fahren die beiden mit ihrem Pudel Puccini raus in die Berge. Oder besuchen den keine fünf Minuten entfernt wohnenden Siegfried Fischbacher (von Siegfried & Roy), der die Karriere des Kerpeners aufmerksam verfolgt, dezent im Hintergrund unterstützt und ihm sogar einen Trick überlassen hat.

Ansonsten bleibt man unter sich. "Es ist schwer, hier Freundschaft zu schließen", sagt Rouven, "entweder wollen die Leute Sex von dir oder Geld." Letzteres hat der Künstler, der sich bis auf ein Jaguar-Cabriolet keinen Luxus leistet, hinreichend. Ihm ist nicht bange davor, dass die Leute eines Tages seines Gesichtes überdrüssig werden könnten. "Dann nehme ich mir einen Caravan und fahre ein Jahr durch Amerika." Und wenn nicht? Jan Rouven zögert kurz und erzählt dann von seinen Freunden, mit denen er in jungen Jahren als Nachwuchsmagier aufgetreten ist. "Einer ist jetzt Busfahrer, der andere im Kloster." Auch wenn man in Vegas wie im goldenen Käfig lebt, kaum Freizeit hat und ständige Präsenzpflicht: "Ich könnte hier auch in Rente gehen. Zauberer im Paradies - was will man denn mehr?"