Leidenschaft und harte Arbeit: Damit ist Justus Lelke im Restaurant Interieur No. 253 einer der jüngsten Küchenchefs in NRW geworden.
„Interieur No. 253“Am Rolandseck steht eines der besten Museumsrestaurants Europas
Mit dem Filetieren von fünf Lachsen begann für Justus Lelke der erste Tag als Praktikant in der Küche des „Interieur No. 253“. Der damals 14-Jährige ließ sich von der kniffligen Aufgabe nicht abschrecken. Im Gegenteil: „Der Küchenchef wollte mir damit klarmachen, dass der Beruf harte Arbeit ist und kein Spaß, wie es bei Kochshows so rüberkommt“, sagt der mittlerweile 24-Jährige – heute einer der jüngsten Küchenchefs in NRW. Sein Arbeitsplatz: Eines der schönsten Museums-Restaurants Europas: Das „Interieur No. 253“ im Arp-Museum Bahnhof Rolandseck reiht sich ein in die Top Sieben vom Louvre Paris bis zur Tate Modern in London, befand der „Tagesspiegel“ in einem Ranking.
Großer Bahnhof für die Kochkunst
Wer mit der Regionalbahn bis Rolandseck fährt, braucht nur über den Bahnsteig zu gehen, und schon steht er im früheren Wartesaal Erster Klasse mit großer Terrasse. Riesige Kristalllüster hängen an der unverputzt restaurierten Stuckdecke im schlossähnlichen Saal mit venezianischen Spiegeln, leuchtenden Sitzbänken und Gemälden im Stil der klassischen Moderne. Das Licht fällt durch bemalte Fenster und tuscht Muster auf die schlichten Tische und das Parkett. Gestaltet wurde der Barbereich neben dem historischen Saal vom Berliner Künstler Anton Henning.
Das unkonventionelle Gesamtkunstwerk mit Gleisanschluss für Genießer liegt direkt am Rhein. Den Blick auf den Fluss und das Siebengebirge kann man sogar von der Küche aus genießen, wenn dem neunköpfigen Küchenteam Zeit dafür bleibt - bei Hochbetrieb mit rund 150 Gästen allein an einem Samstagmittag ist das die knappste Zutat in dem Beruf. „Der beste Chefkoch ist der, der alles seinen Jungs beibringt“, sagt der 24-Jährige, der sich seiner großen Verantwortung für den Restaurantbetrieb bewusst ist. „Es funktioniert alles nur im Team!“
Werdegang von Justus Lelke
Es ist noch nicht so lange her, da stand er selbst als Lehrling am Herd. Die praktische „Prüfung“ mit den Lachsen bestärkte den Jugendlichen aus Bad Honnef nur, seinen Berufswunsch umzusetzen. Bei seiner Oma entdeckte er die Liebe zum Kochen: „Sie hat ultraviel und gut gekocht, auch Kuchen gebacken.“ Und bei seinem Onkel, einem Gastronomen und gelernten Bäcker, schnupperte er in den Beruf hinein. „Aber auch er hat mir abgeraten“, erinnert sich Justus Lelke.
Er setzte sich durch. Nach der Mittleren Reife verließ er das Gymnasium, absolvierte bis 2019 die Lehre - und ergriff nach einer kurzen Etappe im Restaurant des Onkels die Chance, als Küchenchef im „Interieur“ durchzustarten. „Studieren und viel Theorie ist nicht so mein Ding“, sagt der junge Chefkoch aus der Generation 2000, die im Allgemeinen viel Appetit auf Burger oder Bowls hat. „Alles fein, auch ich geh' mal Burger essen, ein Superladen ist zum Beispiel Goldies in Berlin“, gesteht Justus Lelke.
In Kooperation mit Inhaber, Winzer und Weinbeauftragtem Nic Herbst entwickelt der Chef de Cuisine Gerichte und Menüs. Das Meiste wird selbst gemacht, frisch gekocht. „Wir kaufen nur die Grundzutaten bei Händlern und Feinkostanbietern, und das Brot.“ Der Aufwand ist groß – vom Ansetzen der Fonds für Saucen und Suppen bis zur Herstellung der Nudeln und dem Einkochen von saisonalem Gemüse (s. Rezept). Es wird so gut wie nichts weggeworfen. Aus dem Lauchgrün wird aromatisches Öl, altbackenes Brot verwandelt sich in krosse Chips. „Das Spiel mit den Texturen, Aromen, Farben macht Spaß“, sagt er über sein Kunsthandwerk zum Verspeisen.
Der Betrieb läuft mit zwei Speisekarten, mittags und abends stehen verschiedene Menüs (39-84 Euro) und Gerichte à la Carte zur Wahl, zum Beispiel Entenleberterrine mit Kirsche und Brioche oder Kalbsfrikadelle mit Rosenkohl und Mandeln, gratinierte Austern, Boeuf Bourgignon, Trüffel-Tagliolini, abends Menüs mit hausgebeiztem Lachs, Pilzravioli mit geschmorter Ochsenbacke, zweierlei vom Hirsch mit Rosenkohl und Pastinake oder Wildfang-Kabeljau mit drei Tage in Champagner eingelegtem Kraut, als Dessert etwa Armer Ritter, Dattel Cake, Crème brûlée. Zur Weinbegleitung stehen individuell ausgewählte gute Tropfen aus der Region sowie klassische Spezialitäten aus Frankreich und Italien auf der Karte.
Inspirationen für Rezepte entdeckt der junge Mâitre oft in den sozialen Medien, aber auch in alten Kochbüchern. Restaurantbesuche gehören zum Pensum dazu. Und auch in der Freizeit lässt den Basketballfan das Kochen nicht los. „Ich probiere dann gern neue Sachen aus, letztens hab' ich stundenlang Mante gefaltet, diese türkischen Teigtaschen. Das ist eine ständige Entwicklung: Klassisches und Neues zu verbinden, mit der Zeit gehen, aber sich nicht an Trends festhalten, etwas Eigenständiges machen“, sagt Justus Lelke. „Das ist meine Berufung.“