Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Interview zum Crowdfunding„Gute Ideen verdienen eine Chance“

Lesezeit 5 Minuten

Wolfgang Gumpelmaier (36)

Herr Gumpelmaier, ohne hohe Zinsen und Risiken von fremden Menschen Geld zu bekommen, um eine Geschäftsidee zu realisieren - das klingt verlockend einfach. Ist es das auch?

Ob ich mit Crowdfunding Erfolg habe, hängt sehr stark von der Idee ab. Wenn ich die Crowd überzeugen möchte, mir Geld zu geben, muss ich außerdem bereit sein, mich mit ihr auseinanderzusetzen, mit ihr auf Augenhöhe zu kommunizieren und mich kritisieren zu lassen. Es gibt aber auch Ideen, die einfach so gut sind, dass sie sich quasi von selbst finanzieren.

Zum Beispiel?

Ein Produkt muss innovativ, neu oder auf irgendeine Weise besonders sein. Crowdfundingprojekte gibt es schließlich viele. Eine Branche, die gut funktioniert, ist das Entertainment, also Filme und Musik. Aber auch der Bereich der erneuerbaren Energien läuft sehr gut. Ebenso wie Gadgets, technische Spielereien.

Jemand hat für die Zubereitung eines Kartoffelsalates umgerechnet 42 000 Euro bekommen. Nicht gerade eine einzigartige Idee...

Natürlich schütteln da einige den Kopf. Nicht nur über den Projektinhaber, sondern vor allem über die, die ihm dann tatsächlich Geld gegeben haben. Aber ich finde, er hat es gut gemacht, indem er nun mit dem Geld ein Community-Event auf die Beine stellt. Das ist eine schöne Sache, weil es wieder kreative Leute zusammenbringt. Die ganze Aktion führt natürlich ein bisschen das System des Crowdfunding ad absurdum. Aber zu einem Zeitpunkt, wo es mal nötig war, weil man jetzt mit dem nötigen Ernst weiter machen kann. Solche Spaßprojekte sollen nicht überhand nehmen. Aber jeder kann ja selbst entscheiden, wofür er Geld gibt.

Wird denn nachverfolgt, ob ein finanziertes Projekt auch tatsächlich umgesetzt wird?

Die Crowdfunding-Plattform muss nicht dafür sorgen, dass das Projekt vorangetrieben wird. Das wäre wünschenswert. Im Moment sind Crowdfunder und Crowd aber noch auf sich alleine gestellt. Jede Plattform hat ihre eigenen Regeln, und als Unterstützer sollte ich mir die gut anschauen. Manche Plattformen prüfen ein Projekt, bevor sie es zur Finanzierung freigeben, andere lassen grundsätzlich jedes Projekt zu und prüfen dann nur stichprobenartig.

Sind denn Bankkredite für Unternehmensgründer bald überflüssig?

Es gibt natürlich Plattformen und Betreiber, die sagen, wir wären dank Crowdfunding bald unabhängig von den Banken. Ich sehe es aber eher als eine zusätzliche Form der Finanzierung. Es hat den Vorteil, dass man schon in der Gründungsphase mit den Kunden sprechen und mit der Finanzierung gleichzeitig Marketing machen kann. Für Kreative ist es zum Beispiel eine Möglichkeit, auf der Crowdfunding-Plattform erst einmal zu testen, wie die Idee ankommt. Und bei Erfolg zu einer Bank zu gehen und darauf zu verweisen, wie viele Unterstützer und somit potenzielle Kunden das Projekt bereits hat.

Die Bundesregierung plant strengere Regeln zum Schutz von Kleinanlegern. Was halten sie davon?

Grundsätzlich ist das nicht schlecht, weil es mehr Sicherheit für die Supporter bieten würde. Wenn aber so stark reglementiert wird, dass Crowdfunding eigentlich keine Alternative mehr ist, ergibt das Ganze natürlich keinen Sinn. Ich denke, noch wichtiger als Regeln ist Aufklärung. Wenn ich mir als Unterstützer darüber im Klaren bin, dass ich beim Crowdinvesting im Fall einer Insolvenz vielleicht gar kein Geld zurückbekomme, dann ist das schon ein wichtiger Schritt. Es gibt ja bereits erste Fälle, in denen ein über Crowdinvestment finanziertes Projekt insolvent gegangen ist. Was aber eigentlich keine große Überraschung sein sollte, denn das Risiko für die Unterstützer ist ja genauso groß, wie wenn sie in eine Aktie investiert hätten.

Als Unterstützer muss ich also nicht nur Geld, sondern auch Vertrauen investieren. Wie kann Crowdfunding funktionieren in einer Zeit, in der sich doch eigentlich jeder vor Abzocke im Internet fürchtet?

Vertrauen ist ein ganz wesentlicher Punkt. Deswegen ist es auch wichtig, dass man als Projektinhaber mit den Leuten kommuniziert. Wer Crowdfunding macht, nur weil es gerade in ist, wird damit schlecht fahren. Weil er nicht verstanden hat, was eigentlich dahintersteckt. Es geht darum, mit der Crowd gemeinsam etwas zu schaffen. Im Grunde muss man sich die Gemeinschaft schon vorher aufbauen. Nur wer mir vertraut, der gibt mir Geld.

Was gefällt Ihnen denn besonders an der Idee des Crowdfunding? Dass man sehr früh mit Projekten in Kontakt treten kann. Ich als Musikfan zum Beispiel kann auf einer Crowdfunding-Plattform beobachten, wie Musikprojekte wachsen, weil man ja ständig über den Fortschritt des Projektes auf dem Laufenden gehalten wird. Das schafft Verbundenheit. Und der größte Vorteil: Es können Projekte realisiert werden, die sonst vielleicht nie eine Chance hätten, weil den Banken das Risiko zu groß ist oder die Initiatoren nicht an öffentliche Fördergelder kommen. Dabei gibt es so viele gute Ideen, die eine Chance verdient haben.

Wie ist die Idee eigentlich entstanden?

Als Geburtsjahr des Crowdfunding gilt 2003. Da ging die erste Plattform "Artistshare" online. Aber natürlich gibt es die Idee schon seit mehreren hundert Jahren. Der Sockel der Freiheitsstatue beispielsweise wurde mit zahlreichen kleinen Spenden der amerikanischen Bevölkerung fertig gestellt. Jeder hat ein bisschen Geld gegeben und wurde dafür in einer New Yorker Zeitung als Sponsor genannt.

Welche Zukunft sehen Sie für Crowdfunding?

Ich denke, dass es in der Bevölkerung noch bekannter werden wird. Der Trend wird aber auch dahin gehen, dass es regionaler wird, dass vermehrt lokale Projekte in der eigenen Stadt auf diese Weise realisiert werden. Außerdem glaube ich, dass sich die Plattformen auf Nischen spezialisieren werden. Wie jetzt schon "Musicstarter" für Bands oder einige auf Energieprojekte spezialisierte Webseiten wie "Bettervest".