Köln – Der Mensch altert, altert die Lunge auch und ab wann?
Die Lunge altert bereits ab der Jugend. Das spürt man aber nicht beim Atmen. Wenn man 80 Jahre alt und die Lunge noch gesund ist, hat man immer noch genügend Reserven, um ausreichend zu atmen. Da machen das Herz und der Muskelapparat schon eher Probleme.
Wie altert denn so eine Lunge?
Wir haben Abermillionen an kleinen Lungenbläschen. Sie sind wie Weintrauben angeordnet. Wenn wir altern und mit uns die Lunge, dann verschmelzen diese kleinen Bläschen zu größeren Blasen. Wenn die Lunge durch das Rauchen, andere Schadstoffe oder Erkrankungen geschädigt wird, kann es sogar vorkommen, dass ein Lungenabschnitt komplett mit nur einer einzigen Blase bedeckt ist.
Ist das ein Problem?
Wenn sich anstelle der vielen kleinen Bläschen eine oder mehrere große Blasen gebildet haben, dann bedeutet das, dass weniger Sauerstoff aufgenommen und weniger Kohlendioxid entsorgt wird, denn mit den kleinen Bläschen werden auch die Blutgefäße an diesen Bläschen zerstört. Aber selbst das hält der Mensch noch gut aus. Nur bei Krankheiten kann diese altersbedingte Veränderung problematisch werden.
Wie atmet man richtig – atmen wir vielleicht zu flach?
Die Atemtechnik spielt keine so wesentliche Rolle. Wir atmen automatisch so, dass Kohlendioxid gut abtransportiert wird. Unser Körper ist so gesteuert, dass er die Abgase loswerden will. Bis fünf zu zählen beim Einatmen und ebenfalls beim Ausatmen ist in Bezug auf die Lungenfunktion eher unsinnig. Aber diese Technik entspannt sehr gut, sodass wir die Hektik ablegen können. Das bewusste und langsame Ausatmen ergibt aber Sinn, wenn unsere Lunge krank ist.
Was ist besser: Brust- oder Bauchatmung?
Der menschliche Körper macht es automatisch richtig. Beim Einatmen dehnt sich der Brustkorb nach außen und das Zwerchfell drückt nach unten. Das Zwerchfell ist der Muskel zwischen Brustkorb und Bauch und der wichtigste Atmungsmuskel. Der Druck des Zwerchfells sorgt dafür, dass der Bauch sich wölbt – und das ist auch gut so.
Wir haben ja nicht nur ein Zwerchfell, sondern auch ein Lungenfell. Wofür ist das nütze?
Wir können auch ohne Lungenfell leben. Das Lungenfell ist eine dünne Haut, die die Lungen überzieht und die Brusthöhle von innen auskleidet. Das kann man mit der dünnen Haut vergleichen, die das gekochte Ei umhüllt. Bedeckt ist das Lungenfell von einem dünnen Flüssigkeitsfilm, eine Art Schmiere, damit die Lunge im Brustkorb gleiten kann. Das Fell kann beschädigt werden durch Entzündungen oder Vernarbungen. Dann klebt die Lunge am Brustkorb. Man muss mit einem Physiotherapeuten das richtige Atmen üben. Aber, wie gesagt, wir können auch ohne Lungenfell leben.
Ist es alarmierend, wenn man vorrangig durch den Mund atmet?
Luft kann man sowohl durch Nase als auch Mund ausreichend ein- und ausatmen. In unserem Körper ist alles so programmiert, dass wir von Natur aus alles tun, um genügend Luft zu bekommen, egal ob durch Nase oder Mund.
Ist das Inhalieren beispielsweise ätherischer Öle eine Wohltat für die Lunge?
Bei ätherischen Ölen wäre ich vorsichtig. Man sollte sie nicht inhalieren, das reizt die Bronchien zu sehr. Besser sind Kochsalz- oder Meersalz-Lösungen, das hat den gleichen Effekt wie ein Spaziergang an der Nordsee. Das in der Luft vernebelte Salzwasser stimuliert die Flimmerhärchen. Die sitzen auf der gesamten Oberfläche der Bronchienschleimhaut und transportieren den Schleim nach oben. Bei chronischer Bronchitis sind die Flimmerhärchen geschädigt und schaffen den Schleimtransport nicht mehr.
In den Bronchien haben wir auch Knorpel, damit die Luftwege offen bleiben. Nutzen sich diese Knorpel wie jeder Knorpel ab?
Sie nutzen sich nicht ab, weil sie nur eine geringe Belastung aushalten müssen. Sie müssen einfach nur ihre Aufgabe erfüllen und die Luftkanäle von Mund und Nase bis hin zu den Lungenbläschen geöffnet halten.
Das Lungenvolumen eines Gesunden liegt bei fünf bis sechs Liter – und das eines Kranken?
Das ist unterschiedlich und hängt beispielsweise davon ab, ob ein Lungentumor vorhanden ist oder ein Lungenflügel entfernt wurde. Je nachdem bleibt dann nur noch eine Kapazität von weniger als 2,5 bis drei Litern. Bei einer chronischen Bronchitis, COPD genannt, verliert man nach und nach immer mehr Atemvolumen, bis nur noch 20 bis 30 Prozent bleiben. Das ist das Minimum, mit dem man leben kann, aber nur noch stark eingeschränkt. Mit 50 Prozent Lungenvolumen können viele noch relativ normal leben.
Akute und chronische Erkrankungen der Atemwege gehören zu den großen Volkskrankheiten. Welche Erkrankungen sind das vorrangig?
Die chronische obstruktive Lungenkrankheit, abgekürzt auch COPD. Die Tendenz ist bundes- und weltweit stark steigend und ist eine Volkskrankheit wie Herzinfarkt und Schlaganfall. Unter der COPD leiden zehn Prozent der Bevölkerung. In 2020 wird das die dritthäufigste Todesursache sein. Hauptursache ist das Rauchen. In Deutschland rauchen noch 30 Prozent der Menschen, aber weltweit nimmt das Rauchen stark zu. Auch wer passiv mitraucht, kann COPD bekommen, und wer viele Infekte hat, die auf die Bronchien schlagen, ist anfällig für die Krankheit.
Apropos Infektionen – wie halte ich Erreger in Schach?
Indem man gut und tief atmet. Infektionserreger gedeihen bei flacher Atmung. Sie lieben wenig Sauerstoff, weil sie sich da leichter ausbreiten können. Wenn wir nicht tief genug ein- und ausatmen, werden bestimmte Abschnitte ausgespart, in denen sich Erreger eingenistet haben. Das ist vorrangig dort, wo der Schleim in den Bronchien sitzt. Ein wunderbarer Nährboden für Bakterien. Deshalb tief durchatmen und gut abhusten. Wird der Schleim in den Bronchien zu zäh, können wir ihn nicht mehr abhusten. Sogenannte Schleimlöser nützen kaum etwas.
Wirkt sich Bluthochdruck auch auf die Lunge aus, weil es dort ja auch eine spezielle Blutdrucksituation gibt?
In der Lunge existiert eine andere Form von Blutdruck, aber beide Kreisläufe arbeiten Hand in Hand. Wenn die Lunge erkrankt, kann es zu Lungenbluthochdruck kommen. Das ist eine sehr ernste und schwere Erkrankung, die das Herz stark überlastet, weil es dagegen anpumpen muss. Die Beine schwellen an, man leidet an extremer Luftnot, es wird einem schwarz vor Augen und man kann daran sterben.
Kann man Erkrankungen der Lunge an Geräuschen erkennen?
Das kann nur der Arzt mit dem Stethoskop. Ist das Bindegewebe der Lunge erkrankt, knistert es; und bei Asthmatikern oder COPD-Patienten ist ein Brummen zu hören.
Warum erkennt man Lungentumore oft zu spät?
Man hat lange keine Beschwerden und schenkt der Tatsache wenig Beachtung, dass man nicht nur morgens hustet, sondern eigentlich den ganzen Tag. Man sieht einen Tumor erst, wenn man eine Röntgenaufnahme macht. Operationen sind nur bei rund einem Viertel der Betroffenen erfolgreich. Ansonsten versucht man es durch Bestrahlung, Chemotherapie und personalisierte Medikamenten-Therapien, die auf Patient und Tumor zugeschnitten sind. Auf dem Gebiet wird viel geforscht. Unsere Klinik arbeitet als Lungentumorzentrum mit der Uniklinik Köln eng zusammen. Das CIO in Köln ist weltweit führend auf dem Gebiet spezieller Untersuchungsverfahren.
Das Gespräch führte Marie-Anne Schlolaut