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Chefköche
Vierter König bringt die Küche des Morgenlandes nach Köln

Lesezeit 4 Minuten
Den Beinamen Vierter König erhielt Jaspreet Dhaliwal-Wilmes während der Ausbildung. Jetzt heißt so sein eigenes Restaurant.

Den Beinamen Vierter König erhielt Jaspreet Dhaliwal-Wilmes während der Ausbildung. Jetzt heißt so sein eigenes Restaurant.

Der vierte König führt mit seiner französisch-indischen Fusionsküche und seinem innovativen Ansatz bei der Zusammenstellung lokaler und exotischer Zutaten die Gastronomieszene an und wurde vom Gault Millau ausgezeichnet.

Der Vierte König. Das klingt nach märchenhaften Begegnungen von Morgenland und Abendland. Und so schmeckt es bei ihm auch. Kornelkirschen und Saibling, Waldpilz-Consommée und Wachtelbrust mit Joghurt-Minz-Espuma, Pimpernelle und Kapuzinerkresse, Mädesüß-Eis und Holunderblüten-Mousse: Exotische Gewürze und Aromen heimischer Zutaten verbinden sich auf dem Teller, französische Haute Cuisine mit indischen Curry-Mischungen, Ingwer und Orange mit dem Geschmack nach Fichtenwipfeln und essbaren Blüten ... Daran hätte auch Alice im Wunderland ihre Freude.

„Dies hier sind Pralinen mit Tannenspitzen und Kokos, und das ist ein Gebäck aus schwarzen Kichererbsen mit Sesam“, erklärt Jaspreet Dhaliwal-Wilmes, Chefkoch und Inhaber des Restaurants „Der Vierte König“ am Gottesweg 165, und lässt den Gast Kostproben naschen, bevor in der Küche die Vorbereitungen beginnen. Zupfen und schneiden, braten und dünsten, rösten, marinieren, passieren ... Es gibt wie immer viel zu tun. Pistaziengrüne Gründerzeittheke, große Spiegel und Lüster sorgen für pariserische Brasserie-Atmosphäre.

Jaspreet Dhaliwal-Wilmes

Jaspreet Dhaliwal-Wilmes

Der junge Sikh flüchtet vor Verfolgung seiner Religion

Die französisch-indische Fusionsküche mit Fantasie und Seele zeichnete der Gault Millau mit einer roten Kochhaube für herausragende Kochkunst aus. Dhaliwal-Wilmes Weg zum Erfolg war für ihn allerdings weit — und streckenweise dramatisch: Der junge Sikh flüchtet 1997 aus Indien vor Bedrohungen seiner Religion, er gibt sein Elektrotechnikstudium auf, um das Glück in der Fremde zu suchen. Er strandet in Moskau, kämpft sich mit einer kleinen Gruppe meist zu Fuß über Monate durch bis nach Köln-Ostheim, wo er als Spülhilfe im italienischen Lokal seines Onkels anfängt und sein großes Talent als Koch entdeckt wird.

In Köln wird sein großes Talent als Koch entdeckt

Jaspreet absolviert seine Ausbildung im Restaurant „Vieux Sinzig“, wo er die Kräuterküche schätzen lernt. Den Kontakt pflegt er auch über seinen Sous-Chef Yoann Hue von der Ahr. „Aus seinem Garten in Sinzig und aus meinem Garten in Köln stammen viele der Kräuter, die wir verwenden“, erläutert Dhaliwal-Wilmes, den sein früherer Lehrmeister Jean-Marie Dumaine scherzhaft „Vierter König“ taufte, weil der begabte Azubi aus Köln kam und indische Gewürze mitbrachte. Nach mehreren Stationen bei Sterneköchen eröffnet der Koch 2017 sein Restaurant in Sülz.

Der Vierte König in Köln

Der Vierte König in Köln

Das vierköpfige Team arbeitet in der 20 Quadratmeter großen Küche konzentriert Hand in Hand. Die Wertschätzung für die Natur, Umwelt und das Wohl der Tiere ist eine der wichtigsten Grundlagen ihrer Kochkunst. Für seine erfinderischen Kompositionen streift Jaspreet Dhaliwal-Wilmes durch Wiesen und Auen am Rhein, rupft wilden Portulak aus seinem Rasen, erntet Feigen aus Nachbars Garten, die er in Rotwein mit Zimt und Nelken einweckt, baut Zuckerrohr und Ingwer im Gewächshaus neben seinem Haus an — an und hat schon im Frühjahr die zartgrünen Triebe von Nadelbäumen gezupft, die jetzt im Likör oder dem Pesto vorweihnachtliche Aromen entfalten. Von Kardamom und Fenchelsamen bis zu Linsen: Viele Gewürze und Hülsenfrüchte bringt Preets Mutter von ihren Besuchen aus Indien mit nach Köln.

Auf der saisonalen Speisekarte steht ein Gericht von Beginn an: In Curry gebeizter Lachs mit Kartoffelschaum und Bärlauchpesto. Wild stammt von Lieferanten aus der Eifel, Fisch und Fleisch von anderen Feinkost-Händlern, der Käse von der Fromagerie Tourette.

Weggeworfen wird so gut wie nichts, Schalen von Möhren und Ingwer kommen in Fonds, Brotreste werden mit Rotweinrosinen ein zweites Mal gebacken. Die Angebote wechseln regelmäßig. Neben den saisonalen Drei- bis Fünf-Gang-Menüs (auch vegetarisch, 55-79 Euro pro Person) und à la carte Gerichten gehören mittwochs bis freitags ein „Thali“-Menü (51 Euro) mit neun Köstlichkeiten zum Angebot. Im Dezember stehen unter anderem Vitello tonnato indischer Art mit Grünkohlsalat und Zitronen-Kurkuma-Mayonnaise oder Wurzelgemüse-Cappuccino mit Dorade zur Wahl. Haute Cuisine, etwas anders.

Seine Kinder essen gerne Kartoffelwaffeln

„Ich bin gerne ein Erfinder am Herd“, sagt der Vierte König. Zeit zum Kochen bleibt dem Vater von zwei Kindern im Alter von 17 und 13 Jahren dabei privat kaum — es sei denn, die Kinder drängeln, dass er ihre Leibspeisen zubereiten soll, Kartoffelwaffeln zum Beispiel. Nur am freien Montag geht „Preet“ manchmal mit der Familie auswärts essen, am liebsten in ein indisches Restaurant, gerne Linsen-Dhal oder Rapsspinat.

Mittwochs bis Sonntag steht der Vierte König mit den Kollegen am Herd. Wenn der Spitzenkoch nach dem Menü an die Tische kommt und sich freundlich zurückhaltend erkundigt, ob es seinen Gästen gemundet hat, wünschen ihm manche einen Michelinstern als Krönung seiner märchenhaften Geschichte. Dazu sagt der Koch bescheiden: „Meine Sterne sind glückliche Gäste.“