FamilieSpäte Väter: Glück oder Last?

Sie verwirklichten spät ihren Kinderwunsch: Uly Foerster (64) und Petra (45) mit ihrer Tochter Cäcilie (4).
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Im Alter von 187 Jahren bekam Methusalem seinen Sohn Lamech. Für den ältesten Protagonisten der Bibel war damit aber noch lange nicht Schluss: Er lebte danach noch 782 Jahre "und zeugte Söhne und Töchter". Ein klassischer Geronto-Papa: Väter, die sich erst spät in ihrem Leben ihren Kinderwunsch erfüllen. Es gibt sie noch heute, wenn auch nicht allzu biblischen Alters: Pablo Picasso wurde mit 68 noch mal Papa, Anthony Quinn gar mit 81, und zuletzt bekam Jean Pütz mit 74 Jahren ein Kind.
Uly Foerster entschied sich ebenfalls spät zu einem Kind. Anders als bei Methusalem war sein erstes Kind eine Tochter. Zwei Wochen vor seinem 60. Geburtstag kam Cäcilie. Ein Wunschkind. Das ist jetzt vier Jahre her. Mittlerweile ist der Journalist 64 Jahre alt und muss Cäcilie Bambi-Kassetten in den Videorekorder schieben, ihr Gute-Nacht-Geschichten vorlesen, sie in den Kindergarten fahren und wieder abholen - wie eben jeder andere Vater auch. Wenn man ihn fragt, hört man keine lustigen Anekdoten davon, wie die Knie knirschen, während er mit ihr auf dem Teppich spielt. Oder wie er keuchen muss, wenn beide Fangen spielen. Nur normaler Papa-Alltag.
Trotzdem sieht er sich Engstirnigkeit ausgesetzt. Medien betrachten späte Väter wie ihn als Sensation, als eine seltene Spezies. Zahllose Vorurteile, pikante Fragen, Studien und Wahrscheinlichkeitsrechnungen für vererbte Krankheiten zwingen die Männer zu Rechtfertigungen. Warum noch mal Papa werden, wenn andere Altersgenossen im Schaukelstuhl sitzen und Zeitung lesen? Oder Weine sammeln? Oder durch die Welt reisen? Der Kanon der Voreingenommenheit reicht weit, wenn Wissenschaftler wie die Münchner Professorin Anna Schoch sich öffentlich äußern. Die Diplom-Psychologin verliert meist kein gutes Wort über das Thema: Alte Väter seien ein "Luxusphänomen". Früher hätten sich Männer teure Autos gekauft, heute legten sie sich junge Frauen zu. Es sei "zu einem Statussymbol geworden, in einem späten Lebensalter Kinder zu bekommen". Die älteren Herren seien eitel und egoistisch, wenn sie noch mal ihre junge Frau nebst Baby zeigen können - "Potenzgerangel" nennt die Psychologin das.
Uly Foerster: "Alte Väter - Vom Glück der späten Vaterschaft", Fackelträger-Verlag, 192 Seiten, 4,99 Euro.
Doch trotz dieser emotionalen Debatte werden Väter in Deutschland immer älter. Inzwischen hat jedes zwanzigste Kind einen Vater über 50 und jedes vierte einen über 40, so das Statistische Bundesamt - Tendenz steigend. Es findet ein demografischer Wandel statt, der nicht nur Väter, sondern die Menschen im Allgemeinen älter werden lässt. Doch wie bedenklich ist solch ein Altern der Väter aus medizinischer Sicht? Geschieht dieses Glück der späten Vaterschaft auf Kosten der Gesundheit des Kindes? Tatsächlich stufte jüngst eine Studie von Genetikern aus Island, Dänemark und Großbritannien einen Vaterwunsch in fortgeschrittenem Alter als Risiko ein: Je älter ein Mann sei, desto mehr verändertes Erbgut gebe er an seinen Nachwuchs weiter. Die in der Fachzeitschrift "Nature" veröffentlichte Untersuchung offenbart die Gefahr, Kinder würden vermehrt autistisch und schizophren werden. Daran seien De-novo-Mutationen Schuld, Veränderungen des Erbguts, die erstmalig bei einem Elternteil auftreten. Während bei einem 20-Jährigen im Schnitt 25 dieser Veränderungen zu finden seien, übertrage ein 40-Jähriger bereits durchschnittlich 65 Mutationen an das Kind. Ist das Grund genug, ab 40 lieber kein Kind mehr zu zeugen?
"Viele Untersuchungen über einen Zusammenhang zwischen paternalem Alter und Auftreten von Erkrankungen weisen methodische Mängel auf", sagt Professor Eberhard Nieschlag vom Zentrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie des Uni-Klinikums Münster. Diese Studien hätten gewisse Störfaktoren, weil beispielsweise individuelle Aspekte nicht berücksichtigt werden. "Manche 60-Jährige haben zwar ein chronologisches Alter von 60, sind aber biologisch wesentlich jünger", so der Androloge. Angesichts der steigenden Zahl älterer Väter sollten die entsprechenden Paare über die Risiken und ihre Dimensionen aufgeklärt werden, "ohne dass ihnen von der Zeugung von Nachkommen direkt abgeraten wird".
Und die verringerte gemeinsame Lebenszeit? Kann das nicht zum Problem für Kinder werden? "Die Zeit, die ältere Väter mit ihren Kindern noch verbringen können, hat dank der stetig steigenden Lebenserwartung enorm zugenommen", entgegnet Professor Nieschlag. "Heute haben durchaus auch 50- und 60-jährige Väter noch die Chance, ihre Kinder bis ins frühe Erwachsenenalter zu begleiten."
Uly Foerster war sich eventueller Risiken bewusst. Er und seine Frau, die bei der Geburt auch schon 41 Jahre alt war, ließen sich eingehend untersuchen. Frauen haben zwar, anders als Männer, eine biologische Grenze für Schwangerschaften, entscheiden sich aber dennoch immer später zu einem Kind: In den vergangenen 21 Jahren nahm das Alter bei der Geburt des ersten Kindes um knapp fünf Jahre zu, auf 27, so das Statistische Bundesamt.
Die Frage nach einem Kind war für den 64-Jährigen lange Zeit kein Thema. Er hatte sich seinem Beruf verschrieben: Seine journalistische Laufbahn begann 1970 bei der "Badischen Zeitung" in Freiburg, dann arbeitete er als innenpolitischer Korrespondent in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn für verschiedene Tages- und Wochenzeitungen. Anschließend ging er zum "Spiegel" in Hamburg.
Bis vor einem Jahr noch war er unter anderem Chefredakteur des "Lufthansa Magazins". 1973 heiratete er eine Journalistin, die erste Ehe, beide waren gerade 25. "Wir hatten die Grundauffassung einer absolut gleichberechtigten Partnerschaft", erklärt Foerster. "Kinder hätten dieses Gleichgewicht, so sahen wir es damals, gefährdet. Daher war dieses Thema tabu."
Dann die zweite Ehe, aber ähnliche Ansichten. "Auch als ich meine zweite Frau kennenlernte, da war sie Anfang 30, haben wir nicht wirklich an Kinder gedacht." Doch irgendwann näherte sie sich der kritischen 40er-Marke. "Dann stellte sich wieder die Frage nach einem Kind. Und meine Frau und ich wünschten uns schließlich eins. Warum auch nicht? Ich war zwar fast 60, aber Liebe kennt kein Alter."
Natürlich, wie für viele andere Väter ist auch für Uly Foerster seine Tochter ein großes Glück. "Ein alter Vater zu sein, hat viele Vorteile", sagt er. Die Karriere habe er schon hinter sich, darum müsse er sich nicht mehr kümmern. "Ich habe zum Beispiel sehr viel mehr Zeit für Cäcilie." Das Allensbacher Institut für Demoskopie fand heraus, dass Väter durchschnittlich gerade mal zweieinhalb Stunden täglich mit ihren Kindern verbringen und zu viel Zeit für den Beruf aufwenden würden. Foerster jedoch kann seiner Tochter viele Stunden mehr widmen.
Vorurteile, warum späte Väter egoistisch sein sollten, kann er nicht nachvollziehen. "Ich werde den Rest meines Lebens für meine Tochter geben und für sie da sein, solange ich kann. Das nennen die Kritiker alter Väter dann Egoismus." Dabei macht sie ihm jeden Tag bewusst, wie alt er eigentlich ist.
"Das ist einer der Nachteile an meinem Alter", gibt der Buchautor zu. "Ich werde mich bemühen, ihr bestimmte Situationen zu ersparen. Man muss sie ja zum Beispiel nicht von der Disco abholen, wenn man 75 ist, oder?" Doch das ist für Cäcilie erst mal kein Problem. Sie hat zunächst mehr Spaß an Bambi.