Interview„Jetzt sind Folgestudien nötig“
Prof. Wollnik, inwiefern ändert sich nach der aktuellen "Nature"-Studie das Risiko für den Nachwuchs älterer Männer?
Diese Studie ist die erste systematische Untersuchung der gesamten menschlichen Erbinformation, die konkrete Angaben zur durchschnittlichen jährlichen Rate von Neumutationen bei Kindern bezogen auf das Alter der Eltern macht. Dabei ist aufgefallen, dass bei steigendem väterlichem Alter die Rate der Neumutationen zunimmt, um etwa zwei pro Jahr. Einen Hinweis darauf, dass Neumutationen beim Kind vermehrt aus den väterlichen Genkopien entstehen und diese Rate mit dem väterlichen Alter korreliert, hatten wir Genetiker schon eher.
Beeinflussen diese Veränderungen die Gesundheit des Kindes?
Es gibt etwa 22 000 Gene in unserem Körper, sie machen etwa ein bis zwei Prozent des Erbgutes aus. Die in der Studie nachgewiesenen Neumutationen befinden sich aber im gesamtem Erbgut, daher wird nur ein ganz geringer Teil direkt Gene betreffen.
Das heißt im Klartext: Nur wenn die Neumutationen Gene so treffen, dass es zu funktionellen Veränderungen kommt, können diese direkt mit bestimmten Erkrankungen in Zusammenhang gebracht werden. Ein Ansteigen von Neumutationen im Erbgut bedeutet daher nicht automatisch das Auftreten einer Krankheit; es kann aber das Risiko hierfür erhöhen. Die Studie ist hierfür ein erstes Indiz, jetzt sind Folgestudien nötig.
Was sollten ältere Männer tun, wenn sie sich entscheiden, ein Kind zu bekommen?
Sie sollten sich auf jeden Fall beraten lassen und sich über Risiken im Klaren sein. Die genetische Risikofrage in diesem Zusammenhang kann momentan allerdings nicht durch eine systematische molekulare Diagnostik auf Neumutationen im Rahmen einer pränatalen Untersuchung, wie sie etwa bei Frauen möglich ist, analysiert werden. Ob sich das in den nächsten Jahren ändert, bleibt abzuwarten.