AboAbonnieren

435 Millionen Verträge in DeutschlandViele Versicherungen sind überflüssig

Lesezeit 5 Minuten
Lebensversicherung

Symbolbild

Im Januar buchen viele Versicherungen den Jahresbeitrag vom Konto ab. Ein guter Anlass, um den eigenen Versicherungsschutz unter die Lupe zu nehmen. Laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) besitzen die Deutschen knapp 435 Millionen Versicherungsverträge.

„Allerdings haben viele Menschen nicht die passende Absicherung“, sagt Andreas Behn, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Thüringen. „Oft sind Verträge schon alt, so dass die versicherten Leistungen nicht mehr zur aktuellen Lebenssituation passen.“ Oder der Versicherte brauche diesen Vertrag schlicht nicht.

Nicht nur der Jahreswechsel, auch der Einstieg ins Berufsleben, eine Heirat, Geburten oder der Ruhestand – all das sind Anlässe, um Versicherungen abzuschließen oder zu kündigen, erklärt Julia Rieder, Versicherungsexpertin des Verbraucherratgebers Finanztip.

„Man sollte sich gegen Situationen versichern, in denen das Risiko besteht, durch einen Schaden die Lebensgrundlage zu verlieren“, führt sie aus. „Fällt etwa das Einkommen weg oder ist der Schaden so hoch, dass ich diesen nicht aus Ersparnissen begleichen kann, ist das in der Regel ein Fall für einen Versicherungsvertrag“, erläutert Rieder. Kleinere Schäden könne man dagegen aus der eigenen Tasche bezahlen.

Privathaftpflicht ein Muss

Priorität sollte die Privathaftpflichtversicherung haben. „Das ist eine der wichtigsten Absicherungen neben einer Krankenversicherung, die wirklich jeder haben sollte“, empfiehlt Behn. Denn jeder Mensch sei gesetzlich dazu verpflichtet, Schäden zu ersetzen, die er anderen zufügt. Er haftet dafür in unbegrenzter Höhe. „Hier geht es nicht um den Ersatz der immer angeführten zerbrochenen Vase. Werden Menschen verletzt, kann das sehr teuer werden“, erklärt Behn.Die Stiftung Warentest empfiehlt deshalb Verträge mit mindestens 10 Millionen Euro Versicherungssumme für Personen- und Sachschäden. Kinder sind bei den Eltern mitversichert. Nach der ersten Ausbildung brauchen sie aber in der Regel einen eigenen Vertrag. Spätestens mit dem ersten Job ist der Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung ratsam. Sie soll absichern, wenn etwa durch eine Krankheit das Einkommen wegfällt. In solchen Fällen reicht die gesetzliche Erwerbsminderungsrente meist nicht aus, um den Lebensstandard zu halten. Die Krux bei dieser Absicherung: Eine schlechte Gesundheit, ein gefährlicher Beruf oder das fortgeschrittene Alter können den Vertrag stark verteuern oder einen Abschluss sogar verhindern.

„Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist sehr wichtig, sollte aber nicht unvorbereitet abgeschlossen werden“, rät Behn. Denn es gebe Fallstricke bei den Verträgen. Wer keine BU abschließen kann, kann über Alternativen nachdenken – im Einzelfall können eine Unfall- oder Erwerbsunfähigkeitsversicherung sinnvoll sein.

Für Reisen ins Ausland ist eine Auslandsreisekrankenversicherung laut Rieder ein Muss. Die gesetzliche Krankenversicherung übernimmt in der EU nur teilweise Behandlungskosten - in anderen Ländern wie USA zahlt sie in der Regel gar nichts. Die Police kommt hingegen auch für Kosten auf, die für einen Rücktransport nach Deutschland anfallen.

Über Risikolebensversicherung nachdenken

Steht die Geburt eines Kindes oder der Kauf einer Immobilie an, können Verbraucher über eine Risikolebensversicherung nachdenken. Stirbt etwa ein Elternteil, zahlt die Versicherung eine vereinbarte Summe. Der Betrag sollte so hoch sein, dass er den Wegfall eines Einkommens kompensieren kann. Wer seine Kinder absichern möchte, kann zudem den Unterhalt der Kinder, etwa bis zum Ende des Studiums versichern.

Wie hoch die Versicherungssumme bei einem Immobilienkauf auffallen sollte, hängt von der Höhe des Kredits ab. Zudem brauchen Eigentümer eine Wohngebäudeversicherung, die bei Schäden etwa durch Brand oder Sturm greift. Behn empfiehlt zudem, in dem Vertrag eine Elementarschadenversicherung mit aufzunehmen. Diese erstattet etwa die Kosten für Schäden, die durch Hochwasser entstehen. „Starkregen zum Beispiel gibt es überall, daher sollte man diesen Schutz möglichst mit einschließen“, erklärt er. In Risikogebieten für Hochwasser könne der Abschluss allerdings teuer werden.

Nur teuren Hausrat versichern

Eine Hausratversicherung lohnt sich laut Behn dagegen nur bei teuren Anschaffungen oder für Menschen, die kaum Ersparnisse haben. Wer genug Geld habe, um im Ernstfall eine Wohnung neu einzurichten, könne sich diesen Schutz sparen.

Spätestens wenn sich die ersten Zipperlein bemerkbar machen, denken Menschen über den Abschluss von Krankenzusatzversicherungen nach. Selbstständige und Privatversicherte sollten auf jeden Fall ein Krankentagegeld abschließen, rät Rieder. Denn die bekommen nicht – wie Arbeitnehmer – Krankengeld. „Auch gesetzlich versicherte Gutverdiener sollten überlegen, ob das Krankengeld ihrer Krankenkasse ausreicht, um die Ausgaben zu decken. Ist das nicht der Fall, können sie mit einer Krankentagegeldversicherung aufstocken.“

Krankenhauszusatzversicherung kann sinnvoll sein

Eine Krankenhauszusatzversicherung kann auch sinnvoll sein, sei aber kein Muss. „Hier geht es nicht vorrangig darum, das Einzelzimmer bezahlt zu bekommen, sondern eine Behandlung durch Spezialisten, die die gesetzliche Krankenkasse nicht bezahlt“, erklärt Rieder. Wer darauf Wert legt, kann über einen Abschluss nachdenken.

Eine Zahnzusatzversicherung lohnt sich laut Rieder nur, wenn der Versicherte häufig kostspieligen Zahnersatz benötigt. Denn gute und leistungsstarke Tarife seien teuer.

Um die Kinder nicht mit Kosten zu belasten, möchten viele Menschen eine Pflegeversicherung abschließen. „Ein Vertrag ist sinnvoll“, erklärt Rieder und ergänzt: „Aber nur, wenn der Versicherte sich die hohen Beiträge langfristig auch leisten kann.“ Sonst sei es besser, anders vorzusorgen. (dpa)

Geringverdiener können über den Partner versichert werden

Menschen mit geringem Einkommen können über ihren Partner kostenfrei krankenversichert werden. Das ist möglich, wenn das eigene Einkommen im Jahr 2019 bei nicht mehr als 445 Euro pro Monat oder bei einem Minijob bei nicht mehr als 450 Euro monatlich liegt und der Partner zugleich in der gesetzlichen Krankenversicherung ist. Im Jahr 2018 habe die Einkommensgrenze außerhalb der Minijobs noch bei 435 Euro gelegen. Darauf weist die Verbraucherzentrale Mecklenburg-Vorpommern hin. Außerdem können Menschen ab 55 Jahren eine Familienversicherung erhalten. Diese besondere Form der gesetzlichen Krankenversicherung für Ehepartner und auch Kinder ist kostenfrei. Die Mitaufnahme ist bei privaten Versicherungen nicht möglich. Ausgenommen von der Familienversicherung sind hauptberuflich Selbstständige und Beamte. Zu den möglichen Verdiensten zählen auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie gesetzliche und private Renten. (dpa)