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Reizthema: WolfEin Besuch bei den Schafhirten von Waldbröl

Lesezeit 3 Minuten

Seniorchef Günter Sachse ist eigentlich Rentner. Aber er ist immer noch häufig bei der Herde, die nun sein Adoptivsohn führt.

Waldbröl – Klar, wenn die Sonne scheint, kann sich jedermann gut vorstellen, diesem scheinbar beschaulichen Beruf nachzugehen. Vater und Sohn Sachse sind aber auch an diesem ungemütlichen Februartag unterwegs. Hut und Schäfermantel schützen sie vor Wind und Wetter. Dann bricht der Himmel auf. Und wie bestellt zieht plötzlich ein Keil von Kranichen über den blauen Himmel.

Günter Sachse (68) lässt den Blick über die Herde schweifen. Er ist eigentlich Rentner, macht sich aber immer noch gern nützlich bei der Betreuung der Herde. Etwa 400 Tiere stehen auf der Wiese bei Waldbröl-Puhl. Dass der viele Regen die Böden aufgeweicht hat, gefällt ihm nicht. Und nun muss er auch noch feststellen, dass doch schon Gülle ausgebracht wurde. Das schmeckt ihm und seinen Tieren natürlich nicht.

Praktikum als Schafhirte

Der Senior bedauert, dass die Wolle kaum noch Geld bringt und nach China verramscht wird. Über die Runden kommt der Betrieb nur durch den Verkauf der Lämmer. Ein Teil wird aus eigener Schlachtung an Stammkunden direkt vermarktet. 150 neue Jungtiere werden wohl im März geboren, schätzt Sachse.

Mit einem lauten Ruf bringt der Senior Hütehund Zora dazu, die Herde von der Bundesstraße wegzudrängen. Adoptivsohn Oliver (39) tritt hinzu. Er wusste natürlich, auf was er sich einlässt, als er den Betrieb übernahm. Seine Kindheit in Rosbach an der Sieg war schon von Tauben, Kaninchen und anderem Viehzeug bevölkert, später hatte er sogar ein paar Schafe. 1998 machte er ein Praktikum bei Günter Sachse, 1999 begann seine eigentliche Ausbildung. „Ich mag es, draußen zu sein und mit den Tieren zu arbeiten.“

Reizthema: Wolf

Die mit dem Beruf verbundene Bürokratie, mit der er sich am heimischen Schreibtisch in Waldbröl-Hochwald plagt, schätzt er weniger. Da der Mann von der Zeitung nun schon einmal da ist, kommt Sachse auch auf das Reizthema schlechthin zu sprechen. Das ist in seiner Branche ausnahmsweise nicht Corona, sondern der Wolf. Die Herde der Sachses ist in Waldbröl und Nümbrecht unterwegs und streift auch mal das Gebiet von Ruppichteroth. Damit bewegen sie sich im „Wolfsgebiet Oberbergisches Land“ , also dem Revier des bei Eitorf ansässigen Rudels. „Das mit dem Wolf ist nicht so einfach, wie sich das manche vorstellen“, ärgert sich Oliver Sachse.

Bis es in Deutschland wieder ein funktionierendes Nebeneinander von Wolf und Nutztier gebe, sei es noch ein langer Weg, glaubt der Schäfer. Natürlich schütze er seine Tiere nachts mit einem Zaun. Um einen Wolf effektiv abzuwehren, bräuchte er einen Herdenschutzhund. Aber diese reagierten auch auf alle Spaziergänger und andere vermeintliche Bedrohungen. Bisher hat Sachse noch keinen Riss erleben müssen. „Aber das kann jede Nacht passieren.“ Dass er für getötete Tiere entschädigt würde, wäre ihm dann kein Trost: „Ich will nicht, dass die Tiere ersetzt werden, ich will, dass sie sicher sind.“

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In Hochwald haben die Sachses eine eigene Sommerweide. Unterwegs sind sie mit ihren Tieren nur von Dezember bis März. Mit den Eignern der Flächen pflegen sie meist seit Jahrzehnten Kontakte zu beiderseitigem Nutzen. „Die Bauern profitieren von unserer Arbeit auf ihren Weiden. Das ist wie beim Rasen: Der wächst auch besser, wenn er regelmäßig gemäht wird“, erklärt Oliver Sachse. Zudem trampelten die Schafe die Mäuselöcher zu.

Derweil hat der Regen wieder eingesetzt. Oliver Sachse nimmt es mit Gleichmut: „Immer noch besser als Schnee.“