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Wahl in den USAWer wählt wen nach welchen Regeln?

Lesezeit 7 Minuten
Ein Freiwilliger hilft beim Ausschneiden von „I Voted“-Aufklebern im Boyle Heights Senior Center.

Ein Freiwilliger hilft beim Ausschneiden von „I Voted“-Aufklebern im Boyle Heights Senior Center.

Mehr als 230 Millionen US-Amerikaner sind aufgerufen, über einen neuen Präsidenten oder eine neue Präsidentin abzustimmen. Das ist aber nicht die einzige weitreichende Entscheidung, die an den Wahlurnen zwischen Atlantik und Pazifik getroffen wird.

Wird mit Kamala Harris zum ersten Mal in der US-Geschichte eine Frau Präsidentin? Oder kehrt Donald Trump zurück? Der Ausgang der US-Wahl ist Umfragen zufolge so eng wie lange nicht mehr. Die 60 Jahre alte Demokratin tritt mit Tim Walz als Vizepräsidentschaftskandidaten an, dem Gouverneur von Minnesota. Der 78-jährige Republikaner hat sich J.D. Vance als Stellvertreter ausgesucht, einen jungen Senator aus Ohio.

Rund 155 Millionen Menschen haben vor vier Jahren ihre Stimme abgegeben. 81 Millionen davon gingen an Joe Biden, mehr als je zuvor für einen Kandidaten. Wirklich entscheidend waren aber gerade einmal 43000 Menschen in drei Bundesstaaten. Das liegt am komplizierten Wahlsystem. Hier sind die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wer und was genau wird am 5. November gewählt?

Am heutigen Dienstag entscheiden die US-Bürger, wer von Januar an für vier Jahre die mächtigste Demokratie der Welt führen wird. Neben der Präsidentschaftswahl fallen überall Tausende weitere Entscheidungen. Besonders wichtig ist der US-Kongress mit Senat und Repräsentantenhaus.

In elf der 50 Bundesstaaten wird auch ein neuer Gouverneur gewählt. Hinzu kommen viele Entscheidungen über Stadtparlamente, Schulbeiräte und Staatsanwaltschaften. Es gibt aber auch zahlreiche Volksabstimmungen – etwa zu Abtreibungen, zu der Frage, ob Maine eine neue Flagge bekommt oder ob in Denver künftig Pelze verboten sind.

Warum wählen die Amerikaner an einem Dienstag im November?

Das hat historische Gründe, die fast 200 Jahre zurückreichen: Die Ernte sollte vorüber sein, außerdem sollte den Gläubigen keine Wahl am Sonntag zugemutet werden. Und in ländlichen Gebieten sollten sie auch die manchmal beschwerliche Reise Richtung Wahllokal erst am Montag antreten müssen. 1845 erließ der Kongress deshalb ein Gesetz, das den „Dienstag nach dem ersten Montag im November“ als Wahltag bestimmte.

Wer darf in den USA überhaupt wählen?

Grundsätzlich dürfen wie in Deutschland alle Bürger ab 18 Jahren wählen. Das waren bei der Wahl 2020 rund 232 Millionen Menschen. Weil es in den USA aber keine generelle Meldepflicht gibt, müssen sich Wahlwillige zuvor in ein Register eintragen lassen. Sie geben dabei auch eine generelle Parteipräferenz an und hinterlegen, ob sie sich als „Demokrat“, „Republikaner“ oder „Unabhängiger“ registrieren wollen. Damit legen sie sich nicht für die tatsächliche Abstimmung in der Wahlkabine fest. Aber die Registrierung bestimmt in der Regel darüber, dass man nur für diese Partei an den Vorwahlen teilnehmen kann, bei denen der jeweilige Präsidentschaftskandidat bestimmt wird.

Grafik-Erklärgrafik Nr. 106840, Hochformat 135 x 190 mm, "So wird der US-Präsident gewählt (Wiederholung)", Grafik: Brühl/Bökelmann/Stein, Redaktion: J. Schneider/D. Loesche

Grafik-Erklärgrafik Nr. 106840, Hochformat 135 x 190 mm, 'So wird der US-Präsident gewählt (Wiederholung)', Grafik: Brühl/Bökelmann/Stein, Redaktion: J. Schneider/D. Loesche

Mehr als fünf Millionen Menschen in den USA wurde zudem das Wahlrecht entzogen, weil sie im Gefängnis waren – in den allermeisten Bundesstaaten erlangt man es auch nach der Freilassung nicht zurück. Überproportional oft trifft das Schwarze. Sie wählen in der Regel häufiger Demokraten-Kandidaten, sodass die Republikaner meist Änderungen der Regeln für Häftlinge bekämpfen. Wegen dieser Einschränkungen lässt sich die Zahl der Wahlberechtigten in den USA nur schwer genau beziffern.

2020 stimmten laut der US-Statistikbehörde rund 155 Millionen Amerikaner ab. Gemessen an der Bevölkerung im wahlfähigen Alter entsprach das einer Wahlbeteiligung von rund 66,8 Prozent – ein Rekordwert.

Wie genau wird der US-Präsident gewählt?

Die Wähler bestimmen nicht direkt über den oder Präsidenten, sondern sie entscheiden darüber, wem die Wahlleute ihres jeweiligen Bundesstaates ihre Stimme zu geben haben. Diese Delegierten werden im Dezember zur formellen Abstimmung über den Präsidenten geschickt. Dabei gilt in aller Regel: Wenn ein Kandidat in einem Staat auch nur mit einer Wählerstimme vorn liegt, bekommt er alle Wahlleute in diesem Staat zugesprochen – außer in Nebraska und Maine stimmen alle Delegierten eines Staates als Block ab.

Was sind „Swing States“ oder „Battleground States“?

In den USA gibt es beim Wahlverhalten wie in vielen anderen Ländern starke geografische und demografische Unterschiede: Städter und Menschen an der Ost- und Westküste wählen häufiger die Demokraten. Wähler in ländlicheren Gebieten und in den Staaten im Südosten stimmen eher für die Republikaner. Aufgrund von historischen Erfahrungen gilt es schon jetzt in über 40 Staaten als sicher, wer gewinnt.

Der Wahlkampf konzentriert sich auf sieben Bundesstaaten in der Mitte, die in der Vergangenheit mal für die eine, mal für die andere Partei gestimmt haben. Sie werden „Swing States“ oder „Battleground States“ genannt, „Schlachtfelder-Staaten“. In Michigan, Pennsylvania und Wisconsin im Norden sowie in Nevada, Arizona, Georgia und North Carolina im Süden kommt es auf jede Stimme an. In Umfragen liegen die beiden Kandidaten in allen diesen Staaten aktuell nur wenige Prozentpunkte auseinander.

Wann kommen die ersten Hochrechnungen?

Wegen der vielen Zeitzonen in den USA gibt es keine einheitliche Schließung der Wahllokale. Stattdessen endet die Wahl in den Bundesstaaten im Osten zuerst, den Abschluss bildet Hawaii. Anders als in Deutschland gibt es keine Prognose beim Schließen der Wahllokale und auch keine Hochrechnung während der Auszählung.

Deutet sich allerdings aufgrund von historischen Ergebnissen und Vorwahlumfragen an, dass einem Kandidaten der Sieg in einem Bundesstaat kaum noch zu nehmen ist, dann rufen die großen Fernsehsender einen Gewinner aus. Diese Aussagen gelten als sehr verlässlich, die Sender unterhalten eigene „Entscheidungstische“ mit teils jahrzehntelang erfahrenen Experten.

Wie lange dauert die Auszählung?

Und wann steht fest, wer gewinnt? Die meisten Beobachter gehen davon aus, dass es am Dienstagabend noch keinen Sieger gibt, aber unmöglich ist es nicht. 2020 wurde Joe Biden am Samstagmorgen nach der Wahl zum Sieger erklärt. Anders als in Deutschland gibt es je nach Bundesstaat oft sehr unterschiedliche Auszählungsmodalitäten mit Computern oder nur auf Papier. Bei sehr engen Entscheidungen sehen die meisten Bundesstaaten eine manuelle Nachzählung vor.

Wie verlässlich sind die Wahlumfragen in den USA?

Generell verlässlicher als ihr Ruf. Es ist aber schwer, die genaue Zusammensetzung der Wählerschaft vorherzusagen. 2020 stellte sich bei Nachbefragungen heraus, dass rund 20 Prozent der Wähler vier Jahre zuvor nicht zur Wahl gegangen waren. Dieser Anteil lag auch in früheren Jahren ähnlich hoch. Trump wurde 2016 und 2020 unterschätzt, die Demokraten sind seit 2022 bei den Zwischenwahlen und in außerplanmäßigen Wahlen deutlich besser gewesen als noch bei der Wahl 2020. Das liegt daran, dass in den USA das landesweite Recht auf legale Abtreibung gestrichen wurde. Die große Frage ist, ob sich 2024 die Serie von Trump oder Harris fortsetzt.

Wie geht es nach der Wahl im offiziellen Zeitplan weiter?

Nach der Zertifizierung in den Bundesstaaten und möglichen Nachzählungen per Hand kommen die Wahlleute am 17. Dezember in Washington zur Abstimmung zusammen. Anfang Januar wird dann im Senat noch einmal das Ergebnis zertifiziert, mit dem Vizepräsidenten als Sitzungsleiter. Dieses Treffen hatte am 6. Januar 2021 zum Sturm von aufgehetzten Trump-Anhängern auf das Kapitol geführt, weil dessen damaliger Vize Mike Pence die Wahl anerkennen wollte. Dieses Mal sitzt Harris als noch amtierende Vizepräsidentin dieser Sitzung vor. (dpa)


Kongresswahl: Wichtig für Machtfülle des Präsidenten

An diesem Dienstag findet auch die Kongresswahl statt. Ihr Ausgang ist entscheidend für die Frage, ob es der neue Präsident oder die neue Präsidentin leicht oder schwer bei der Umsetzung politischer Ziele haben wird.

Der aus Repräsentantenhaus und Senat bestehende Kongress mit Sitz im Kapitol in Washington ist für die Gesetzgebung zuständig, ist Herr über den Haushalt und kontrolliert die Exekutive. Hat die Partei des Präsidenten in beiden Kammern die Mehrheit, kann der Staatschef seine Vorhaben meist zügig auf den Weg bringen. Fällt jedoch das Repräsentantenhaus an die Oppositionspartei, wird das Regieren schwieriger. Mit ihrer Mehrheit kann sie die Gesetzesvorhaben des Präsidenten blockieren und politische Konflikte zuspitzen. Noch schwieriger wird es, wenn die Opposition in beiden Kammern die Mehrheit hat. Allerdings kann der Präsident auch dann per Dekret noch einiges bewegen und Vorhaben des Kongresses per Veto stoppen.

Die Kongresswahlen finden alle zwei Jahre statt, entweder zeitgleich mit der Präsidentenwahl oder in der Mitte der Amtszeit des Präsidenten (Midterm-Wahlen). Gewählt werden alle 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses sowie 33 oder 34 der 100 Senatsmitglieder. Abgeordnete werden für zwei Jahre gewählt, Senatoren für sechs.

Seit den Midterm-Wahlen 2022 haben die Republikaner im Repräsentantenhaus die Mehrheit. Im Senat verfügen die Demokraten von Präsident Joe Biden über eine hauchdünne Mehrheit von 51 Stimmen. Die Umfragen deuten darauf hin, dass es beim Repräsentantenhaus einen sehr knappen, schwer vorauszusehenden Wahlausgang geben wird. Beim Senat stehen die Chancen für die Demokraten schlecht. (afp)