Der Politologe Alexander Görlach erklärt den Plan des US-Präsidenten zum Umbau der Vereinigten Staaten – und spricht über eine mögliche dritte Amtszeit.
Politologe über Donald Trump„Klarer kann man die Umwandlung des Staates nicht vorbereiten“

„Das Land hatte noch keine Zeit zum Luftholen“, sagt der Politologe Alexander Görlach zu den ersten Wochen nach dem Amtsantritt von Donald Trump.
Copyright: AFP
Warum zitiert Donald Trump Napoleon? Was steckt hinter der massenhaften Entlassung von US-Staatsdienern? Und ist eine dritte Amtszeit Trumps wirklich denkbar? Sechs Fragen zum Umbau Amerikas an den deutschen Politikwissenschaftler Alexander Görlach, der in New York lehrt.
Herr Görlach, Trump hat vor ein paar Tagen auf X den Satz gepostet: „Wer sein Land rettet, bricht keine Gesetze.“ Ein Napoleon-Zitat. Was soll uns das sagen?
Dass der Präsident, also er selbst, im Zweifel über dem Gesetz steht. Die Präsidentschaftswahl in den USA hat Amerika vor die Grundsatzfrage nach den Grenzen und Möglichkeiten der Autorität des Präsidenten gestellt. Donald Trump will die Reichweite der Exekutivmacht ausdehnen, so wie es ihm internationale totalitäre und halbtotalitäre Herrscher von der Türkei bis Russland vorexerziert haben. Das höchste Amt soll so umgebaut werden, dass der starke Mann der Wahlen auch ein starker Mann im Staat wird.
Alles zum Thema Donald Trump
- Folge von Trumps Zöllen Kanada wirft US-Whiskey aus den Regalen – Bourbon-Hersteller sind entsetzt
- Gretchenfrage Wie Marine Le Pen sich zwischen Trump und Putin positioniert
- Auch Deutschland im Fokus Lawrows Entgleisung und Putins geheime Pläne – Moskau reagiert auf Trumps Kurs
- Bruch mit früherer Politik USA bestätigen Gespräche mit Hamas – Trump droht mit „letzter Warnung“
- Nach Eklat im Weißen Haus Selenskyj bestätigt Vorbereitung für erneute Verhandlungen mit USA
- Ansprache des US-Präsidenten „Amerika ist zurück“ - Trump unversöhnlich vor dem Kongress
- Entwicklungsprojekte Schlappe für Trump – Supreme Court weist Antrag zu Auslandshilfen ab
Wie soll das gehen? Es gibt eine Verfassung. Und es gibt Gerichte.
Das ist die Ironie dabei: Das Instrument, das Donald Trump sich für den Umbau des Rechtssystems ausgesucht hat, sind ausgerechnet die vielen Gerichtsverfahren, die nun im ganzen Land gegen seine Entscheidungen angestrengt werden: Die nimmt Trump bewusst in Kauf. Einerseits testet er aus, wie funktionsfähig die Gerichte noch sind, wenn man sie schlicht überhäuft mit Verfahren. Andererseits würde es ihm völlig reichen, auch nur in einem oder zwei Fällen zu gewinnen und sich die erweiterte Macht des Präsidenten bestätigen zu lassen. Alles, was er will, ist ein Präzedenzfall.
Was ist daran eigentlich so ungewöhnlich? In Deutschland tritt auch das Verfassungsgericht auf den Plan, wenn die Regierung mit irgendeinem Gesetz ihre Kompetenzen überschritten hat.
Rechtliche Fragen nach der Machtfülle einer Exekutive sind in Demokratien in der Tat völlig normal. Diese Machtfülle muss regelmäßig ausgelotet und abgesteckt werden. Die Trump-Administration lotet aber nichts aus. Sie tastet nicht nach dem Machbaren. Sondern sie strebt offen die Vormachtstellung des Präsidenten gegenüber dem Kongress und der Judikative an. Es geht nicht darum, die Gewaltenteilung neu auszubalancieren, sondern sie zu überwinden.
Warum sollten gerade republikanische Wähler, die sich für Recht und Ordnung interessieren, das gut finden?
Die tonangebenden Kräfte im republikanischen Spektrum sind nicht deckungsgleich mit der Basis. In dem, was Trump macht, erkennt man ganz deutlich die Handschriften seiner größten Spender, darunter der pro-israelische Lobbyverband AIPAC, die christliche Rechte und die Waffenlobby. Die dürften bisher zufrieden sein, denken Sie zum Beispiel an Trumps Ankündigung, den Gazastreifen zu besetzen. Was die normalen Trump-Wähler betrifft, so gibt es in den Sozialen Netzwerken vereinzeltes Murren etwa über die sozialen Folgen von Trumps Zoll-Politik, die ja auch die Lebensmittelpreise steigen lassen könnte. Aber das sind noch Einzelstimmen, weil die meisten von Trumps Tempo schlicht überrumpelt sind. Das Land hatte noch keine Zeit zum Luftholen.
Was kann der amerikanischen Demokratie schlimmstenfalls passieren?
Vieles hängt davon ab, ob Trumps Administration nicht irgendwann dazu übergeht, die Entscheidungen von Gerichten schlicht zu ignorieren. Gleichzeitig ist klar, dass ein Präsident das Land nicht ausschließlich mit Dekreten, also Executive Orders, regieren kann. Er ist ja kein König. Je häufiger Trump den Kongress umgeht, desto problematischer für die Verfassung. Und schließlich kokettiert Donald Trump offen mit einer dritten Amtszeit, was seine Anhänger natürlich elektrisiert. Das wäre das Ende der US-Demokratie, wie wir sie kennen. Und ich glaube, dass er das selbst noch gar nicht entschieden hat.
Klingt so, als sei die Gefahr noch nicht ganz so konkret.
Leider doch, es fängt ja schon an. Zehntausende Staatsdiener zu feuern, wie Donald Trump es gerade versucht, ist genau der Weg Chinas gewesen. Unter Deng Xiaoping in den Achtziger-, Neunzigerjahren waren Staat und Partei noch nicht identisch. Der heutige Machthaber Xi Jinping hat das geändert, indem er alle, die ihm nicht passten, entfernen ließ. Was Trump da vorhat, ist ja keine Entbürokratisierung: Es geht darum, die Checks and Balances des demokratischen Verwaltungsapparates auszuhöhlen. Klarer kann man die Umwandlung des Staates zu einer One-man-Show nicht vorbereiten.