Schon zwei Wochen nach der Wahl sind die Sondierungen zwischen Union und SPD vorbei. Was muss jetzt passieren, bis eine Regierung steht?
Sondierungen abgeschlossenIst Schwarz-Rot schon unter Dach und Fach?

Die Sondierungen zwischen Union und SPD sind abgeschlossen. Merz, Klingbeil, Söder und Esken (v.l.n.r.) gaben die Ergebnisse bekannt.
Copyright: dpa
Nach der erfolgreichen Sondierung streben die Spitzen von CDU, CSU und SPD im Bund formelle Gespräche über eine Koalition an. Bis eine schwarz-rote Regierung steht, sind aber noch einige Hürden zu nehmen.
Welche Grundsatzvereinbarungen haben die Sondierungsteams geschlossen?
Die Finanzfragen waren bereits abgeräumt: Man will hohe Milliardenschulden machen, um mehr Geld für Verteidigung und die Instandsetzung der Infrastruktur zu haben. Zusätzlich gibt es Einigungen in vielen kleineren Bereichen. Zum Beispiel soll das bisherige Bürgergeldsystem verändert werden. „Für Menschen, die arbeiten können und wiederholt zumutbare Arbeit verweigern, wird ein vollständiger Leistungsentzug vorgenommen“, sagte CDU-Chef Friedrich Merz, der wahrscheinliche neue Kanzler.
Zur Unterstützung der tief in einer Krise steckenden deutschen Wirtschaft sollen die Energiekosten gesenkt werden. Konkret soll die Stromsteuer sinken. Das soll nicht nur Unternehmen, sondern auch private Haushalte entlasten. Nach Berechnungen des Vergleichsportals Verivox verringert eine Senkung der Stromsteuer auf den in der EU erlaubten Mindestwert die Stromkosten um knapp 7 Prozent. Eine Familie mit einem Jahresverbrauch von 4000 kWh muss dann 93 Euro weniger bezahlen.
Alles zum Thema Russisch-Ukrainischer Krieg
- Nach Gesprächen zwischen USA und Russland Grünen-Chefin fordert Ansage von Merz zu Nord Stream 2
- Auf Einladung von Lawrow Chinas Außenminister reist kommende Woche nach Russland
- „Komplettes Stadtzentrum brennt“ Russland attackiert Wohnhäuser – Macron und Scholz lehnen Putins Bedingung ab
- „Bedrohung für unsere Allianz“ Nato-Generalsekretär Rutte warnt Putin vor Angriff auf Polen
- Verhandlungen in Saudi-Arabien Ukraine und Russland wollen auf Angriffe im Schwarzen Meer verzichten
- Krieg in der Ukraine Mehr als 80 Verletzte nach russischem Raketenschlag auf Sumy
- Grüne empört CDU-Politiker erwägen russisches Gas-Tabu zu brechen
Und was ist mit dem Mega-Streitthema Migration?
Auch hier gibt es eine Einigung: An den Landgrenzen sollen laut Merz künftig auch Menschen zurückgewiesen werden, die ein Asylgesuch stellen – allerdings nur in Abstimmung mit den Nachbarstaaten. Und ob die mitmachen, ist fraglich. Sollten Staaten wie Österreich, Tschechien und Polen hier schon in den nächsten Tagen auf Konfrontationskurs gehen, könnte das die Koalitionsgespräche erheblich belasten.
Das von der Ampel-Koalition reformierte Staatsangehörigkeitsrecht soll weiter Bestand haben. Es gelten damit weiter verkürzte Wartefristen für eine Einbürgerung. Auch der Doppelpass für Nicht-EU-Bürger bleibt. Prüfen wollen Union und SPD, ob es verfassungsrechtlich möglich wäre, Terrorunterstützern, Antisemiten und Extremisten, die zur Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung aufrufen, die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen, falls sie noch eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen. Hier hat die Union, die diese Reform einst in Bausch und Bogen abgelehnt hatte, Zugeständnisse gemacht. Dass weniger Schutzberechtigte ihre Angehörigen nach Deutschland holen dürfen, war der Union wichtig. Da noch offen ist, wie lange das gelten soll, könnte es hier noch Streit um Details geben.
Wie geht es jetzt weiter mit der Suche nach einem Regierungsbündnis?
Schon einen Tag nach der Einigung der Sondierer haben der CSU-Vorstand und die SPD-Führung einstimmig der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zugestimmt. Damit fehlt nur noch das Ja der CDU-Führung, die an diesem Montag entscheiden will. Danach beginnt die eigentliche Arbeit am Koalitionsvertrag.
Was muss nun überhaupt noch vereinbart werden?
Sondierungen sind ein Abtasten der Parteien. Sie suchen eine gemeinsame Erzählung, entwickeln ein gemeinsames Ziel. Besonders strittige Themen, wie hier etwa Finanzen und Migration, werden schon mal aus dem Weg geräumt. Doch im Koalitionsvertrag steht später viel mehr. Um den zu formulieren, werden nun Arbeitsgruppen gebildet, zum Beispiel zur Verkehrspolitik, zu Familienpolitik, zur Umwelt- und Klimapolitik. Einigen müssen sich die Verhandler auch über den Zuschnitt der Ministerien. Soll es etwa künftig ein eigenes Ministerium für Digitalisierung geben? Auch welche Partei welche Ministerien übernimmt, wird normalerweise ausgehandelt und im Koalitionsvertrag geregelt.
Wie lange können die Koalitionsverhandlungen dauern?
Üblicherweise mehrere Wochen. Beim letzten Mal – und da wurde vergleichsweise geräuschlos verhandelt – vergingen zwischen Ende der Sondierung und letzter Sitzung der Koalitionsverhandlungen fast eineinhalb Monate. Merz hat das Ziel ausgerufen, bis Ostern fertig zu sein.
Wie könnte ein schwarz-roter Koalitionsvertrag aussehen?
Die Union hat da bereits recht genaue Vorstellungen geäußert. Die vergangene Legislatur habe gezeigt, wie schnell Koalitionsverträge durch Ereignisse von außen wie den Ukraine-Krieg obsolet sein könnten. Ein schwarz-roter Vertrag soll schlanker und flexibler sein. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte vor der Wahl, die für einen Politikwechsel notwendigen Maßnahmen müssten in den ersten sechs Monaten einer neuen Regierung auf den Weg gebracht werden. Der Vertrag müsse dann je nach Herausforderung weitergeschrieben werden.
Wann steht dann endgültig eine neue Bundesregierung?
Über den Koalitionsvertrag stimmen die Parteien am Ende des Prozesses ab. Bei der CDU passiert das auf einem kleinen Parteitag, bei der CSU reicht ein Vorstandsbeschluss. Die SPD plant dagegen eine Abstimmung aller Mitglieder – auch, weil die Zusammenarbeit mit Merz nicht überall in der Partei so gern gesehen wird. (dpa)